Die Videokonferenz in der Praxis des Juristen – herzlich willkommen in der Steinzeit (Anwaltsblatt 5/2013)

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Videokonferenz im Prozess“; der Titel im Anwaltsblatt 5/2013 machte neugierig. Hatten wir etwas so Großes wie die Mondlandung verpasst? Nach der Lektüre trat dann doch wieder Ernüchterung ein – Im Westen nichts Neues. Die Videokonferenz, obwohl gesetzlich seit über zehn Jahren möglich, ist ein ungeliebtes Kind. In der Praxis scheitert sie ganz einfach daran, dass Gerichte diese Möglichkeit überhaupt nicht anbieten. Interessant: alle sonst immer gerne bemühten Argumente wie Umweltschutz und Effizienz bei der Arbeit prallen an den Beteiligten ab wie an einer Gummiwand. Es gehört zur tagtäglichen Praxis der Gerichte, die Parteien bis zu 700 km (eine Strecke) durch die Republik fahren zu lassen (und auf 09:00 Uhr zu terminieren), damit die Parteien an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen, die vielleicht 10 Minuten dauert. Man merkt deutlich bei den Gerichten eine, freundlich formuliert, erhebliche Zurückhaltung bei dem Einsatz der Videokonferenz. Das ist unverständlich, weil doch den Richtern immer Techniker zur Seite stehen, die ihnen die möglicherweise lästige Arbeit des Steuerns der Videokonferenzanlage abnehmen.

 Unser letzter Versuch, eine Videokonferenz bei einem Gericht zu machen, brachte uns den Anruf des sehr freundlichen Vorsitzenden, der mit uns über unseren „sehr ungewöhnlichen“ Antrag sprechen wollte. Immerhin: wir sind jetzt so weit, dass wir nur noch technische Probleme zu lösen haben.  

Ach ja, die Technik, die liebe Technik: hier scheint die Justiz ganz erheblich dem Stand der Technik hinterher zu hinken („Steinzeit“). Während heutzutage jeder über Skype oder andere Medien im Handumdrehen eine Videokonferenz spontan herstellen kann (geht sogar über smartphones), ohne große Kosten zu verursachen, ist das bei der Kommunikation mit der Justiz deutlich schwieriger. Die wenigen Gerichte, die überhaupt so eine Anlage haben (Verzeichnis hier: http://www.justiz.de/verzeichnis/index.php;jsessionid=ECDCFD2D51F7D8BCB1BA198A3DE6EE42

können nur über ISDN gehen. Das bedeutet für Kanzleien, dass, um ein einigermaßen gutes Bild zu haben, vier Leitungen benötigt werden. Diese vier Leitungen verursachen in der Realität Fixkosten von 100,00 € je Monat, und zwar auch dann, wenn keine Videokonferenz durchgeführt wird. Erst langsam im Vordringen begriffen ist der so genannte IP-Standard, mit dem auch über das Internet kommunizieren kann. Aber auch hier gibt es scheinbar erhebliche Probleme.

Man muss leider feststellen, dass die Videokonferenz sich in der Praxis überhaupt noch nicht durchgesetzt hat. Nach unserer Vermutung wird weiter weniger als ein Promille aller mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz durchgeführt. Es ist erstaunlich, dass die Grünen dieses Thema noch nicht als politisches Betätigungsfeld erkannt haben. Hier könnten etliche Millionen von Kilometern usw. eingespart werden.

ws

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Ein Kommentar zu “Die Videokonferenz in der Praxis des Juristen – herzlich willkommen in der Steinzeit (Anwaltsblatt 5/2013)”

  1. Artikelempfehlung Videokonferenz im Gerichtssaal – willkommen in der Steinzeit | Anfi Blog juristisches Internet
    Juli 8th, 2013 06:25
    1

    […] http://blog.random-coil.de/2013/07/die-videokonferenz-in-der-praxis-des-juristen-herzlich-willkommen… […]

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