BFH zur Werterhöhung von GmbH-Anteilen – Urteil vom 10.04.2024 (II R 22/21)
Guter Rat ist teuer, aber schlechter Rat kann noch viel teurer sein.
Wer im Steuerrecht nach zivilrechtlicher Logik sucht, wird nicht immer fündig. Das zeigt einmal mehr das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. April 2024 (Az. II R 22/21). Im Zentrum steht § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – eine Vorschrift, die eine Schenkung fingiert, die zivilrechtlich nicht vorliegt. Entscheidend ist nicht der Wille, sondern die Wirkung: Wenn die Vermögensposition eines Dritten verbessert wird, kann Schenkungsteuer entstehen – auch ohne Zuwendung im klassischen Sinn.
Worum ging es konkret?
Miterben verkauften einen durch Erbanfall erworbenen Anteilen mit Kaufvertrag vom 10.10.2013 an der T GmbH an eben diese T GmbH zum Kaufpreis von 300.000 €. Der Bestimmung des Kaufpreises lagen zwei Unternehmensbewertungen zum 31. zwölften 2009 zugrunde. Auf dieser Basis hatten sich die Miterben auf einen Unternehmenswert der T-GmbH von 1.000.000,00 € geeinigt.
Mit Feststellungsbescheid vom 27.04.2017 stellte das Finanzamt den Wert des am 10.10.2013 verkauften Geschäftsanteils auf 1.818.176,00 € fest.
In Höhe der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem Kaufpreis ging das Finanzamt von Schenkungen im Sinne von § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG aus und setzte mit Bescheiden Schenkungsteuer fest.
Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.
Vor dem Bundesfinanzhof rügte der Kläger die Verletzung des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG. Nach Auffassung des Klägers fehlte es an einer Leistung im Sinne des Gesetzes. Der Begriff der Leistung können nur solche Handlungen erfassen, die das Vermögen der T-GmbH als Empfängerin mehren könnten. Durch den Erwerb eigener Anteile erhöhe sich aber nicht der Wert des Gesellschaftsvermögens.
Dieser Rechtsauffassung erteilte der BFH eine Absage. Das Finanzgericht habe zu Recht die Anteilsabtretung an die T-GmbH als Leistung im Sinne von § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG eingeordnet.
Zudem stellt der BFH klar, dass eine Werterhöhung nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nicht nach den §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt ist. Denn hier sei Zuwendungsgegenstand allein die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Diese Werterhöhung zähle aber nicht zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG. Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift lägen nicht vor.
All das zeigt: Auch eine mittelbare Vermögensmehrung – wie hier durch Verkauf einer Beteiligung unter Wert – kann als Schenkung gelten, wenn sie den Wert fremder Anteile erhöht. Maßgeblich ist allein, dass ein unentgeltlicher Vorteil zugewendet wird – nicht an wen, sondern für wen. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Schenkung vorliegt.
§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG: Die juristisch elegante Fiktion
Die Vorschrift lautet:
„Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.“
Was harmlos klingt, ist in der Praxis weitreichend. Der Gesetzgeber hat sich bewusst vom klassischen zivilrechtlichen Schenkungsbegriff gelöst. Es geht nicht mehr um Absichten oder persönliche Nähe, sondern um wirtschaftliche Realität. Wer durch sein Tun den Wert fremder Vermögenspositionen erhöht, kann – so der BFH – Schenkungsteuer auslösen.
Praxisrelevanz: besonders bei Kapitalgesellschaften und Startups
Gerade bei Kapitalgesellschaften mit mehreren Gesellschaftern – und insbesondere bei Startups in der Frühphase – ist das Urteil von erheblicher Bedeutung. Denn es kommt nicht selten vor, dass einzelne Gesellschafter zur Stabilisierung der Gesellschaft freiwillige Leistungen erbringen: zinslose Darlehen, stille Einlagen oder direkte Geldzuflüsse ohne gesellschaftsvertragliche Verpflichtung.
Problematisch wird es dann, wenn andere Gesellschafter dadurch wertmäßig profitieren, ohne dass eine Gegenleistung erfolgt. Typische Konstellationen:
- Ein Gesellschafter bringt Zusatzkapital in die GmbH ein, ohne dass sich die Beteiligungsverhältnisse ändern.
- Eine nahestehende Person erbringt eine Fremdleistung an die GmbH (z. B. Marketing, Entwicklung), ohne Entgelt.
- Der Gesellschafter verzichtet endgültig auf eine Forderung gegenüber der Gesellschaft – und stärkt damit den Unternehmenswert zulasten seines Vermögens.
In all diesen Fällen kann das Finanzamt – gestützt auf § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG – eine steuerpflichtige Schenkung an die Mitgesellschafter annehmen.
Beratungshinweis: Augenmaß bei „freundlichen Leistungen“
Die Entscheidung des BFH ist kein Ausreißer, sondern Ausdruck einer konsequent wirtschaftsbezogenen Auslegung. Sie zeigt deutlich:
Nicht jede Förderung der Gesellschaft bleibt steuerneutral. Wer Kapital zuschießt, Rechte aufgibt oder auf Entgelte verzichtet, sollte prüfen (lassen), ob – und gegenüber wem – dadurch ein steuerlich relevanter Vorteil entsteht.
Insbesondere in Startups, wo der Umgang mit Liquidität oft pragmatisch und kooperativ erfolgt, sollte das Thema Schenkungsteuer frühzeitig mitgedacht werden. Denn der gute Wille eines Gesellschafters kann – unbeabsichtigt – zur Steuerfalle für andere werden.
Fazit: Schenkungsteuer ohne Schenkung – aber mit Wirkung
Das Urteil des BFH macht deutlich, dass die Schenkungsteuer auch in vermeintlich „gestaltungsfreien“ Bereichen greift – etwa bei gesellschaftsbezogenen Leistungen, die mittelbar Dritten zugutekommen. Die Abkehr vom zivilrechtlichen Schenkungsbegriff ist gewollt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG schafft einen eigenständigen steuerlichen Tatbestand.
Für Berater bedeutet das:
Gesellschaftsrechtliche Vorgänge sollten immer auch schenkungsteuerlich durchleuchtet werden – gerade dort, wo freiwillige oder unentgeltliche Leistungen im Raum stehen.
Denn im Zweifel fragt das Finanzamt nicht: „Wollten Sie schenken?“
sondern: „Wer wurde reicher – und wieviel?“
Last modified: 14. Mai 2025