Jäger werden zu Gejagten – Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder – zugleich ein Beitrag über rechtliche Maßstäbe in Rechtsstaaten

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Unlängst sorgte die kleine Schweiz mit Haftbefehlen gegen deutsche Steuerfahnder nicht nur für Publizität, sondern für Aufruhr bei deutschen Politikern. Zugegeben, das Frauenwahlrecht in der Schweiz gibt es erst seit 1971, also noch nicht besonders lang. Niemand aber wird Herrn Schäuble widersprechen wollen, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist, bei genauer Betrachtung angesichts der starken Stellung des einzelnen Bürgers sogar ein sehr volksnaher. Bürger werden viel intensiver an lokalen Entscheidungen beteilgt als wir das in Deutschland kennen. Wenn in einem Kanton eine neue Straße gebaut wird, wissen die Bürger, dass sie es sind, die diese Straße zahlen müssen. In Deutschland dagegen ist „der Staat“ offenbar ein reicher Onkel, der alles zahlen soll, und mit dem man, weil er ein Dritter ist, nichts zu tun hat.

Das führt in der Schweiz zu häufig in Deutschland mit (politisch korrektem) Kopfschütteln quittierten Volksentscheiden wie dem Verbot, Moscheen zu bauen. Man mag über solche Entscheidungen denken, wie man will, die Entscheidung bildet das ab, was gedacht wird. Und: die Entscheidung wird respektiert.

Bei moderaten Steuersätzen in der Schweiz ist Steuerhinterziehung  dort (genauer: Steuerbetrug) ein bei weitem nicht so großes Thema wie in Deutschland. Deutsche Steuerfahnder sind nicht gerade für besonders feinfühliges Verhalten bekannt; sie sind ja die Guten, die die Bösen verfolgen. Angesichts der BGH-Rechtsprechung werden immer häufiger bei Verdacht der Steuerhinterziehung Haftbefehle ausgestellt und vollzogen. Da wird es die Jäger doch wundern, wenn es auf einmal gegen sie geht und sie zu Gejagten werden.

Schiebt man einmal die Aufregung der Politiker beseite, lohnt eine Betrachtung der jeweiligen Maßstäbe in den Staaten Schweiz und Deutschland. Es gab schon einmal eine (unheilvolle) Zeit in Deutschland, in der man versucht hat, der ganzen Welt die deutschen Maßstäbe aufzuzwingen. Das Ergebnis ist hinreichend bekannt.

In der Schweiz gelten bei vielen Ähnlichkeiten zum deutschen Rechtssystem in Teilen andere rechtliche Maßstäbe als in Deutschland. Diese Maßstäbe sind aber Teil des rechtsstaatlichen Schweizer Rechtssystems. Genauso wie Deutschland das Recht und die Pflicht hat, Straftäter zu verfolgen, genauso hat die Schweiz das Recht, nach ihrem Recht Straftaten zu verfolgen. Steuerfahnder bilden da keine Ausnahme. Sie stehen, auch wenn man manchmal einen anderen Eindruck haben könnte, nicht außerhalb des Rechtssystems, sondern sind nur ein Teil dessen. Die Haftbefehle können daher nicht verwundern. Sie sind die selbstverständliche Konsequenz des Rechtssystems der Schweiz. Das werden die deutschen Behörden bei der Entscheidung über den Ankauf der CDs auch geprüft und gesehen haben,

Daran ändert auch das durchsichtige Gepolter deutscher Politiker nichts. Denen sei empfohlen, sich mit den Tatsachen zu befassen, anstatt sofort mit dem Ziel des Stimmenfangs loszutröten. Gerade in Deutschland bilden sich die Poltitker viel auf den Schutz von Minderheiten ein. Ob diese Poltiker sich schon einmal Gedanken darüber gemacht haben, wie eine solche Tirade gegen einen „kleineren“ Nachbarn von diesem aufgenommen wird, wird man bezweifeln. Dort kommt es wie der Auftritt eines Elefanten im Porzellanladen an.

Fazit: Rechtsstaatliches Verhalten wird – natürlich – nicht nur an den Maßstäben des eigenen Landes gemessen. Die Aufregung der Politiker ist daher fehl am Platz. Eine sachliche Betrachtung und Lösung des Themas ist die bessere Wahl.

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