Von 13:17 Die Richterschaft, Philosophisches Nachdenkliches

Vergleichsdruck von Gerichten: ein Weckruf aus Karlsruhe – BVerfG, Beschluss vom 3. März 2025 – 1 BvR 750/23 und 1 BvR 763/23

Eigentlich ist es traurig, dass es in dieser Sache einer Entscheidung des BVerfG bedurfte.

Einleitung

In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, dass übermäßiger Druck seitens der Gerichte auf Parteien, einen Vergleich zu schließen, die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Diese Entscheidung reflektiert eine in der Praxis zunehmend beobachtete Tendenz: Gerichte drängen Parteien verstärkt zu Vergleichen, oft unter dem Deckmantel der Verfahrensökonomie. Aus unserer praktischen Erfahrung wissen wir, dass diesem Druck nur durch Standhaftigkeit und konsequentes Agieren begegnet werden kann.

Der Fall vor dem BVerfG

Im Zentrum der Entscheidung stand ein seit 2015 (!) anhängiges Zivilverfahren vor dem Landgericht München I. Die Vorsitzende Richterin hatte mehrfach betont, dass die Kammer aufgrund von Überlastung nicht in der Lage sei, einen Beweisbeschluss zu erlassen, und drängte stattdessen auf eine vergleichsweise Einigung. Die Klägerin lehnte dies ab und beantragte die Ablehnung der Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit.

Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt und stellte fest, dass das Verhalten der Richterin das Recht der Klägerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt habe.

Unsere Beobachtungen aus der Praxis

Diese Entscheidung des BVerfG bestätigt eine Entwicklung, die wir in unserer täglichen Arbeit beobachten: Gerichte neigen zunehmend dazu, Parteien zu Vergleichen zu drängen, oft unter Verweis auf die Überlastung der Justiz oder die Kosten eines streitigen Verfahrens. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass eine vergleichsweise Einigung der einzig gangbare Weg sei, um eine zügige Entscheidung zu erreichen.

Diese Praxis kann jedoch das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Gerichte untergraben und den Eindruck erwecken, dass die Gerichte nicht mehr neutral zwischen den Parteien stehen, sondern ein eigenes Interesse an der Verfahrensbeendigung haben. Zudem haben wir immer wieder den Eindruck, dass Gerichte nicht selten versuchen, komplexe Themen In unzulässiger Weise zu vereinfachen und auf dieser Basis, zur Überraschung / zum Entsetzen der Prozessbeteiligten abenteuerlicher Auffassungen vertreten.

Hinzu kommt, dass jedenfalls wir, bevor wir einen Rechtsstreit beginnen, außergerichtlich alle Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung bereits abgeklopft haben. Warum Gerichte häufig meinen, es besser als die Beteiligten zu wissen, erschließt sich jedenfalls dann nicht, wenn alle Parteien sehr gut vertreten sind.

Konsequenzen für die Prozessführung

Die Entscheidung des BVerfG ist ein deutliches Signal an die Gerichte, ihre Rolle als neutrale Instanz zu wahren und den Parteien die Freiheit zu lassen, über den Abschluss eines Vergleichs selbst zu entscheiden. Für Prozessparteien bedeutet dies:

  • Standhaftigkeit bewahren: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, einen Vergleich zu schließen, wenn dieser nicht in Ihrem Interesse liegt.
  • Konsequentes Agieren: Dokumentieren Sie alle Hinweise und Äußerungen des Gerichts, die als Druck empfunden werden könnten, und ziehen Sie gegebenenfalls rechtliche Schritte in Betracht.
  • Rechtsmittel prüfen: Bei Anzeichen von Befangenheit sollte ein entsprechender Antrag gestellt werden, um das Recht auf den gesetzlichen Richter zu wahren.

Fazit

Die Entscheidung des BVerfG stärkt die Rechte der Prozessparteien und mahnt die Gerichte zur Zurückhaltung bei der Vergleichsvermittlung. Sie unterstreicht die Bedeutung der richterlichen Neutralität und erinnert daran, dass der Weg zur Gerechtigkeit nicht durch Abkürzungen, sondern durch faire und unparteiische Verfahren führt.

Last modified: 15. Mai 2025

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