Archiv für die Kategorie 'Steuerrecht'

Urteil des BFH vom 04.04.2019: Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat für Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar

Donnerstag, 13. Juni 2019
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91007 Linus fliege orange_1Gute Nachrichten für Pendler: der Bundesfinanzhof hat am 04.04.2019 entschieden: Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat für eine im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzten Wohnung sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar sind.

Nach Auffassung des BFH sind nur die Kosten der Unterkunft, also die Miete, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG  auf den Höchstabzugsbetrag von 1.000 Euro begrenzt. Unter die Begrenbzung dagegen fallen nicht die Kosten für die Einrichtungsgegenstände und den Hausrat der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzten Wohnung. Diese Aufwendungen sind in vollem Umfang abzugsfähig.

FG Hamburg vom 12.06.2018 – gemeinsamer Konsum – auch im Luxusbereich – unterliegt nicht der Schenkungsteuer

Montag, 27. Mai 2019
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91007 Linus fliege orange_1Das Steuerrecht schlägt, nicht selten auch für Steuerrechtler, so manche Kapriole, die auf Personen, die mit der Materie nicht (haupt)beruflich zu tun haben, befremdlich wirkt. Das gilt auch für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Danach ist eine Schenkung eine freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Auf eine Bereicherungsabsicht kommt es steuerrechtlich nicht an. Als Schenkung in diesem Sinne gilt z.B.  auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt (§ 7 Abs. 8 ErbStG).

Das Finanzgericht Hamburg hatte mit Urteil vom 12.06.2018 – 3 K 77/17 – über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Kläger unternahm mit seiner Lebensgefährtin eine mehrmonatige Kreuzfahrt. Er übernahm nicht nur alle Kosten dieser Kreuzfahrt einschließlich der Unterbringung in einer luxuriösen Kabine, sondern auch die mit der Kreuzfahrt weiter verbundenen Kosten für Ausflüge usw. Das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt sah die von dem Kläger zugunsten seiner Lebensgefährtin übernommenen Beträge als Schenkung an. es meinte, die Lebensgefährtin sei auf Kosten ihres Partners bereichert. Es ermittelte die gesamten Kosten für die Kreuzfahrt (rund 500.000,00 EUR) und setzte die Hälfte der Gesamtkosten als Schenkung des Klägers an seine Lebensgefährtin an und setzte entsprechend Schenkungsteuer fest. Der Kläger vertrat dagegen die Auffassung, dass in der Einladung seiner Lebensgefährtin keine Schenkung liege.

Das Finanzgericht in Hamburg gab dem Kläger recht und der Klage gegen den Schenkungsteuerbescheid statt. Es bewertete den Sachverhalt als „gemeinsamen Konsum“, der nicht der Schenkungsteuerpflicht unterliege. Denn die mitgereiste Lebensgefährtin habe als Eingeladene keinen frei verfügbaren Anspruch gegen ihrem Lebensgefährten erlangt. Mangels ersparter Aufwendungen liege auch kein Verzicht des einladenden Lebensgefährten auf Wertausgleich zugunsten der Eingeladenen vor. Der Entscheidung des Finanzgerichts in Hamburg ist zuzustimmen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Finanzgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen, das beklagte Finanzamt hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision eingelegt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes kann mit Spannung erwartet werden.
ws

Zugewinnausgleich ist immer erbschaft – und schenkungsteuerfrei – Urteil des FG Köln vom 18.01.2018 – 7 K 513/16

Samstag, 11. Mai 2019
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91007 Linus fliege orange_1Der Zugewinnausgleich ist stets erbschaft-und schenkungsteuer frei. Das ist die Kernaussage von § 7 ErbStG. Das gilt aber nur, wenn der Zugewinn tatsächlich ausgeglichen. Zuwendungen des einen Ehegatten an den anderen Ehegatten während einer laufenden Ehe, für die der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt und in der damit im Falle der Beendigung der Ehe unter Lebenden oder durch Tod eines der Ehegatten oder des Wechsels des Güterstandes der Zugewinn auszugleichen ist, sind nicht nach § 7 ErbStG steuerfrei. Denn diese Zahlungen dienen ja nicht dem Ausgleich des Zugewinns. Unter bestimmten Voraussetzungen sind aber Schenkungen während der Ehe auf einen späteren Anspruch eines Ehegatten auf Zugewinnausgleich anzurechnen. Damit reduziert sich der spätere Zugewinnausgleich. Ohne besondere zusätzliche Regelung wäre Steuerpflichtigen damit ein Teil der Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs genommen. Daher ordnet § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG an, dass die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit entfällt, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des steuerfreien fiktiven Zugewinnausgleichs berücksichtigt werden.

In dem Verfahren vor dem Finanzgericht 7 K 513/16 lag die Besonderheit darin, dass ein Ehegatte seinem Ehepartner während der Ehe in Summe mehr geschenkt hatte als dieser Ehepartner als Zugewinnausgleich später beanspruchen durfte. In diesem Fall vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass ein Zugewinnausgleich nicht mehr bestünde, und dass folglich auch die Schenkungsteuer auf die Zuwendungen während der Ehezeit nicht rückwirkend nach § 29 ErbStG erlöschen würde. Vereinfacht gesagt wandte der Ehepartner A dem Ehepartner B 1,0 Mio, EUR während der Ehe zu. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich des Ehepartners B betrug später aber nur 0,8 Mio. EUR. Nach Anrechnung der bereits geschenkten 1,0 Mio. EUR verblieb kein Anspruch auf Zugewinnausgleich mehr. Daher sollten auch, so jedenfalls die Finanzverwaltung, die 0,8 Mio. EUR nicht steuerfrei sein. In der Konsequenz würde es in dem Beispielsfall bei der bereits in der Vergangenheit erfolgten Besteuerung der 1,0 Mio. EUR bleiben. Die Kläger dagegen vertraten die Auffassung, dass in Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs, in dem vereinfachten Beispielsfall also in Höhe von 0,8 Mio. EUR, die Schenkungssteuer rückwirkend nach § 29 ErbStG entfallen müsse. Eine andere Lösung sei widersinnig und ungerecht.

Das Finanzgericht Köln folgte in seiner Entscheidung vom 18.01.2018 zu Az. 7 K 513/16 der Auffassung der Kläger und stellte die während der Ehe erfolgten Zuwendungen insoweit steuerfrei, als der beschenkte Ehepartner auch später einen Zugewinnausgleichsanspruch vor Anrechnung der Zuwendungen während der Ehehatte. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, das Finanzgericht in Köln hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
ws

 

BFH vom 10.01.2019: attac ist nicht gemeinnützig

Freitag, 10. Mai 2019
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91007 Linus fliege orange_1Mit Urteil vom 10.1.2019, V R 60/17, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass attac nicht gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts ist. In der Pressemitteilung des obersten deutschen Gerichts in Steuersachen heißt es:
„1. Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.

2. Bei der Förderung der Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.

3. Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.

4. Bei der Prüfung der Ausschließlichkeit der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckverfolgung und der tatsächlichen Geschäftsführung nach §§ 56, 63 AO kann zwischen der Körperschaft als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerks“ zu unterscheiden sein. Dabei sind alle Umstände einschließlich des Internetauftritts der Körperschaft zu berücksichtigen.“

attac ist der Überzeugung, dass die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, die Förderung von Selbstbestimmung und Demokratie und der Schutz der Umwelt die vorrangigen Ziele von Politik und Wirtschaft sein sollten. Attac ist die Abkürzung für den französischen Ausdruck „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen“ (association pour une taxation des transactions financières pour l‘aide aux citoyens). Nach eigenen Angaben auf Ihrer Internetseite befasst attac sich mittlerweilemit der gesamten Bandbreite der Probleme neoliberale Globalisierung und versteht sich als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise.

Das Schicksal von attac, die Gemeinnützigkeit zu verlieren, wird dagegen die deutsche Umwelthilfe wohl nicht erteilen. Denn sie kann sich darauf berufen,wegen der Förderung des Umweltschutzes gemeinnützige Zwecke zu verfolgen (§ 52 Nr. 7 AO).
ws

Der Bundesfinanzhof hat am 07.06.2018 entschieden: Beiträge eines Arbeitgebers für eine Versicherung zugunsten des Arbeitnehmers sind Sachbezug

Donnerstag, 13. September 2018
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91007 Linus fliege orange_1

Am 07.06.2018 (VI R 13/16) hat der Bundesfinanzhof – nur auf den ersten Blick überraschend – entschieden, dass von dem Arbeitgeber an eine Versicherung zugunsten eines Arbeitnehmers gezahlte Beiträge für eine Zusatzversicherung in der Krankenkasse kein Barlohn, sondern Sachlohn ist. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil Sachlohn bis 44,00 EUR je Monat steuerfrei ist (§ 8 Abs. 2 Satz 11). Der Bundesfinanzhof hält damit gegen die Finanzverwaltung weiter an der schon bisher von ihm vertretenen Auffassung fest und stärkt so die Rechte der Steuerpflichtigen und erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten in Arbeitsverträgen.
ws

Falsche Reaktionen auf krasse Missstände im Steuerrecht – sind Anwälte bald verpflichtet, ihre Beratung offenzulegen?

Montag, 26. Juni 2017
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91010_WS schwarz weißEs war kein Aprilscherz, als das Landesministerium der Finanzen Magdeburg in seiner Pressemitteilung Nr.: 019/2017 am 27. April 2017 kämpferisch verkündete: “Kampf gegen Steuersünder wird intensiviert! Finanzminister bereiten Gesetz vor zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen“.

http://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2017/2017_342anlage1.pdf.

Verwundert liest man, dass Anwälte gesetzlich verpflichtet werden sollen, „kreative Steuergestaltungsberatungen“ zu melden. In der Pressemitteilung wird auf die Panama Papers und auf Steuerschäden durch „cum – ex – Geschäfte“ verwiesen.
Man muss kein Jurist sein, um die Brisanz dieses Vorschlages zu erkennen. Nach geltendem Recht machen sich Anwälte strafbar, die gegen ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Dazu gehört selbst die Tatsache, ob eine Person Mandant des Anwalts ist oder nicht. Die jetzt vorgesehene Pflicht für Anwälte, Behörden Details aus einer Beratung zu offenbaren, wäre ein erheblicher Verstoß gegen diese Pflicht.

Ich bin nicht nur gespannt, wie das Ministerium den Tatbestand des Gesetzes fassen wird und ob ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht eine Ordnungswidrigkeit oder ein Straftatbestand ist. Die weitere spannende Frage wird sein, wie das Gesetz praktisch umgesetzt werden soll. Das Gesetz müsste die Möglichkeit vorsehen, sämtliches Akten eines Anwalts daraufhin prüfen zu dürfen, ob seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist. Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Zu Recht weist das Ministerium in seiner Pressemitteilung auf erhebliche Missstände im Steuerrecht bin. Allein der Steuerschaden aus den cum-ex Geschäften wird auf über 30 Mrd. Steuern geschätzt.

Das ist zu Recht massiv kritisiert worden. Dafür jetzt aber die Anwaltschaft in die Pflicht zu nehmen, verstellt den Blick darauf, dass dieses Thema in Ministerien und in der Politik verschlafen worden ist, wie in dem genannten Artikel in der Zeit nachzulesen ist. Wie sehen in einer Finanzbehörde die inneren Kontrollsysteme aus, wenn eine Steuer mehrfach erstattet wird?

Dass es mit diesem System nicht zum Besten steht, zeigen – unfassbar – auch die noch immer funktionierenden Umsatzsteuerkarusselle, deren Schema seit vielen Jahren, gar Jahrzenhnten, bekannt ist. Vorsteuern werden (oft mehrfach) erstattet, die Umsatzsteuer aber nicht gezahlt. Von einer effektiven Bekämpfung dieser massiven Art der Steuerhinterziehung ist nichts bekannt. Dabei würde es sich lohnen, hier deutlich intensiver zu prüfen. Der Steuerschaden allein durch die Umsatzsteuerkarusselle wird auf 15 Mrd. € p.a. geschätzt (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/schaden-von-15-milliarden-euro-im-jahr-der-umsatzsteuerbetrug-greift-um-sich-11106067.html).

Ich habe den Eindruck, dass von diesen hausgemachten Problemen abgelenkt werden soll, indem jetzt auf die Berufsgruppe der Anwälte eingeprügelt und diese als die vermeintliche Wurzel des Übels identifiziert wird. Die Energie, die in den Gesetzesentwurf gesteckt wird, wäre besser zur Bekämpfung der nur hier aufgezeigten beiden Missbräuche besser eingesetzt.

Der BFH hat mehrfach entschieden, dass Steuergestaltung nicht verboten ist. Niemand muss Sachverhalte so gestalten, dass eine möglichst hohe Steuer anfällt. Unter mehreren zulässigen Gestaltungen darf der Steuerpflichtige die Gestaltung wählen, die die geringste Steuerbelastung mit sich bringt. Die zulässige Steuergestaltung findet ihre Grenze dort, wo die Strafbarkeit beginnt, oder wo Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts missbraucht werden (§ 42 AO).

Es bleibt daher festzuhalten:

  1. Steuergestaltung ist nicht verboten, sondern erlaubt.
  2. Steuergestaltung wird durch ein kompliziertes Steuerrecht, das zudem unsystematisch Anreize schafft, geradezu provoziert. Hier ist der Gesetzgeber seit Jahrzehnten aufgefordert, Abhilfe zu schaffen.
  3. Wer als Anwalt einem Mandanten zur Steuerhinterziehungen rät, ist als Anstifter strafbar. Wer eine legale Steuergestaltung berät, handelt dagegen pflichtgemäß.
  4. Wer als Anwalt seinem Mandanten in einem steuerrechtlichen Mandat zu einer Gestaltung nicht den steuerlich günstigsten Weg aufzeigt, ist dem Mandanten wegen Beratungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet.
  5. Mißbrauchsbekämpfung ist Sache der Behörden und der Gerichte, nicht der Anwaltschaft.

Es bleibt bei dem Vorstoß des Ministeriums aus Sachsen-Anhalt bei mir der Eindruck, dass hier durch Aktionismus von internen Missständen in Behörden und Politik abgelenkt werden soll. Das aber darf nicht auf dem Rücken der Anwaltschaft erfolgen. In der Öffentlichkeit wird so ein falsches Bild von der Arbeit der Anwaltschaft gezeichnet.
ws

Steuerrecht folgt Zivilrecht, auch bei dem Beginn der Abschreibungen für Wirtschaftsgüter (hier: Windkraftanlagen); keine gleichlaufende Behandlung beim Verkäufer und Käufer (Urteil des BFH vom 22.09.2016, IV R 1/14)

Samstag, 10. Dezember 2016
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91007 Linus fliege orange_1Das Urteil des BFH zeigt, dass im Steuerrecht gute Kenntnisse des Zivilrechts unabdingbar sind. In der Entscheidung des BFH vom 22.09.2016 ging es um den genauen Beginn der Abschreibung für Windkraftanlagen. Der Kläger hatte die Anlagen bereits mit Inbetriebnahme abgeschrieben, aber vor dem späteren zivilrechtlichem Gefahrübergang. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Klägers zunächst. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das Finanzamt die Feststellungsbescheide und ließ die Abschreibungen auf die Windkraftanlagen erst ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu. Die Änderungsbescheide stützte das Finanzamt auf das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne von § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Abschreibungen beim Käufer ist nach zutreffender Auffassung des BFH der Zeitpunkt der Lieferung. Geliefert ist ein Wirtschaftsgut, wenn der Käufer zumindest wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts geworden ist. Dazu vertrat die Klägerin die Auffassung, im Streitfall sei das wirtschaftliche Eigentum an den Windkraftanlagen schon in dem Zeitpunkt auf sie übergegangen, von dem ab ihr die Nutzung der Windkraftanlagen zugestanden hätte. Dem hielt der Bundesfinanzhof entgegen, dass die das zivilrechtliche Eigentum verdrängende steuerrechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts (wirtschaftliches Eigentum) auf einen anderen voraussetzt, dass die Substanz des Wirtschaftsguts auf den Käufer übergeht.

Den Übergang der Substanz nimmt der Bundesfinanzhof in dem Zeitpunkt an in dem nach dem Vertrag oder mangels vertraglicher Regelung nach den zivilrechtlichen Regelungen die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer übergeht. Bei einem Werklieferungsvertrag wie hier vorliegend, gehen die vertraglichen Vereinbarungen den dispositiven Regeln des Zivilrechts über die Gefahrtragung (§§ 446 Satz 1, 651 BGB) vor.

Das gilt nach den BFH selbst dann, wenn der Käufer die Windkraftanlage bereits vor Abnahme nutzen kann. Denn trotz dieser Nutzungsmöglichkeit bleibt es dabei, dass der Verkäufer bis zum Gefahrübergang weiterhin das Risiko des Untergangs und des Wertverzehrs trägt. Nicht maßgebend ist in diesem Zusammenhang nach Auffassung des BFH, dass der Verkäufer nach Beginn der Nutzung durch den Käufer und vor Gefahrübergang auf den Käufer durch den Abschluss entsprechender Versicherungen bei einem Verlust der Windkraftanlage nicht belastet gewesen wäre.

Für den Kläger wenig befriedigend war die Aussage des BFH in dem Urteil, dass die steuerrechtliche Behandlung bei dem Verkäufer der Windkraftanlagen für die steuerrechtliche Beurteilung bei dem Kläger und Käufer unmaßgeblich war.
ws

BFH ändert seine Rechtsprechung: die Kosten für die Erneuerung von Einbauküchen (neu gegen alt) in einem vermieteten Objekt sind steuerlich nicht sofort abziehbar (BFH-Urteil vom 03.08.2016,IX R 14/15)

Samstag, 10. Dezember 2016
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91007 Linus fliege orange_1Der Kläger ersetzte in vermieteten Häusern alte Einbauküchen gegen neue. Die dafür entstandenen Kosten machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) geltend. Nach Auffassung des Klägers handelte es sich um Erhaltungsaufwand. Das Finanzamt dagegen verteilte, abgesehen von einem Betrag für geringwertige Wirtschaftsgüter i.H.v. 410 €, die restlichen Kosten für die neu eingebauten Küchen auf deren voraussichtliche Nutzungsdauer von zehn Jahren. Finanzgericht und Bundesfinanzhof schlossen sich in der Auffassung des Finanzamts an.

Damit gibt der Bundesfinanzhof seine bisherige, für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung, auf. Bisher ging der Bundesfinanzhof davon aus, dass Einbauküchen wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Folglich waren Kosten für die Erneuerung der dazu gehörenden Teile steuerlich in gleicher Weise sofort abzugsfähig wie z.B. der Austausch alter Fenster gegen neue.

Jetzt hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung geändert. Er hält nicht mehr daran fest, dass Einbauküchen Gebäudebestandteile sind. Nach der vom BFH sollen einzelne Elemente einer Einbauküche ein selbständiges, zugleich aber einheitliches Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren darstellen.

Wir halten die Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht für zutreffend. Maßgebend dafür, ob eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil des Gebäudes ist, hängt von der zivilrechtlichen Lage ab. Ist eine Einbauküche wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes, dann ist eine Einbauküche auch dann mit Grundstück und Gebäude verkauft, wenn dies im Kaufvertrag nicht gesondert ausgewiesen sein sollte. Nach der Legaldefinition in § 93 BGB sind wesentliche Bestandteile einer Sache solche, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Sie können daher nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Eine Einbauküche ist im Regelfall speziell für das jeweilige Objekt zugeschnitten. Im Falle des Ausbaus würde zumindest das Wesen der Einbauküche verändert werden. Allerdings wird die Praxis sich an der Entscheidung des BFH orientieren müssen.
ws

Die Vertragsstrafe bei den Einkünften aus § 21 EStG – „es kommt darauf an“ – FG Münster (13 K 109 / 15) schließt sich unserer Auffassung an.

Donnerstag, 24. März 2016
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91007 Linus fliege orange_1Am 4. Oktober 2014 hatten wir in diesem blog über das Thema „Vertragsstrafe und Einkünfte aus § 21 EStG“ berichtet. Obwohl die Vertragsstrafe nicht Ersatz für entgangene Einnahmen und auch kein Schadensersatz für entgangene Miete war, erfasste das Finanzamt die im Jahr 2012 gezahlte Vertragsstrafe gleichwohl als Einnahmen getreu dem Motto „das haben wir schon immer so gemacht“. Der Einspruch blieb erfolglos. Also beschäftigte sich das Finanzgericht Münster unter dem Az. 13 K 109 / 15 E mit der Sache. Gemessen an den sonst bekannten Verfahrensdauern bei Finanzgerichten gab es jetzt im März 2016 einen Erörterungstermin in den Räumen des beklagten Finanzamtes.

Der Berichterstatter erläuterte ausführlich die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Rechtsfrage. Auch hier lautete wieder die Frage „es kommt darauf an“. Im Streitfall kam es nämlich darauf an, ob ein Zusammenhang der Vertragsstrafe mit den Einnahmen aus § 21 EStG bestand oder nicht. Hier folgte der Berichterstatter vergleichsweise schnell der von uns vertretenen Auffassung, die der vertraglich vereinbarten Regelung entsprach. Danach sicherte die Vertragsstrafe, wie üblich, die Hauptleistungspflicht des Verkäufers, ein verkauftes Gebäude fristgerecht zu erstellen, ab. In diesem Zweck erschöpfte sich die Regelung. Hinzu kam im Streitfall, dass die Vertragsstrafenregelung ausdrücklich vorsah, dass die Vertragsstrafe nicht etwa auf einen Schadensersatzanspruch anzurechnen wäre. Die Vertragsstrafe stand nach dem Vertrag ausdrücklich neben einem etwaigen Schadensersatzanspruch. Sie war also unabhängig von den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches (Pflichtverletzung und Verschulden) geschuldet.

Nach den Erläuterungen des Berichterstatters stellte das beklagte Finanzamt die Klagepartei klaglos. Kurios war die differenzierte Wahrnehmung auf Seiten des beklagten Finanzamtes. Während dem Sachgebietsleiter die Argumente des Finanzrichters schnell einleuchteten, zog sich der Bearbeiter der Rechtsbehelfsstelle darauf zurück, dass es doch wohl nicht sein könne, dass ein so hoher Betrag nicht der Besteuerung unterliegen solle.

ws

Die (neue) Erbschaftsteuer ab 01.07.2016 aus der Sicht eines höheren Beamten: warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Weil die Parteien es so wollen

Samstag, 12. März 2016
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91007 Linus fliege orange_1Ich war vor kurzem bei einer Veranstaltung, auf der ein hochrangiger Beamter (dessen Namen ich hier nicht nennen möchte) über den Stand der Bemühungen um die Reform der Erbschaftsteuer vortrug. Wir erinnern uns: das Werk muss nach der Vorgabe des BVerfG bis Juni 2016 Gesetz geworden sein. Nachdem die noch immer, wenn auch entschärften, komplizierten Details des Entwurfs vorgetragen waren, fragte ich den Referenten, ob man denn auch schon einmal die vorgeschlagene Alternative der Besteuerung von Betriebsvermögen zu niedrigeren Steuersätzen, dafür aber keine Begünstigung von Betriebsvermögen mehr, als Lösung erwogen habe. Aus der wortreichen Antwort habe ich unter dem Strich geschlossen, dass diese Lösung nicht einmal ansatzweise geprüft worden ist, und zwar mit der schon etwas ernüchternden Begründung, die ich hier verkürzt darstelle: das sei politisch nicht gewollt.

Ich dachte immer, sehr naiv, es wäre die Pflicht (und auch das Interesse) von den Fachbeamten, gute, einfache und sinnvolle Gesetze zu machen und nicht etwas, das vermeintlich politisch gewollt ist. Und ich frage mich weiter, warum die Steuerbürger mit einem Gesetz leben sollen, das ersichtlich sehr kompliziert ist, und dass sie wohl auch so nicht wollen, nur weil Parteien meinen, das sei gewollt. Ich bin mir sicher, dass sehr viele Unternehmen, auch und insbesondere Mittelständler, mit einer einfacheren Erbschaftsteuer, die der Höhe nach wirklich planbar ist, besser leben könnten als mit einem komplizierten, riskanten Regelwerk. Unternehmen handeln in der Praxis viel weniger steuergetrieben, als die Finanzverwaltung glaubt. Die Unternehmer, die ihr Unternehmen auf das Steuerrecht ausrichten und nicht auf den unternehmerischen Erfolg, die dürften sehr seltene Exemplare sein.

Auch frappierend: die Antwort auf die Frage, was denn passiere, wenn die Neufassung nicht bis Ende Juni 2016 umgesetzt worden sei, bleibt im Ergebnis offen. Die Antwort war sinngemäß u.a. folgende: das BVerfG habe da zwar eine Frist gesetzt, wenn die aber jetzt nicht eingehalten werde, dann sein die halt verstrichen. Ich bin mir nicht sicher, dass die Richterinnen und Richter in Karlsruhe das auch so sehen, wenn man sie den einmal fragen würde.
ws