Von 12:49 Familienrecht

Beweislast bei illoyalen Vermögensminderungen im Fall der Scheidung – BGH stärkt Rechte der Betroffenen aus § 1375 Abs. 2 BGB

Mit Beschluss vom 13.11.2024 (Az. XII ZB 558/23, NJW 2025, 900 ff.) hat der Bundesgerichtshof die Weichen für die Beweislastverteilung bei illoyalen Vermögensminderungen im Zugewinnausgleichsverfahren neu justiert – mit spürbaren Konsequenzen für die anwaltliche Beratungspraxis und die Gestaltung von Eheverträgen.

Im Zentrum steht eine klare Aussage:

Wer zum Trennungszeitpunkt ein höheres Vermögen angegeben hat, als später zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags vorhanden ist, trägt die Beweislast dafür, dass diese Differenz nicht auf illoyalem Verhalten im Sinne von § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB beruht.

Was hat der BGH entschieden? – Die Kernaussagen

  • Die Beweislastumkehr in § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB greift nicht nur bei absichtlicher Verschleierung, sondern bereits dann, wenn ein Ehegatte zum Trennungszeitpunkt ein höheres Vermögen offenbart, als er später beim Zugewinnausgleich angibt.
  • Der BGH knüpft die Beweislastumkehr nicht an ein bestimmtes Verhalten, sondern an die Diskrepanz zwischen dem deklarierten Trennungsvermögen und dem tatsächlichen Endvermögen.
  • In solchen Fällen muss der betroffene Ehegatte substantiiert darlegen und beweisen, dass der Vermögensrückgang nicht illoyal war.

Was bedeutet das konkret für die anwaltliche Praxis?

1. Frühzeitige Sicherung von Vermögensnachweisen

Rechtsanwälte sollten Mandanten nach der Trennung unverzüglich zur Vermögensdokumentation anleiten:

  • Kontoauszüge, Depotauszüge, Sachwertnachweise, Kassenbestände etc.
  • Stichtagsbezogene Belege zum Trennungszeitpunkt und zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags

Das kann später entscheidend sein, um eine spätere Beweislastumkehr abzuwehren – oder gezielt geltend zu machen.

2. Taktisches Instrument im Zugewinnausgleich

  • Wer als ausgleichsberechtigter Ehegatte eine Lücke zwischen Trennungsvermögen und Endvermögen feststellt, kann sich auf die Beweislastregel stützen.
  • Damit kann ggf. auch eine „verdeckte Schenkung“, Vermögensverschiebung oder Zweckentfremdung erfasst werden, z. B. durch überhöhte Ausgaben, Verkauf unter Wert, Übertragungen an Dritte etc.

3. Prävention von „Fehlangaben aus Versehen“

  • Häufig unterschätzt: Auch versehentliche oder schlecht dokumentierte Vermögensverluste können zu Problemen führen.
  • Daher gilt: Wer Vermögen abbaut (z. B. zur Schuldentilgung, Investition, Unterhalt), sollte das zweifelsfrei belegen können, um nicht nachträglich in Erklärungsnot zu geraten.

Was bedeutet das für die notarielle Praxis bei Eheverträgen?

1. Präzisere Regelungen zu Auskunftszeitpunkten und Stichtagen

Notare sollten Eheverträge künftig:

  • klar strukturieren, welche Auskünfte bei Trennung bzw. Scheidung zu erteilen sind,
  • Stichtagsregelungen konkretisieren (z. B. „maßgeblich ist das am Tag der Trennung bestehende Vermögen, nachgewiesen durch Kontoauszüge etc.“).

Vereinbarungen zur Darlegungs- und Beweislast

Zulässig (und empfehlenswert) sind vertragliche Abweichungen von der gesetzlichen Beweislastverteilung – etwa:

  • „Der ausgleichspflichtige Ehegatte muss den Nachweis führen, dass Vermögensminderungen nicht auf illoyales Verhalten zurückzuführen sind.“
  • Oder umgekehrt: „Beide Ehegatten verzichten auf die Geltendmachung illoyaler Vermögensminderungen vor dem Stichtag X.“

Solche Klauseln sollten klar und eindeutig formuliert sein, um Streitpotential zu vermeiden.

Aber: die Mandanten müssen darüber einig sein. Und das wird nicht immer so sein.

3. Vermeidung späterer Auslegungskonflikte

  • Gerade bei größeren Vermögen empfiehlt sich eine dokumentierte Vermögensaufstellung im Ehevertrag, die von beiden Seiten unterschrieben wird.
  • So können spätere Differenzen frühzeitig eingegrenzt werden.

Fazit

Der BGH-Beschluss XII ZB 558/23 zeigt erneut: Der Zugewinnausgleich ist kein stumpfes Rechentool, sondern ein komplexes und auch beweisrechtliches Spielfeld – und die Spielregeln werden zunehmend differenziert.

Für Anwälte gilt: Frühzeitig dokumentieren, strategisch denken.
Für Notare gilt: Gestaltungssicherheit bieten, Klarheit schaffen.

Wer nicht dokumentiert, riskiert in Zukunft, dass ihm illoyale Vermögensverluste zum Verhängnis werden.

Last modified: 9. April 2025

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