Archiv für 2011

„Ich will ein schneeweißes Luder, die ist schöner, blonder, fester, denn sie ist ne Krankenschwester…“ Betrachtungen zum AGG unter besonderer Berücksichtigung von Umfragen zu dem Thema: „welche Berufe des jeweils anderen Geschlechts finden Frauen und Männer sexy“?

Samstag, 01. Oktober 2011
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Es ist das erklärte Ziel des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz („AGG“), Benachteiligungen u.a. wegen des Geschlechts zu verhindern. Das ist nicht erstaunlich. Denn dieses Ziel ist bereits als Grundrecht in der Verfassung verankert. Das AGG ist mittlerweile  durch medienwirskame Urteile auch  in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Unternehmen haben sich wegen der mit Verstößen gegen das Gesetz verbundenen finanziellen Folgen schon lange mit dem Thema befasst. Ob allerdings aus Einsicht oder nur, um keine Nachteile zu haben, wäre interessant zu erfahren.

Blickt man aber einmal in die Bevölkerung, dann stellt man fest, dass das gesetzgeberische Ziel des AGG in Teilen der Bevölkerung nicht so verankert ist, wie der Gesetzgeber sich das wünscht. Man trifft häufig auf Klischees, die man (frau) für längst überholt geglaubt hatte. Insbesondere in Wintersportorten und auf Inseln findet sich eine „Kultur“ deutschen Liedgutes, deren Textschreiber Unternehmen besser nicht mit dem Verfassen von Stellenangeboten für Mitarbeiter beauftragen sollten. Als ein Beispiel für viele mag ein Ausschnitt aus einem Lied von Klaus und Klaus über eine Krankenschwester (oder über männliche Phantasien) dienen:

„Ich brauch nicht Vater, Mutter, Bruder
Ich will ein schneeweißes Luder
Die ist schöner, blonder, fester
Denn sie ist ´ne Krankenschwester

Manchmal fühl´ ich mich nicht fit
Es schmerzt der Kopf, es kneift im Schritt
Dann weiss ich das ich Hilfe brauch
Wo ich die finde, weiß ich auch.“ 

Wir wollen gar nicht über Sinn oder Unsinn oder gar Satzbau dieses Ausschnittes richten, das überlassen wir anderen Disziplinen. Neben solchen Texten nehmen sich die Texte aus den 20ern, die heute Künstler wie Max Raabe zum Besten geben („Fräulein pardon, ich glaub wir kennen uns schon“) für unseren Geschmack sehr elegant aus.

Interessanterweise haben wir vergleichbare Texte wie das Lied von der Krankenschwester von Frauen über Männer im internet nicht gefunden. 

Offenbar wecken bestimmte mit Frauen besetzte Berufe bei Männern Assoziationen, die sich umgekehrt (wenn man / frau das überhaupt so sagen kann) bei Frauen nicht einstellen, wenn sie sich das männliche Pendant in dem Beruf vorstellen. Ein Partnervermittlungsinstitut hat 2011 rd 12.000 Singles befragt, welchen Beruf sie bei dem jeweils anderen Geschlecht für sexy halten, und hat daraus ein ranking erstellt. Mit interessanten Ergebnissen: der Anwalt und die Anwältin schafften es jeweils auf Platz 4; während aber die Anwältin von der Krankenschwester (Platz 3) geschlagen wurde, sucht man / frau den Krankenpfleger im ranking der Berufe, die Frauen bei Männern sexy finden, vergebens. Auch die Lehrerin (gleichauf mit der Anwältin) liegt deutlich vor dem männlichen pendant des Lehrers, der es in der Gunst der Frauen gerade mal auf Platz 10 schaffte. Wörtlich heißt es in der Studie:

„Männer in eher weiblich konnotierten Berufen  sind bei Frauen weniger begehrt, während Frauen in diesen Berufen bei Männern sehr gut ankommen. So findet jeder vierte Mann Krankenschwestern sexy,“

Da haben wir das Dilemma: die Benachteiligung fängt im Kopf und bei den Bildern an, da hilft kein AGG. Eine Änderung wird nur durch Einsicht erfolgen, und die ist – siehe deutsches Liedgut auf Inseln und im Wintersport – erstaunlicherweise auch bei den jüngeren Menschen nicht abzusehen. Eine intensivere Analyse verbieten an dieser Stelle aber Anstand und Sachlichkeitsgebot.

Für uns Juristen bleibt das AGG und die Aufgabe, entweder mit gutem Beispiel voranzugehen oder aber als schlechtes Beispiel zu dienen, dem man nicht nacheifern sollte. Was bleibt, ist aber auch die Erkenntnis, dass sich das Leben nur begrenzt regeln lässt. Normen werden umso eher Erfolg haben, wenn sie verstanden und dadurch akzeptiert werden. Aufoktroyiertes Recht hält nach den Erfahrungen nie lange.

Depesche quinta essentia – Ausgabe Nr. 06 ist am 30.09.2011 mit diesen Themen erschienen:

Montag, 26. September 2011
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ein Schwerpunkt ist die Vermögensnachfolge, hier zum einen ein Beitrag dazu, dass ein  Testament mehrere Varianten berücksichtigen sollte, z.B. dass die Kinder vor ihren Eltern oder die Ehefrau vor ihrem Ehegatten verstirbt. Das zweite Thema in diesem Zusammenhang ist dem Wechsel des ehelichen Güterstandes gewidmet. Das dritte Thema behandelt den „Notartourismus“ ins Ausland, das vierte befasst sich mit den für Unternehmen überraschenden Folgen der EuGH – Entscheidung zum Urlaubsanspruch Langzeitkranker.

Wer sich für den Bezug der Depesche noch nicht hat registrieren lassen, kann das auf unserer wesite unter dem Punkt „Depesche“ nachholen: 
www.random-coil.de

Andere ärgern zu wollen kann teuer werden…. BGH – Urteil vom 13.01.2011 – IX ZR 110/10 (Anwaltskosten als Schadensersatz)

Sonntag, 25. September 2011
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Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, und wer anderen mit Klage droht, obwohl er weiß, dass dies Unsinn ist, muss damit rechnen, die Kosten des gegnerischen Anwalts zahlen, im Streitfall sogar eine 1,5 Gebühr. Kollegen, die vorschnell unsinnige Forderungen geltend machen, seien gewarnt. Das hat der BGH jetzt klargestellt.

Am 13. Januar 2011 (IX ZR 110/10) hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: eine Partei forderte von der anderen – in Kenntnis des Sachverhalts –  durch Anwaltsschreiben mit kurzer Frist die Rückzahlung eines Darlehens, auf das sie vorher verzichtet hatte. Nach anwaltlichen Schriftwechsel erledigte sich die Sache. Die angegangene Partei ließ es aber nicht dabei bewenden. Sie verlangte von der anderen Partei die Erstattung der von ihr aufgewendeten Anwaltskosten zur Abwehr des Anspruchs als Schadensersatz. Der BGH gab der Partei recht. Er sah den Schadensersatzasnpruch (wegen Pflichtverletzung des Darlehensvertrages) als gegeben an und sprach der Partei sogar den Ersatz einer 1,5 Gebühr nach Nr. 2300 zum RVG zu. Nach Ansicht des BGH war die Erhöhung der Gebühr von 1,3 auf 1,5 der richterlichen Prüfung entzogen.

Quintessenz: eine Entscheidung, die zu begrüßen ist. Kolleginnen und Kollegen, die gerne einmal vorschnell aus der Luft gegriffene Ansprüche behaupten (in der Hoffnung, dass doch etwas zu holen sein möge), werden sich künftig eine kritischere Prüfung der Qualität ihrer Arbeit gefallen lassen. Wenn es nicht der Mandant war, der auf den Unsinn gedrängt hat, wird es für den Anwalt unangenehm. Im Übrigen: wissentlich unberechtigte Forderungen geltend zu machen, zeichnet einen Anwalt auch nicht gerade aus, um das Wort unseriös zu vermeiden.  

      

Was war da denn los: ist Angela Merkel eine „culona inchiavabile“ ? was meinen die Juristen dazu und, ist das eine causa für den Papst als Mediator?

Sonntag, 25. September 2011
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Im Spiegel Nr.38 vom 19.09.2011 wird auf Seite 104 berichtet, Berlusconi habe Angela Merkel in einem abgehörten Telefonat als „culona inchiavabile“ bezeichnet. Freundlich übersetzt Der Spiegel den Ausspruch mit „ein großer Hintern, mit dem man überhaupt nichts anfangen könne“ ; die richtige, wesentlich drastischere Übersetzung, die deutlich länger als der auf den Punkt gebrachte italienische Spruch ist, hier wiederzugeben, verbietet uns allerdings der Anstand. 

Wer aber schon einmal vorzugsweise als junger Mensch in Italien war, der weiß, dass die Sprache dort generell wesentlich drastischer ist als bei uns, ohne dass man dort jedes Wort auf die Goldwaage legen würde. Der Spruch „va fan culo“, der einfach mit „Leck mich am A..“ übersetzt werden kann, ist in Italien bestenfalls die wenn auch unhöfliche Aufforderung an den Adressaten, sich zu trollen. Und der Ausdruck „non mi rompere le palle“ – „geh mir nicht auf die Eier“ – ist sogar in Deutschland verbreitet und wird auch hier sicher nicht wörtlich genommen. Die Italiener verfügen bekanntlich über eine sehr bildhafte Sprache. Und wer selbst italienisch spricht, der weiß, dass man dabei Gestik und Mimik automatisch ändert. Die Sprache ist lebendiger und emotionaler als unser Deutsch. So klingt in den Ohren eines / einer Deutschen die Aufforderung zu bestimmten sexuellen Praktiken – „fammi una pompa“ – sicher melodischer als das deutsche Pendant, das eher schroff klingt.

Das aber alles interessiert Juristen nicht. Sie fragen sich: hat Berluscoin Frau Merkel beleidigt ? mit seiner Aussage sicher, aber die Frage ist doch, ob das abgehörte Telefonat verwertet werden darf. Ist das noch ein Zufallsfund ? Man darf auch gespannt sein, ob Frau Merkel fristgerecht den notwendigen Strafantrag stellt und wo, sicher sehr medienwirksam, der Sühneversuch stattfinden wird. Eigentlich hätte der Papst sich doch dieser causa annehmen können.

Gelesen und gelacht, der praktische Stempel zur Erledigung so mancher Eingangspost II („Haben Sie eigentlich einen Knall?“)

Donnerstag, 15. September 2011
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Die guten Manieren sterben aus; da wundert es nicht, wenn Rechtsanwälte im Umgang miteinander nicht zimperlich sind. Die Anwälte sind in dieser Hinsicht sogar privilegiert. Denn es ist ihnen erlaubt, als Vertreter der Interessen ihrer Mandanten die Dinge auch in drastischer Form auf den Punkt zu bringen. Es gibt aber Kollegen, die – vereinfacht gesagt – das Maß nicht halten können und einen derartigen Unsinn schreiben, dass man wirklich versucht ist, auf das eingegangene (oder ausgerdruckte) Schriftgut den Stempel „Gelesen und gelacht“ aufzubringen und an den Absender ohne weiteren Kommentar zu retournieren. Denn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Elaboraten, die vor Worthülsen nur so strotzen, ist nicht möglich. Allein der Anstand hindert daran. 

Das Anwaltsgericht in Köln (10 EV 2/11) hat jetzt einen Kollegen gerüffelt, der nach Ansicht des Gerichts den Bogen überspannt hat. Er hat einen bei ihm eingegangenen Schriftsatz mit dem handschriftlichen Zusatz „Haben Sie eigentlich einen Knall“ versehen und ohne weiteren Kommentar an den Absender retourniert. Es mag sein, dass der Kollege die notwendige Etikette vermissen ließ. Die Entscheidung blendet aber leider das Verhalten des  Absenders viel zu weitgehend aus. Nach der Entscheidung war es so, dass der Absender dem gerüffelten Kollegen in seinem Schreiben unterschwellig strafbares Handeln vorwarf, indem er schrieb: „Ob der Inhalt ihres Schreibens eine Nötigung zu Lasten meiner Mandantin darstellt, möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen….“  Nach dem Sachverhalt bot das Verhalten des gerüffelten Kollegen für diesen Vorwurf aber keinen Anlass. Wir meinen daher, dass auch der Absender hätte gerüffelt werden müssen.

Es ist ein häufig beobachtbares Phänomen, dass die Qualität der Schriftsätze nicht sehr hoch ist, weil einige Anwälte sich bestenfalls oberflächlich mit den Mandaten befassen und, oft zu Lasten des eigenen Mandanten ihr Heil im Streit statt in der Lösung des Problems suchen. Oft soll dann die Stärke des Ausdrucks die Schwäche oder gar das Fehlen der Argumente überdecken. Da kann es dann schon lästig werden, wenn man in Zivilprozessen auf 30 und mehr Seiten umfassende Schriftsätze ohne Substanz, die „Besinnungsaufsätzen“ gleichen, erwidern muss. 

Im Übrigen gilt auch unter Anwälten die alte Weisheit: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Und wer ein kräftiges Echo nicht ertragen kann, der sollte selbst nicht so laut in den Wald schreien. Ach ja, wohlüberlegte Zurückhaltung zeugt nicht von Schwäche, sondern von der Stärke, sich nicht jedem Impuls hinzugeben, sondern zunächst einmal die Dinge zu Ende zu denken, um dann mit der richtigen Strategie an den Start zu gehen. Wer als Anwalt in erster Linie durch lautes „Auftreten“ auffällt, disqualifiziert sich selbst.

Gerichte, die lieben Postlaufzeiten (die sind es nicht !) und das EGVP – es grüßt der Amtsschimmel

Samstag, 10. September 2011
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Wir hatten uns gewundert, dass die  Post von einem Landgericht zu uns bis zu vierzehn Tage brauchte (dachten wir jedenfalls). Bis wir der Sache auf den Grund gingen. Wir stellten fest, dass wir die Post von dem Landgericht mit dem Stempel eines 2o km entfernten Amtsgerichtes erhielten. Auf Nachfrage erhielten wir folgende Antwort, die uns 100 Jahre zurück versetzte: das Landgericht bringt die Post, die für die Anwälte bestimmt ist, die ihre Kanzlei im Bezirk des besagten Amtgerichts haben, zunächst zu diesem Amtsgericht. Dort wird die Post in Postfächer einsortiert. Erst wenn die Post nach einiger Zeit von den Anwälten nicht aus den Postfächern entnommen worden ist, versendet das Amtsgericht die Sendungen auf dem Postwege an die Anwälte. Das also war des Rätsels Lösung.

Ist schon das beschriebene, lange geübte, Procedere erstaunlich, dann braucht man auch nicht mehr zu fragen, wie man bei den beiden Gerichten überhaupt auf die Idee kommen konnte, dass ein Anwalt jeden Tag 4o km fährt, nur um zu sehen, ob Post in seinem Postfach liegt. Dabei liegt die Lösung doch recht nahe: das Landgericht müsste nur am EGVP teilnehmen.

Gott sei Dank: der BFH rettet die gute alte Pommes-Bude; es lebe die „Manta-Platte“

Mittwoch, 31. August 2011
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Mit zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen vom 30. Juni 2011 (V R 35 /08 und 18/10) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu der bisher häufig auch strafrechtlich verfolgten streitigen umsatzsteuerlichen Abgrenzung von Essenslieferungen (Steuersatz 7%) und Restaurationsleistungen (Steuersatz 19%) bei Pommesbuden Stellung genommen. Die Entscheidungen beruhen auf einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. März 2011 (C-497/09, C-499/09, C-502/09, Bog u.a.), das aufgrund von Vorlagen des BFH ergangen ist.

Der BFH hat jetzt entschieden, dass eine (nur) dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Essenslieferung vorliegt, wenn nur einfach zubereitete Speisen (wie z.B. Bratwürste oder Pommes Frites oder ähnlich standardisiert zubereitete Speisen wie die „Mantaplatte“) abgegeben werden und dem Kunden lediglich „behelfsmäßige“ Verzehrvorrichtungen (wie z.B. Theken oder Ablagebretter bei Imbissständen) zur Einnahme der Speisen zur Verfügung stehen und die Speisen nur im Stehen eingenommen werden können (V R 35/08).

Damit dürfte der BFH einen großen Beitrag zur Rettung der Pommes – Buden geleistet haben. Dumm nur für alle Betreiber, die in der Vergangenheit sogar strafrechtlich zur Veratwortung gezogen worden sind. Hier wäre zu prüfen, ob nicht doch geholfen werden kann. Selbst bei verjährten Zeiträumen wäre ein Erlass zu prüfen. Denn die Betroffenen müssen es als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinden, nicht nur Steuern (und Zinsen) gezahlt zu haben, sondern zudem bestraft worden zu sein für eine Tat, die es nach den Entscheidungen des BFH heute nicht mehr gibt und damit wohl auch früher nicht.

Fazit: es ist nicht immer sinnvoll, streitige Verfahren zu vermeiden. Es kann durchaus lohnend sein, einen langen Atem zu haben.

Augen auf….. gilt auch für die Finanzverwaltung – bei Überweisung Pech gehabt…

Montag, 15. August 2011
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Geld aufs falsche Konto überwiesen (omg), wie bekommen wir es nur zurück ? das war die Frage, die die Finanzverwaltung in dem vom Finanzgericht Münster in dem am 24. März 2011 entschiedenen Verfahren (6 K 2439/10 AO) umgetrieben hatte.  Was war passiert ? Der Steuerpflichtige hatte seinem Finanzamt eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Das Finanzamt überwies eine Steuererstattung dennoch auf das „alte“ Konto. Das Kreditinstitut leitete das Geld aber nicht an die neue Bankverbindung des Steuerpflichtigen weiter, sondern rechnete mit eigenen Ansprüchen auf. Kein Problem, dachte sich die Verwaltung. Wenn wir unsere Vollstreckungstitel selbst schreiben können, dann erlassen wir gegen die Bank rasch einen Rückforderungsbescheid und die Welt ist in Ordnung. Das Kredinstitut sah das anders, zahlte nicht und wehrte sich.

Mit Erfolg: Das Finanzgericht hob auf Klage den Bescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Begründung: Leistungsempfänger sei nicht das Institut, sondern der Steuerpflichtige. Pech für das Finanzamt. Denn der „hatte nichts mehr“. Aber der BFH wird Gelegenheit haben, die Sache zu prüfen: das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Man darf also gespannt sein.  

Nur eine Frage wird in diesem Verfahren sicher nicht beantwortet werden: wer ersetzt der Allgemeinheit den Schaden durch das Versäumnis der Behörde ?

Big brother is watching you: Preisgeld für den Gewinner steuerpflichtig, weil Gegenleistung für eine Leistung oder doch nur ein Lottogewinn ?

Montag, 20. Juni 2011
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Der BFH (Verfahren ist unter Az. IX R 6/10 anhängig) wird’s  bald zu entscheiden haben, ob das Preisgeld bei „Big Brother“ zu versteuern ist. Wer gedacht hatte, dass die Teilnehmer von Big Brother einfach rumhängen (heute sagt man dazu „chillen“, was deutlich besser klingt), der sah sich durch die I. Instanz des FG eines Besseren belehrt: von wegen Abhängen und das Preisgeld von 250 TEUR steuerfrei mitnehmen. Das Preisgeld sei, so die Richter, schließlich eine Gegenleistung für die Leistungen der Kandidaten, die man von ihnen erwarte. Nach den Richtern des Finanzgerichts seien die Teilnehmer bei Big Brother mit Schauspielern vergleichbar, die eine Gage erhielten. Sie billigten daher die Versteuerung des Preisgeldes nach § 22 Nr. 3 EStG. Schade, dass der Kläger die Hälfte des Preisgeldes bereits ausgegeben hatte. Aber das war nicht schlimm, denn das waren ja die Steuern, die schon weg waren. Den Rest, glaubte er, könne er behalten.   

Ich bin da hin-und hergerissen und tue ich mich schwer, die Teilnehmer bei Big Brother als Schauspieler zu bezeichnen. Aber andererseits gibt es so viele „Blitzbirnen“, die auch keine Leistung bringen, wie man sie landläufig versteht, die aber denoch eine Vergütung erhalten. Also warum nicht. Im Übrigen: wenn nur intelligente und künstlerisch wertvolle Aktivitäten besteurt werden dürften, dann hätten wir bald rapide sindkende Steuereinnahmen. 

Aber wo hört die (zu versteuernde) Leistung auf und wo fängt Lotto an ? sind denn nicht  auch 6 richtige mit Zusatzzahl eine Gegenleistung für eine Leistung (das Ausfüllen des Lottoscheins ?). In einer Gesellschaft, die von Leistung nicht viel hält, in der dafür umso mehr der Neid verbreitet ist, eine spannende Frage.

speak you english ? foreign law nix immer gut – zugleich ein Abgesang auf die Ltd. in Deutschland und ein Warnhinweis für vollmachtlos klagende Anwälte und Steuerberater

Freitag, 10. Juni 2011
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Die Rechtsform der englischen Ltd wurde lange Zeit als die Alternative zur deutschen GmbH gefeiert. Jetzt ist es still geworden und man könnte bei Betrachtung der Entscheidung des FG Münster vom 11. Mai 2011 (9 V 3872/10 K) auch sagen; „die Revolution frisst ihre Kinder“ oder: „die Geister, die ich rief …“

Es mag zwar einfach sein, im Ausland eine Gesellschaft zu gründen, man muss aber auch verstehen, wie sie funktioniert. In dem vom FG entschiedenen Verfahren war es so, dass die Ltd. aufgelöst war und jetzt vor dem Problem stand, sich im Klageverfahren und im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gegen belastende Steuerbescheide der Finanzverwaltung wehrte. Die Bevollmächtigten legten auch eine Vollmacht der Ltd. vor, das FG entschied aber, dass die Vollmacht nicht wirksam von der Ltd. erteilt worden sei; denn der sie ausstellende driector war nach dem englischen Handelsregister nicht mehr zur Vertretung der Ltd. befugt.

Ergebnis I: der Antrag ist unzulässig mangels Vollmacht;
Ergebnis II: die Kosten des Verfahrens wurden dem director als „Veranlasser“ des Verfahrens auferlegt. 
Dieses Schicksal hätte im Verfahren auch die Bevollmächtigten treffen können. Das FG sah sie aber als gutgläubig an.

Die Lehre aus dem Verfahren: Achtung bei ausländischem Recht und Vorsicht bei Vollmachten; wer als Bevollmächtigter die Vertretungsbefugnis nicht prüft, läuft Gefahr, die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen.