Von 15:27 Steuerrecht

BFH – Urteil vom 17.09.2025 (VIII R 30/23): Zinsprolongation vor Fälligkeit verhindert Zufluss der Zinsen

Der BFH hat am 17.09.2025 eine Frage entschieden, die für viele Darlehensverträge relevant ist: führt die Vereinbarung einer Prolongation (Verschiebung der Fälligkeit) bei Darlehenszinsen bereits im Zeitpunkt der Prolongation zum steuerlichen Zufluss, wenn der Gläubiger ein beherrschender Gesellschafter ist? Antwort des BFH: Nein, wenn die Prolongation vor Eintritt der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit geschlossen wird.

1. Sachverhalt

Ein zu 80 % beteiligter Gesellschafter hatte seiner (spanischen) Kapitalgesellschaft 2007 ein Darlehen gewährt. Die Zinsen sollten endfällig mit Fälligkeit des Darlehens zahlbar sein. 2011 kam es zu einem Debt-Equity-Swap: Die Darlehensrückzahlungsforderung wurde in Eigenkapital umgewandelt; die Zinsverbindlichkeit blieb bilanziell bestehen.

Kurz vor Jahresende 2017 vereinbarten Gesellschafter und Gesellschaft, die Fälligkeit „um 5 Jahre“ zu verschieben – bis 31.12.2022; gleiches sollte für die aufgelaufenen Zinsen gelten, weil die Gesellschaft wirtschaftlich nicht zahlen könne. Das Finanzamt nahm gleichwohl einen Zufluss der Zinsen 2017 an.

2. Kernaussage des BFH

Der BFH formuliert es unmissverständlich:

  • Prolongation vor Fälligkeit der Zinsansprüche ⇒ kein Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter.
  • Das gilt unabhängig vom Fremdvergleich.

3. Wie begründet der BFH seine Entscheidung? Mit drei dogmatischen Leitplanken

a) Prolongation ist keine Novation

Das Finanzgericht G hatte das Ganze als Novation (Schuldumschaffung) eingeordnet. Der BFH widerspricht: Entscheidend ist der Parteiwille. Eine Novation setzt den Willen voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues zu ersetzen. Das sah der BFH hier gerade nicht. Es ging erkennbar nur um das Hinausschieben der Fälligkeit (Stundung/Prolongation).

Kleine Latinum-Auffrischung: novare = erneuern, prolongare = hinausschieben. Nomen ist hier wirklich Omen.

b) Keine Zuflussfiktion ohne Fälligkeit

Die bekannte Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter greift nur, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist (und die Gesellschaft zahlungsfähig). Für noch nicht fällige Ansprüche gibt es keinen „Zugriff kraft Beherrschung“. Im Streitfall war der Zinsanspruch 2017 zu keinem Zeitpunkt fällig, weil die Parteien die Fälligkeit rechtzeitig auf 2022 verschoben hatten.

c) Auch keine verdeckte Einlage als „Umweg-Zufluss“

Selbst wenn die Prolongation gesellschaftsrechtlich motiviert und nicht fremdüblich war: Ein Nutzungsvorteil („zinslos nutzen können“) ist kein einlagefähiges Wirtschaftsgut. Also keine verdeckte Einlage – und damit auch kein fingierter Zufluss über diese Schiene.

4. Praxisfolgen: Was man jetzt sauber trennen muss

a) Der Stichtag ist nicht verhandelbar

Wer eine Fälligkeit verschieben will, muss das vor Eintritt der Fälligkeit machen. Danach wird es brandgefährlich, weil der Anspruch dann fällig ist und die Zuflussfiktion typischerweise zuschnappt.

b) Prolongation so vereinbaren, dass es keine Novation wird

Auf keinen Fall vereinbaren:

„ersetzt“, „aufgehoben“, „neuer Rechtsgrund“, „Ablösung“

Stattdessen:

„Fälligkeit wird hinausgeschoben“, „im Übrigen bleibt der Vertrag unverändert“, „keine Schuldumschaffung“

Der BFH schaut auf Substanz und Auslegung, nicht auf Etiketten.

c) Fremdvergleich bleibt wichtig – nur eben nicht für den Zuflusszeitpunkt

Das Urteil sagt nicht: „Fremdvergleich egal“. Es sagt: Für den Zuflusszeitpunkt bei Prolongation vor Fälligkeit ist er nicht entscheidend. Andere Baustellen (vGA-Risiken, Verrechnungspreise, Dokumentation) bleiben.

d) Tips für die Beratung

  • Prolongation vor Fälligkeit kann den Zufluss von Darlehenszinsen beim beherrschenden Gesellschafter verhindern.
  • Novation ist der Game-Changer: Dann kann ein Zufluss konstruiert werden. Also: keine Schuldumschaffung „aus Versehen“.
  • Ohne Fälligkeit keine Zuflussfiktion. Das ist die eigentliche Leitidee dieses Urteils.
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Last modified: 14. Dezember 2025

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