Wir setzen die Reihe „Pleiten, Pech und Pannen“ mit hanebüchenen Beispielen aus der wundersamen Welt der Finanzverwaltung fort, heute in der unrühmlichen Hauptrolle das Finanzamt Q. aus Niedersachsen.
Was war passiert? Gegenstand der Betrachtung ist eine GmbH & Co. KG, wir nennen Sie „KG“, die 2017 in Insolvenz geriet, und ihr Hauptgesellschafter, nennen wir Ihnen Herrn S.
Für die Jahre 2013 bis 2016 fand eine Außenprüfung bei der KG statt. Für das Jahr 2017 fand eine weitere Außenprüfung statt, weil Veräußerungsgewinne zu prüfen waren. Denn die Gesellschafter der KG, so auch Herr S., hatten im Jahr 2017 ihre Beteiligung an der KG verkauft. Die Außenprüfungen für die Jahre 2013-2016 einerseits und für 2017 andererseits fanden während der Insolvenz der KG statt.
Die Kommunikation der Betriebsprüfung erfolgte mit dem Insolvenzverwalter.
Herr S. erfuhr von den Ergebnissen der Außenprüfung für die Jahre 2013-2016 erst durch geänderte Einkommensteuerbescheide als Folgebescheide der KG. Er stellte fest, dass die Finanzverwaltung für ihn deutlich geringere ausgleichsfähige Verluste aus der KG angesetzt hatte als steuerlich erklärt.
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Einkünfte und der verrechenbaren Verluste nach § 15 EStG nach der Betriebsprüfung für die Jahre 2013-2016 gab das Finanzamt Q nicht den Gesellschaftern der KG, sondern dem Insolvenzverwalter bekannt. Herr S. erfuhr davon erst ein Jahr später. Sein Steuerberater ließ sich die Feststellungsbescheide für die Jahre 2013-2016 zusenden und legte dagegen Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung („AdV“).
Der Steuerberater forderte die Finanzverwaltung auf, die Feststellungsbescheide für die KG zu erläutern. Denn die in den Bescheiden angegebenen Besteuerungsgrundlagen könnten aus dem Bericht über die Außenprüfung nicht nachvollzogen werden. Es entwickelte sich über einen längeren Zeitraum von über sechs Monaten ein Schriftwechsel zwischen dem Steuerberater und dem Finanzamt Q. Das Finanzamt verwies, vereinfacht gesagt, darauf, dass die Feststellungsbescheide zutreffend seien. Die von dem Steuerberater des Herrn S. erbetene Erläuterung gab es nicht. AdV gewährte das Finanzamt Q. auch nicht.
Im Mai 2025 erließ das Finanzamt Q. eine Einspruchsentscheidung. Es teilte Herrn S. mit, dass sein Einspruch unzulässig sei. An mehreren Stellen der Einspruchsentscheidung verwies das Finanzamt Q. darauf, dass Herr S. Dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG eine Empfangsvollmacht erteilt habe.
Nach Erhalt der Einspruchsentscheidung wurden wir beauftragt, die Sache zu bearbeiten. Wir haben bei dem Finanzamt Q. angerufen und gebeten, uns die Empfangsvollmacht zur Verfügung zu stellen.
Zu unserer großen Verwunderung teilte uns der Bearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle mit, er müsse die Empfangsvollmacht erst heraussuchen. Das sei angesichts des Umfangs der Akten nicht einfach. Auf die Frage, ob er die Empfangsvollmacht denn nicht gesehen habe, als er die Einspruchsentscheidung erließ und das Vorliegen einer solchen Vollmacht an mehreren Stellen ausdrücklich behauptete, erhielten wir die frappierende Antwort, dass der Bearbeiter die Empfangsvollmacht nicht gesehen habe. Er habe nur gesehen, dass in der Akte vermerkt sei, dass eine Empfangsvollmacht des Herr S. für den Insolvenzverwalter bestehe.
Wegen des nahenden Fristablaufs, Klage zu erheben, haben wir den Bearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle höflich gebeten, uns die Empfangsvollmacht möglichst kurzfristig zuzuschicken. Das versprach er. Da wir die Empfangsvollmacht nicht kurzfristig erhalten haben, haben wir bei dem Finanzamt nachgefragt.
Dort räumte man ein, dass es eine Empfangsvollmacht gar nicht gebe. Die zuständige Bearbeiterin, die sehr freundlich war, teilte mit, dass Sie den Fehler gefunden habe. Der Steuerpflichtige, Herr S., und sein Steuerberater hätten recht. Ursache sei ein Fehler im Programm der falsche Daten im Zusammenhang mit den Feststellungen nach § 15a EStG geliefert habe. Die Änderungsbescheide nach der Außenprüfung hätten so nicht erlassen werden dürfen. Die Bearbeiterin sagte zu, die Änderungsbescheide aufzuheben und so wieder den Zustand vor Außenprüfung herzustellen.
Wir haben in der Zwischenzeit rein vorsorglich, um für den Mandanten keine Rechtsnachteile zu riskieren, Klage erhoben.
Dieses Beispiel zeigt, dass Steuerpflichtige sich von Finanzbehörden nicht abspeisen lassen sollten. Auch in den hier geschilderten Sachverhalt haben die Finanzbehörden praktisch bis zum Schluss behauptet, dass die nach der Außenprüfung geänderten Feststellungsbescheide inhaltlich in Ordnung sein. Es ist dem Fleiß einer Finanzbeamtin zu verdanken, dass der Fehler relativ schnell gefunden werden konnte.
Bedenklich aber ist die Tatsache, wie vehement die Finanzbehörde Q. sich zuvor gesträubt und geweigert hat, die von ihr erlassenen Feststellungsbescheide inhaltlich auf Richtigkeit zu prüfen. Allein das ist hanebüchen. Noch bedenklicher dagegen ist die Tatsache, dass die Finanzbehörde Q. in der Einspruchsentscheidung mehrfach behauptet, Herr S. habe dem Insolvenzverwalter eine Vollmacht erteilt, obwohl dies nicht zutraf. Das den Finanzbehörden der Inhalt der Akte bekannt ist.
Auch hier ist die Sache noch nicht zu Ende. Es stehen noch die Änderungsbescheide aus.
Last modified: 28. Juni 2025