Am 6. Juni 2025 hat der Bundesfinanzhof im Verfahren II B 43/24 (AdV) die Aussetzung der Vollziehung eines Schenkungsteuerbescheids angeordnet. Inhaltlich wurde zwar nicht abschließend entschieden, doch der Beschluss gewährt bedeutende Hinweise zur Steuerbehandlung disquotaler Einlagen in Kapitalrücklagen.
Der Sachverhalt:
Eine GmbH-Gesellschaftsbeteiligung lag bei A (50 %), B (30 %) und C (20 %). Mehrere Gesellschafter – vorwiegend A – leisteten über ihre Beteiligungsquote hinaus Zahlungen in die Kapitalrücklage der GmbH. Diese Einlagen wurden als personenbezogene Kapitalrücklage nur dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet – insbesondere im Liquidationsfall. Zudem erhielten sie abweichende Gewinnrechte oder eine Liquidationspräferenz. Das Finanzamt sah darin eine steuerbare Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter gem. § 7 Abs. 8 ErbStG und setzte Schenkungsteuer fest. A wehrte sich, beantragte Zuschuss der Vollziehung und klagte.
Die Entscheidung des BFH:
Auch bei summarischer Prüfung sieht der BFH ernsthafte Zweifel daran, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG im konkreten Fall greift:
Eine disquotale Einlage führt nicht zwangsläufig zu einer Werterhöhung der Mitgesellschafter, wenn
- die Einlage gesondert und personenbezogen in die Kapitalrücklage eingestellt wird, und
- zudem eine Zusatzvereinbarung existiert, die dem einlegenden Gesellschafter eine Liquidationspräferenz oder besondere Gewinne sichert.
In diesem Fall war die Kapitalrücklage bilanztechnisch einzelnen Gesellschaftern direkt zugeordnet, und rechtlich wurden Zusatzvereinbarungen getroffen, die sicherstellten, dass nur A von seinen Einzahlungsvorteilen profitiert – nicht die anderen Gesellschafter. Daher besteht kein steuerpflichtiger Wertzuwachs für diese.
Steuerliche Bedeutung & Auswirkungen
Aspekt | BFH-Entscheidung |
Schenkungsdrittwirkung | Disquotale Einlagen lösen nicht automatisch eine Werterhöhung i.S.v. § 7 Abs. 8 ErbStG aus. |
Zusatzvereinbarungen | Wenn leistungsbezogene Zusatzrechte bestehen (z. B. Liquidations- oder Gewinnpräferenz), ist eine steuerliche Werterhöhung ausgeschlossen. |
Kapitalrücklage-Zurechnung | Individuelle und nachvollziehbare Zurechnung der Rücklage erhöht Rechtssicherheit. |
AdV-Verfahren | Auch im Verfahren zur Aussetzung d. Vollziehung reicht ein ernsthafter Zweifel an der Steuerpflicht zu Gunsten des Steuerpflichtigen. |
Praxistipp für strukturierte Gesellschaften mit VC‑ oder Gründerbeteiligungen
- Vertragliche Absicherung
Vereinbaren Sie bereits bei Investoren- oder Gründerbeteiligungen, dass Einlagen personengebunden bleiben – etwa durch Liquidationspräferenzen oder Gewinnzuteilungszuschläge. - Bilanzielle Dokumentation
Sorgen Sie für klare Zuordnung im Jahresabschluss: die Einlagen müssen individuell ausweisbar und der jeweiligen Person rechtlich zuordenbar sein. - Steuerliche Planungssicherheit
Unternehmen und Gesellschafter sollten schriftlich dokumentierte Zusatzabreden treffen – idealerweise mit notarieller Begründung –, um spätere Streitfälle zu vermeiden. - AdV als Frühwarnsystem
Der BFH-Beschluss zeigt: Im AdV kann allein der Verdacht steuerlicher Unrechtmäßigkeit reichen – auch wenn im Hauptsacheverfahren noch viel zu prüfen ist.
Fazit:
Mit dem Beschluss vom 6. Juni 2025 (II B 43/24) trägt der BFH entscheidend zur Rechtssicherheit disquotaler Einlagen in Kapitalrücklagen bei. Solche Einlagen führen nicht automatisch zu steuerpflichtigen Werterhöhungen bei Mitgesellschaftern – insbesondere wenn Zusatzvereinbarungen bestehen, die dem einlegenden Gesellschafter zusätzliche Rechte gewähren. Dies ist gerade im Umfeld von VC‑Finanzierungen und Gründerstrukturen ein praxisrelevanter und zukunftssicherer Leitsatz.
“Pacta sunt servanda – und bilanzielle Transparenz schützt vor steuerlicher Ungewissheit.”
Last modified: 28. Juli 2025