Die Eigentumsurkunde eines Pferdes – rechtliche Einordnung eines unter Reitern nicht selten überbewerteten Stück Papiers
Montag, 27. Mai 2019Pferde sind Lebewesen. Zivilrechtlich sind für sie dennoch die Vorschriften für Sachen entsprechend anzuwenden, wobei die Vorschriften des Tierschutzes zu beachten sind (§ 90a BGB). Für jedes Pferd gibt es einen sogenannten Equidenpass. Der Equidenpass ist ein Identitätsdokument für Pferde, das zur Umsetzung der EU-Verordnung 504/2008 eingeführt wurde. Der Equidenpass wird auf Antrag des Eigentümers durch die Zuchtorganisation, bei der das betroffene Pferd eingetragen ist, ausgestellt. Bei nicht eingetragenen Turnierpferden ist in Deutschland die Deutsche Reiterliche Vereinigung für die Ausstellung zuständig, für alle übrigen Pferde erfolgt dies durch die Organisationen, die von der Veterinärverwaltung des Bundeslandes damit beauftragt wurde.
Neben dem Equidenpass gibt es noch die sogenannte „Eigentumsurkunde“. Die Eigentumsurkunde wird von dem jeweiligen Zuchtverband ausgestellt. Angeblich soll es nur für rund die Hälfte der Pferde in Deutschland eine solche Eigentumsurkunde geben. Der Begriff “ Eigentumsurkunde“ legt vom Wortlaut her die Vermutung nahe, dass der Inhaber dieser Eigentumsurkunde auch der Eigentümer des Pferdes ist. Gerade aber das ist, wie sich schon aus dem Text der Eigentumsurkunde selbst ergibt, nicht der Fall. In den zugegebenermaßen recht klein links unten in der Eigentumsurkunde abgedruckten Erläuterungen heißt es wörtlich: „Die Eigentumsurkunde steht demjenigen zu, der auch Eigentümer des Pferdes i.s.d. BGB ist„. Das bedeutet: nicht der Inhaber der Eigentumsurkunde ist auch Eigentümer des Pferdes, sondern genau umgekehrt: Der Eigentümer des Pferdes hat das Recht darauf, die Eigentumsurkunde in Händen zu halten. Daraus folgt, dass wirksam Eigentum an einem Pferd übertragen werden kann, ohne dass dem neuen Eigentümer die Eigentumsurkunde übergeben wird.
Da die Eigentumsurkunde also für die Eigentumsverhältnisse an einem Pferd ohne rechtliche Relevanz ist, dürfte es auch keine besonders gute Idee sein, als Käufer zu versuchen, über §§ 433, 435, 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1 BGB von einem Kaufvertrag über ein Pferd mit der Begründung zurückzutreten, der Verkäufer habe dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgegeben. Denn wenn der Verkäufer dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgibt, dann begründet das keinen Sachmangel des Pferdes. Auch ein Rechtsmangel liegt nicht vor. Denn der Verkäufer ist ja nur verpflichtet, dem Käufer Besitz und Eigentum an dem Pferd zu verschaffen. Mit der Eigentumsurkunde kann der Verkäufer keine Rechte mehr an dem Pferd geltend machen, denn er ist ja nicht mehr der Eigentümer des Pferdes. Auch für den Fall, in dem sich der Verkäufer verpflichtet haben sollte, dem Käufer die Eigentumsurkunde zu übergeben, dürfte in der Weigerung des Verkäufers kein Rechtsmangel des Pferdes liegen. Vielmehr hat der Käufer gegen den Verkäufer einen Erfüllungsanspruch, gerichtet auf Herausgabe der Urkunde. Soweit sich die Urkunde nicht in den Händen des Verkäufers, sondern in den Händen eines Dritten befindet, kann der Käufer seinen Anspruch dadurch befriedigen, indem er sich den Anspruch des Verkäufers gegen den Dritten abtreten lässt.
Wollte man die Tatsache, dass der Verkäufer dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgibt, als Rechtsmangel ansehen, dann wäre m.E. jedenfalls der Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen, weil die Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Unerheblich wäre die Pflichtverletzung deshalb, weil der Käufer auch ohne die Eigentumsurkunde Eigentum an dem Pferd erworben hat, und weil dem Käufer ein Weiterverkauf des Pferdes auch ohne die Eigentumsurkunde möglich ist.
Geht eine Eigentumsurkunde verloren, kann gegen eine Gebühr von z.Zt. 200,00 EUR eine Zeitschrift ausgestellt werden.
ws