Es war kein Aprilscherz, als das Landesministerium der Finanzen Magdeburg in seiner Pressemitteilung Nr.: 019/2017 am 27. April 2017 kämpferisch verkündete: “Kampf gegen Steuersünder wird intensiviert! Finanzminister bereiten Gesetz vor zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen“.
http://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2017/2017_342anlage1.pdf.
Verwundert liest man, dass Anwälte gesetzlich verpflichtet werden sollen, „kreative Steuergestaltungsberatungen“ zu melden. In der Pressemitteilung wird auf die Panama Papers und auf Steuerschäden durch „cum – ex – Geschäfte“ verwiesen.
Man muss kein Jurist sein, um die Brisanz dieses Vorschlages zu erkennen. Nach geltendem Recht machen sich Anwälte strafbar, die gegen ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Dazu gehört selbst die Tatsache, ob eine Person Mandant des Anwalts ist oder nicht. Die jetzt vorgesehene Pflicht für Anwälte, Behörden Details aus einer Beratung zu offenbaren, wäre ein erheblicher Verstoß gegen diese Pflicht.
Ich bin nicht nur gespannt, wie das Ministerium den Tatbestand des Gesetzes fassen wird und ob ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht eine Ordnungswidrigkeit oder ein Straftatbestand ist. Die weitere spannende Frage wird sein, wie das Gesetz praktisch umgesetzt werden soll. Das Gesetz müsste die Möglichkeit vorsehen, sämtliches Akten eines Anwalts daraufhin prüfen zu dürfen, ob seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist. Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Zu Recht weist das Ministerium in seiner Pressemitteilung auf erhebliche Missstände im Steuerrecht bin. Allein der Steuerschaden aus den cum-ex Geschäften wird auf über 30 Mrd. Steuern geschätzt.
Das ist zu Recht massiv kritisiert worden. Dafür jetzt aber die Anwaltschaft in die Pflicht zu nehmen, verstellt den Blick darauf, dass dieses Thema in Ministerien und in der Politik verschlafen worden ist, wie in dem genannten Artikel in der Zeit nachzulesen ist. Wie sehen in einer Finanzbehörde die inneren Kontrollsysteme aus, wenn eine Steuer mehrfach erstattet wird?
Dass es mit diesem System nicht zum Besten steht, zeigen – unfassbar – auch die noch immer funktionierenden Umsatzsteuerkarusselle, deren Schema seit vielen Jahren, gar Jahrzenhnten, bekannt ist. Vorsteuern werden (oft mehrfach) erstattet, die Umsatzsteuer aber nicht gezahlt. Von einer effektiven Bekämpfung dieser massiven Art der Steuerhinterziehung ist nichts bekannt. Dabei würde es sich lohnen, hier deutlich intensiver zu prüfen. Der Steuerschaden allein durch die Umsatzsteuerkarusselle wird auf 15 Mrd. € p.a. geschätzt (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/schaden-von-15-milliarden-euro-im-jahr-der-umsatzsteuerbetrug-greift-um-sich-11106067.html).
Ich habe den Eindruck, dass von diesen hausgemachten Problemen abgelenkt werden soll, indem jetzt auf die Berufsgruppe der Anwälte eingeprügelt und diese als die vermeintliche Wurzel des Übels identifiziert wird. Die Energie, die in den Gesetzesentwurf gesteckt wird, wäre besser zur Bekämpfung der nur hier aufgezeigten beiden Missbräuche besser eingesetzt.
Der BFH hat mehrfach entschieden, dass Steuergestaltung nicht verboten ist. Niemand muss Sachverhalte so gestalten, dass eine möglichst hohe Steuer anfällt. Unter mehreren zulässigen Gestaltungen darf der Steuerpflichtige die Gestaltung wählen, die die geringste Steuerbelastung mit sich bringt. Die zulässige Steuergestaltung findet ihre Grenze dort, wo die Strafbarkeit beginnt, oder wo Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts missbraucht werden (§ 42 AO).
Es bleibt daher festzuhalten:
- Steuergestaltung ist nicht verboten, sondern erlaubt.
- Steuergestaltung wird durch ein kompliziertes Steuerrecht, das zudem unsystematisch Anreize schafft, geradezu provoziert. Hier ist der Gesetzgeber seit Jahrzehnten aufgefordert, Abhilfe zu schaffen.
- Wer als Anwalt einem Mandanten zur Steuerhinterziehungen rät, ist als Anstifter strafbar. Wer eine legale Steuergestaltung berät, handelt dagegen pflichtgemäß.
- Wer als Anwalt seinem Mandanten in einem steuerrechtlichen Mandat zu einer Gestaltung nicht den steuerlich günstigsten Weg aufzeigt, ist dem Mandanten wegen Beratungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet.
- Mißbrauchsbekämpfung ist Sache der Behörden und der Gerichte, nicht der Anwaltschaft.
Es bleibt bei dem Vorstoß des Ministeriums aus Sachsen-Anhalt bei mir der Eindruck, dass hier durch Aktionismus von internen Missständen in Behörden und Politik abgelenkt werden soll. Das aber darf nicht auf dem Rücken der Anwaltschaft erfolgen. In der Öffentlichkeit wird so ein falsches Bild von der Arbeit der Anwaltschaft gezeichnet.
ws