Von 07:49 Steuerrecht

BFH-Beschluss vom 14. Mai 2024 – IV B 35/23: Verfahrensfehler und Überraschungsentscheidung des FG München bei der Feststellung ausländischen Rechts

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 14. Mai 2024 (Az. IV B 35/23) ein Urteil des Finanzgerichts München aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Grund dafür waren erhebliche Verfahrensfehler, insbesondere die Verletzung der Sachaufklärungspflicht und eine Überraschungsentscheidung im Zusammenhang mit der Feststellung ausländischen Rechts.

Da von Steuerpflichtigen geführte NZB – Verfahren nur recht selten erfolgreich sind, ist die Entscheidung schon aus diesem Grund lesenswert.

Hintergrund des Verfahrens

Im zugrunde liegenden Fall ging es um die steuerliche Behandlung einer Abschlusszahlung aus einem Filmverwertungsvertrag. Dabei war entscheidend, wie das kalifornische Recht bestimmte Vertragsklauseln interpretiert. Das Finanzgericht hatte hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Klägerin beantragte die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung und stellte ein Ablehnungsgesuch gegen ihn. Das Gericht lehnte jedoch sowohl die Ladung als auch die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ab und berief sich auf eigene Sachkunde.

Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Der BFH stellte fest, dass das Finanzgericht gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen hat. Das Gericht hatte seine eigene Sachkunde unter anderem aus den Gutachten des abgelehnten Sachverständigen gewonnen, ohne dessen Ladung zur mündlichen Verhandlung zu ermöglichen oder über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Ein solcher Umgang mit Beweisanträgen und Ablehnungsgesuchen stellt einen Verfahrensfehler dar, da das Gericht seine Entscheidung auf Erkenntnisse stützte, die von einem möglicherweise befangenem Gutachter stammen.

Überraschungsentscheidung und Gehörsverstoß

Zudem sah der BFH eine Überraschungsentscheidung vorliegen, da das Finanzgericht vor Erlass seines Urteils nicht darauf hingewiesen hatte, dass es den Beweisbeschluss als erledigt ansah. Die Beteiligten konnten daher nicht damit rechnen, dass das Gericht ohne weitere Beweisaufnahme entscheiden würde. Dies stellt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar.

Konsequenzen und Bedeutung

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisaufnahme und der Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten. Insbesondere bei der Feststellung ausländischen Rechts müssen Gerichte sicherstellen, dass ihre eigene Sachkunde nicht auf Erkenntnissen basiert, die aus möglicherweise fehlerhaften oder befangenem Gutachten stammen.

Fazit

Der Beschluss des BFH verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Verfahrensführung bei der Feststellung ausländischen Rechts. Gerichte müssen ihre Sachkunde transparent darlegen und dürfen sich nicht auf Erkenntnisse stützen, die aus fragwürdigen Quellen stammen. Zudem müssen sie sicherstellen, dass alle Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme haben, um Überraschungsentscheidungen zu vermeiden.

Für Steuerpflichtige und ihre Berater bedeutet dies, dass sie bei Verfahren mit Auslandsbezug besonders auf eine vollständige und korrekte Beweisaufnahme achten sollten. Bei Zweifeln an der Unparteilichkeit von Sachverständigen sollten entsprechende Ablehnungsgesuche gestellt und auf deren Entscheidung bestanden werden.

Der vollständige Beschluss ist auf der Website des Bundesfinanzhofs abrufbar: BFH, Beschluss vom 14.05.2024 – IV B 35/23.

Last modified: 13. Mai 2025

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