Archiv für die Kategorie 'Was uns an der Finanzgerichtsbarkeit wundert'

FG Münster entscheidet am 18.01.2023 (und damit nach 21 Jahren) über eine Frage aus dem Jahr 2002 (13 K 150/19 AO)

Dienstag, 28. Februar 2023
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91010_WS schwarz weiß Am 18. Januar 2023 (und damit 21 Jahre nach dem Streitjahr) entschied das Finanzgericht Münster zu Az. 13 K 150/19 AO in einer Steuersache des Jahres 2002  unseres Geschäftsführers, Herrn Professor Dr. Wolfgang Sturm („Kläger“). Worum ging es? Ein Finanzamt im Süden Deutschlands hatte den Kläger als Gesellschafter einer GbR behandelt, an der er nie beteiligt war. Eigentlich das dem Finanzamt im Süden schon auffallen müssen. Denn es gab nichts, woraus das Finanzamt hätte ersehen können, dass der Kläger Gesellschafter dieser GbR geworden wäre. Der Kläger wunderte sich über die Höhe der ihm zugerechneten Einkünfte und legte gegen den ihm bekannt gegebenen Feststellungsbescheid (das war nicht der Feststellungsbescheid, aus dem die Einkünfte der GbR, an der er beteiligt war, stammten) Einspruch ein. Nach Jahren oder besser gesagt Jahrzehnten korrigierte das Finanzamt im Süden Deutschlands den Fehler. In diesem Zusammenhang fiel dem Finanzamt  auf, dass in dem Feststellungsbescheid, der dem Klägern bekannt gegeben worden war, auch Steueranrechnungsbeträge enthalten waren. In einer separaten Mitteilung an das für den Kläger zuständige Finanzamt Detmold teilte das Finanzamt aus dem Süden aber mit, dass eine Änderung wegen der Anrechnungsbeträge nicht mehr in Betracht käme. Das interessierte aber das für die Einkommensteuer des Klägers zuständige Finanzamt Detmold nicht. Das Finanzamt Detmold forderte von dem Kläger die Steueranrechnungsbeträge zurück. Das Finanzamt Detmold, dem auch hätte auffallen müssen, dass nicht nur die Einkünfte, sondern auch die Steueranrechnungsbeträge nicht mehr angerechnet werden dürfen, schlief auch grandios über alle diese Tatsache hinweg. Dafür behauptete es frech, all dies hätte dem Kläger, dem der relevante Feststellungsbescheid war gar nicht bekannt gegeben worden war, auffallen müssen. Um den Streit zwischen Kläger und Finanzamt zu entscheiden, erließ das Finanzamt Detmold einen Abrechnungsbescheid. Dagegen klagte der Kläger. Der Berichterstatter des Finanzgerichts Münster folgte der Auffassung des Klägers und legte seine Auffassung in einem Hinweisbeschluss dar. In der mündlichen Verhandlung dann sah die Welt aber ganz anders aus. Es ging hier um Fragen der Auslegung des Feststellungsbescheides und um andere Themen. Der Senat teilte mit, man könne die Entscheidung des Finanzamtes so oder so auslegen. Am Ende legte das Finanzgericht die Entscheidung des Finanzamtes im Sinne des Finanzamtes aus. In der Entscheidung vertrat das Finanzgericht die Auffassung, dass für die Wirksamkeit eines an mehrere Beteiligte gerichteten Feststellungsbescheides die Bekanntgabe an nur einen Adressaten erforderlich, aber auch ausreichend sei. Das ist in der Tat der Stand der Rechtsprechung des BFH. Aber auch schon aus dem Gesetz, § 183 Abs. 2 AO, ergibt sich, dass ein Feststellungsbescheid dann gesondert bekanntzugeben ist, wenn der Finanzbehörde bekannt ist, dass Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern bestehen. Auf dieses Thema ging das Finanzgericht in seiner Entscheidung schon gar nicht mehr ein.

Das Finanzgericht wies die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zu. Wir haben daher davon abgesehen, für die Geschäftsführer in dieser Angelegenheit weiter tätig zu werden. Die Entscheidung des Finanzgerichts ist, auch wenn wir sie für falsch halten, jetzt rechtskräftig.

Quintessenz auch hier leider: Die Maßstäbe, die die Finanzverwaltung gerne an die Steuerpflichtigen angelegt und bei deren Verletzung Steuerpflichtige schnell kriminalisiert werden, gelten natürlich für die Finanzverwaltung nicht. Die Finanzverwaltung darf vielmehr Fehler ohne Ende machen, ohne die Konsequenzen dafür tragen zu müssen. Wer aber, ein Steuerpflichtiger macht etwas falsch. Dann droht sofort die Steuerfahndung. Auf dem Finanzgericht ersparen wir nicht den Hinweis, dass es sich die Sache nach unserer Auffassung einfach gemacht und nicht alle Facetten der Angelegenheit ausgeleuchtet hat. Schade.

BFH bleibt hart: Kosten für die Feststellungserklärung sind auch bei Gewinneinkünften steuerlich nicht abzugsfähig (Beschluss vom 28.05.2015, VIII B 40/14) – hat es sich der BFH da nicht etwas zu einfach gemacht?

Samstag, 19. September 2015
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91007 Linus fliege orange_1Nichtzulassungsbeschwerden („NZB„) sind kein einfaches Geschäft. Nach der Statistik des BFH für 2014 waren nur 17% dieser Verfahren für die Steuerpflichtigen erfolgreich. Da ist es umso ärgerlicher, wenn man als Beschwerdeführer den Eindruck hat, dass der BFH sich die Sache vielleicht etwas zu einfach gemacht hat, und dass die Beschwerde auch erfolgreich hätte sein können, wenn, ja wenn sich der BFH den guten Argumenten angeschlossen hätte. Das hat der BFH in der besprochenen Entscheidung leider nicht gemacht Er hat stattdessen seine bisherige Rechtsprechung, nach der Steuerberatungskosten für die Feststellungserklärung steuerlich nicht abzugsfähig sind, mit der Entscheidung vom 28.05.2015 bestätigt und damit faktisch zementiert. Im Streitfall hatte eine Personengesellschaft die Steuerberatungskosten für das Erstellen der Feststellungserklärung, in der die Gewinne einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis für zwei Ärzte enthalten waren, als Betriebsausgaben geltend gemacht. Das beklagte Finanzamt und das Finanzgericht lehnten den Abzug der Betriebsausgaben ab. Mit seiner Entscheidung vom 28.05.2015 bestätigte der BFH die Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht.

Im Kern führt der BFH aus, dass die Kosten für die Feststellungserklärung nicht betrieblich, sondern privat veranlasst seien. Der BFH wörtlich:

“Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften ist es, die der Einkommensbesteuerung dienenden Grundlagen, die mehrere Personen betreffen, gemeinsam und mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bindend festzustellen. Da die Einkommensteuer keine Betriebssteuer ist und daher die Abgabe der Einkommensteuererklärung auch nicht als betriebliche Verpflichtung angesehen werden kann, muss dies auch für die Verpflichtung zur Erstellung der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gelten. Deren Kosten sind daher –wie Steuerberatungskosten zur Erstellung der Einkommensteuererklärung (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBGebV)– nicht als Betriebsausgaben abzugsfähige Kosten für die Steuererklärung.“

Wir meinen, dass der BFH sich die Entscheidung damit etwas zu leicht gemacht hat. Methodisch betrachtet stützt der BFH seine Entscheidung auf einen Erst-Recht-Schluss. Sind schon die Kosten für die Einkommensteuererklärung, da pirvat, nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, dann muss dies erst recht für die Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gelten. Denn diese Grundlagen würden ja nur für die Einkommensteuer erfasst. Und damit liege die Veranlassung im privaten Bereich. Dieses Argument ist aber nur auf den ersten Blick bestechend. Bei näherer Betrachtung erweist es sich als falsch. Denn so könnte mit der gleichen Argumentation den Kosten für die Gewinnermittlung der Betriebsausgabencharakter versagt werden. Denn auch die Gewinnermittlung dient im Ergebnis nur dem Zweck, die der Einkommensbesteuerung dienenden Grundlagen zu ermitteln. Die Steuerpflichtigen haben sich das Feststellungsverfahren nach §§ 179 ff. AO auch nicht ausgesucht. Die Abgabenordnung zwingt sie dazu, ihre Einkünfte einheitlich und gesondert vom Finanzamt feststellen zu lassen. Zu diesem Zweck geben die Beteiligten eine von Gesetz vorgeschriebene Feststellungserklärung ab. In dieser Feststellungserklärung werden aber im Streitfall steuerliche Gewinne festgestellt. Es ist unstreitig, dass die Kosten, die für die Ermittlung der Gewinne anfallen, betrieblich veranlasst, und damit Betriebsausgaben sind. Nichts Anderes kann daher für die von der Finanzverwaltung für die Feststellung dieser Gewinne geforderten Feststellungserklärung folgen. Denn diese Kosten haben ihre Ursache in den erzielten Gewinneinkünften. Dass diese Einkünfte der – privaten – Einkommensteuer unterliegen, ist nicht die Veranlassung, sondern die Folge aus diesem Ergebnis. Wir meinen, dass der Bundesfinanzhof daher mit seiner Entscheidung nicht richtig liegt.

ws

 

Finanzgericht Köln vom 27.08.2014: Förster müsste man sein. Förster kann Dienstzimmer steuerlich unbeschränkt absetzen

Montag, 14. September 2015
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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookKurios, aber wahr. Die Forstbehörde legte einem Diplom-Forstwirt, der für den Landesbetrieb Wald und Holz NRW als Betreuungsförster einen Forstbezirk leitete, nahe, einen Dienstraum in seiner Wohnung einzurichten, der auch für den Vertreter des Forstwirts zugänglich sein müsse. Die Kosten für die Umsetzung übernahm die Forstbehörde. Außerdem erhielt der klagende Förster auch eine monatliche steuerfreie Entschädigung in Höhe von 81,81 €.
Das klingt soweit sehr gut, jedoch kamen noch weitere Kosten in Höhe von 3.417 € auf den Förster zu. Diese wollte er als Werbungskosten geltend machen. Das Finanzamt erkannte aber nur 1.250 € an. Begründung: für häusliche Arbeitszimmer gelte eine Abzugsbeschränkung.
Das sah das vom Förster angerufene FG Köln anders. In seiner Entscheidung 7 K 3561/10 vom 27.08.2014 kam es zu dem Ergebnis, dass das Dienstzimmer ein externes Büro sei und daher nicht den Beschränkungen für häusliche Arbeitszimmer unterliege. Es sei auch unerheblich, dass kein Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Forstbehörde geschlossen worden ist und der Forstwirt eine steuerfreie Nutzungsentschädigung erhalten hat. Grundlegend sei, dass das Interesse des Klägers, zur Erledigung von Büroarbeiten einen Raum in der eigenen Wohnung zur Verfügung zu haben, von den „Belangen der Behörde“ überlagert worden ist. Wenn das Dienstzimmer im Wohnhaus auf dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers beruht, können die dafür entstehenden Kosten in vollem Umfang von der Steuer abgesetzt werden. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie gerecht das Steuerrecht doch ist…….
ws

Sind (auch) Finanzgerichte weltfremd? BFH hält mündliche Verhandlung um 6:30 Uhr für zumutbar, auch wenn dies mit erheblicher Reisetätigkeit verbunden ist; praktisch: Einzelrichter entscheidet selbst über gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch

Samstag, 18. April 2015
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91010_WS schwarz weißWer schon einmal versucht hatte, bei einem Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung morgens um 06.30 Uhr zu erhalten, wird im besten Fall Gelächter geerntet haben. Der BFH und das FG in Leipzig dagegen halten einen Termin zu dieser Stunde für Rechtsanwälte für durchaus zumutbar. Ein Antrag auf Terminsverlegung komme nicht in Betracht.

In seinem Beschluss vom 10.3.2015 (V B 108/14) konnte der BFH in der m.E. doch krassen Ablehnung einer Terminsverlegung durch das Finanzgericht in Leipzig und den damit im Zusammenhang stehenden Äußerungen eines Einzelrichters („da lache ich aber“) keine Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters erkennen. Besonders praktisch dabei: Der Einzelrichter hatte über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch selbst als Richter in eigener Sache entschieden. Nach der auf der Internetseite des Bundesfinanzhofes veröffentlichten Entscheidung hatte der Prozessbevollmächtigte beantragt, einen Termin zu verlegen. Der Bevollmächtigte hatte dazu vorgebracht, am Vortag einen Termin beim Bundespatentgericht zu haben, und am Terminstag einen weiteren beim Amtsgericht in D, und zwar um 9:30 Uhr. Den nächsten Satz der Entscheidung muss man sich allerdings auf der Zunge zergehen lassen:

zur Vermeidung einer Terminkollision hat das FG die mündliche Verhandlung von 11:00 Uhr auf 7:00 Uhr vorverlegt, eine Fahrzeit nach D von 2 Stunden berücksichtigt und sich überdies bereit erklärt den Termin von 7:00 Uhr auf 6:30 Uhr vorzuverlegen. Gründe, die den Kläger und Beschwerdeführer in dieser Zeit an der Teilnahme hinderten, hat er weder vorgebracht noch glaubhaft gemacht. Bloße Unannehmlichkeiten, um den Termin pünktlich wahrnehmen zu können (wie beispielsweise eine frühe Anreise oder eine Hotelübernachtung), reichen dagegen für die Annahme eines erheblichen Grundes nicht aus.“

Erste Frage: warum konnte denn der Termin nicht einfach auf einen anderen Tag verlegt werden? FG – Verfahren sind nicht für besonders kurze Dauern bekannt. Da kann es also auf ein oder zwei Wochen ankommen. Diese gilt umso mehr, als das Gericht ja bereit war, auch schon um 06:30 mit den Verhandlungen zu beginnen. Vielleicht wäre es auch bereits, einen Termin um 22:30 zu ermöglichen?

Der Bevollmächtige telefonierte daraufhin mit dem Einzelrichter. In einem Telefonat habe der Einzelrichter eine telefonische Äußerung des Bevollmächtigten mit der Erwiderung quittiert: „da muss ich aber lachen“. Nach der veröffentlichten Entscheidung wies der Einzelrichter selbst den Befangenheitsantrag des Bevollmächtigten zurück.

Der BFH konnte darin keinen Verfahrensfehler erkennen. Er schloss sich der Entscheidung des Einzelrichters in Leipzig an und meinte, ein Termin um 7:00 Uhr, gegebenenfalls um 6:30 Uhr, sei durchaus zumutbar.

Wenn wir die Entscheidung richtig verstehen, mutet der BFH dem Bevollmächtigten folgendes zu: am Vortag des Termins hatte der Prozessbevollmächtigte einen Termin beim Bundespatentgericht, in München. Am Prozesstag sollte er zunächst um 07:00 Uhr oder um 06:30 Uhr in Leipzig zur mündlichen Fahndung erscheinen, um sodann nach 2 Stunden Fahrzeit nach D (wie Dessau?) zu gelangen. Das ist ersichtlich nach unserer Auffassung ein wenig weltfremd. Einfacher wäre es doch gewesen, einen anderen Tag zu finden, zumal bei der gezeigten richterlichen Flexibilität. Aber das wäre ja zu einfach gewesen. Oder ging es nur darum, Recht zu behalten? Ich hoffe nicht.

Interessant und zur „Nagelprobe“ wird die Sache, wenn man die Situation umkehrt. Wer es bis heute noch nicht versucht hat, kann ja mal bei einem Finanzgericht den Antrag stellen, dass er doch bitteschön um 6:30 Uhr oder um 22:30 Uhr verhandelt werden möge (das ist ja zumutbar). Ich werde das jetzt einmal bei nächster Gelegenheit machen. Ich möchte die Prognose wagen, dass dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle voraussichtlich abgelehnt werden wird. Das aber wäre möglicherweise eine wissenschaftliche Untersuchung wird.
ws