BFH bestätigt mit Urteil vom 17. November 2020, I R 2/18 seine Rechtsprechung, dass Steuerpflichtige ihre Verhältnisse grundsätzlich so gestalten dürfen, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen. Sie dürfen dabei zivilrechtliche Gestaltungen frei verwenden, die vom Gesetz vorgesehen sind.

Samstag, 05. Juni 2021 10:09

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91010_WS schwarz weißDiese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigende Entscheidung wird den Finanzbehörden nicht gefallen. Der Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19.01.2017 – IV R 10/14, BFHE 256, 507, BStBl II 2017, 466; vom 08.03.2017 – IX R 5/16, BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930; vom 12.06.2018 – VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221).

Im Streitfall ging es um die Frage, ob eine von dem Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung zur Verlustnutzung ein Missbrauch im Sinne von § 42 AO war. Dazu stellt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 17. November 2020 klar:

„Gestaltungen, die darauf abzielen, dem Steuerpflichtigen die Nutzung eines von ihm erwirtschafteten Verlusts zu ermöglichen, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in zahlreichen Entscheidungen nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet worden (z.B. Senatsurteile vom 19.08.1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, zur inkongruenten Gewinnausschüttung mit nachfolgender inkongruenter Wiedereinlage; vom 17.10.2001 – I R 97/00, BFHE 197, 63, zur Verlagerung von Zinserträgen; BFH-Urteile vom 29.05.2008 – IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789, zur Veräußerung von GmbH-Anteilen an eine beteiligungsidentische GmbH; vom 07.12.2010 – IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, zur ringweisen Anteilsveräußerung; vom 04.12.2014 – IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495, zur inkongruenten Gewinnausschüttung; abgrenzend dazu BFH-Urteil vom 18.03.2004 – III R 25/02, BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787, Rz 110, zur Zwischenschaltung einer mit Verlustvorträgen „ausgestatteten“ GmbH bei Grundstücksgeschäften). Da das Herbeiführen eines Verlustausgleichs im Kern mit den gesetzlichen Zielsetzungen (Leistungsfähigkeitsprinzip, § 10d EStG) übereinstimmt, ist der Senat zudem davon ausgegangen, dass entsprechende Gestaltungen grundsätzlich nicht durch weitere außersteuerliche Motive gerechtfertigt werden müssen (Senatsurteile in BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; in BFHE 197, 63).

Im Streitfall diente die Gestaltung im Kern der Nutzung des Verlustvortrags, der sich bei der Klägerin infolge des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolgs aufgebaut hatte. Die Gestaltung kann daher nicht als unangemessen beurteilt werden.

Ob zur Verlustnutzung getroffene Gestaltungen einer Prüfung am Maßstab des § 42 AO standhalten, hängt zunächst von der Qualität der betroffenen Verluste ab. So sind die bei einer auf Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit selbst erwirtschafteten Verluste anders zu behandeln als auf dem Markt „eingekaufte“ Fremdverluste (Mantelkaufgestaltungen). Verluste, die auf der Inanspruchnahme steuerlicher Subventions- und Lenkungsnormen (z.B. Sonderabschreibungen) beruhen, haben wiederum eine andere Qualität.

Im Streitfall hat die Klägerin „echte“ betriebswirtschaftliche Verluste erzielt, deren steuerliche Effektuierung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

Die von der Steuerrechtsordnung grundsätzlich gebilligte Nutzbarmachung von Verlusten besteht darin, dass die Verluste mit positiven Einkünften verrechnet werden. Die dadurch bewirkte Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage führt aus Sicht des Fiskus zu einer Mindersteuer, weil die positiven Einkünfte seinem Besteuerungszugriff entzogen werden. Auf Seiten des Steuerpflichtigen bewirkt die mit der Verlustnutzung einhergehende Mindersteuer eine Verbesserung der Liquidität.“

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist konsequent und für alle Steuerpflichtigen zu begrüßen. Leider müssen wir unserer Praxis immer wieder feststellen, dass die Finanzbehörden diese Grundsätze des Bundesfinanzhofes nicht akzeptieren, sondern häufig als Gestaltungsmißbrauch im Sinne von § 42 AO und sogar als strafbare Steuerhinterziehung eingeordnet werden. Wir werden unsere Mandanten dagegen konsequent schützen und gegen Beamte, die die ihnen vom Gesetz gezogenene Grenzen als Amtsträger überschreiten, auch strafrechtlich zur Verantwortung ziehen lassen .
ws

 

Corona und die massiven wirtschaftlichen Folgen – unser Beratungsangebot für Sie

Freitag, 20. März 2020 07:51

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91007 Linus fliege orange_1Corona legt nicht nur das öffentliche und das private Leben nahezu volllständig lahm. ab dem 23.03.2020 muss man mit bundesweiten Ausgangssperren wie in anderen Ländern rechnen. Corona führt auch zu massiven wirtschaftlichen Belastungen. Das ist schon jetzt zu erkennen und wird sich in der Zukunft nach unserer Einschätzung noch dramatisch entwickeln. Unternehmer, die ihre Geschäfte schließen müssen, sind ebenso davon betroffen wie andere, die noch arbeiten können, die aber dennoch massive Umsatzrückgänge haben. Es wird infolge dee Maßnahmen zu Corona zu einer Welle an Insolvenzen und wirtschaftlichen Schieflagen kommen. Bundes- und Landesregierungen verkünden zwar unbürokratische und umfassende Hilfe. Stand heute, 20.03.2020, sieht die Wirklichkeit aber anders aus. Bislang gibt es im Wesentlichen nur das Versprechen zinsloser Darlehen. Die Voraussetzungen dafür aber prüfen Banken vor Ort. Nach unseren Informationen sind zwar alle bemüht, dennoch ist der Prozess zäh. Außerdem werden viele Unternehmen keinen Kredidt erhalten. Und die Unternehmen, die Kredite erhalten, wird der Kredit nur den Zeitpunkt der Insolvenz in die Zukunft verlegen. Im Kern helfen zinslose Kredite – nicht zuletzt angesichts der ohnehin niedrigen Zinsen – den betroffenen Unternehmen nicht. Denn die Kredite ersetzen keine Einnahmen, sonden müssen zurückgezahlt werden. Und Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz (insb. § 56 IFSG) erhalten u.a. nur infizierte Personen.

All das gerift viel zu kurz. Für die kommende Woche ab dem 23.03.2020 sollen neue Maßnahmen verkündet werden. Wir empfehlen aktuell, gegen behördliche Maßnahmen, die zu wirtschaftlichen Nachteilen führen, Rechtsbehelfe / Rechtsmittel einlegen, um alle Optionen zu offen zu halten. Wir gehen davon aus, dass die beschlossenen Maßnahmen nur ein Tropfen auf den heußen Stein sein werden. Wir als Rechtsanwaltsgesellschaft werden Ihre Interessen konsequent vertreten, um alle nur denkbaren Ansprüche durchzusetzen. Wir werden dabei alle nur denkbaren Anspruchsgrundlagen berücksichtigen. Dabei werden auch Ansprüche nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB (sog. „Amtshaftung“) zu prüfen sein. Diese Ansprüche setzen voraus, dass sich die Betroffenen zunächst gegen die staatlichen Zwangsmaßnahmen wehren. Wer das unterlässt, verliert allein aus diesem Grund seine etwaigen Ansprüche auf Amtshaftung (§ 839 Abs. 3 BGB). Die Aussage: „dulde und liquidiere“, gilt hier gerade nicht,

Wenn Sie als Unternehmer massiv wirtschaftlich von Corona betroffen sind, sprechen Sie uns an. Wir beraten Sie und werden alles daran setzen, Ihre Ansprüche durchzusetzen. Wir zeigen Ihnen nicht nur die dafür notwendigen Schritte auf und beraten Sie, wir begleiten Sie bei der Umsetzung der mit Ihnen abgestimmten Strategie und stimmen uns laufend eng mit Ihnen ab. Wir sind am Markt fur unser konsequentes Handeln, die hohe Qualität der Arbeit, die Sorgfalt und die Zuverlässigkeit bekannt. Wir sind der Vertreter Ihrer Inreressen und setzen mit Ihnen Ihre Ansprüche durch.
ws

Corona, Justiz und die Technik – zu erwartende Veränderungen

Donnerstag, 19. März 2020 08:37

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91010_WS schwarz weißCorona lähmt nicht nur das Leben in Deutschland und der Welt und wird wirtschaftlich massive Schäden hinterlassen, auch die Justiz ist massiv betroffen. In heller Panik sagen Finanzbehörden Termine wie Schlussbesprechungen ab, Richter befinden sich im „home-office“. Gerichte sind für Besucher geschlossen, es sollen nur noch dringende Verhandlungen stattfinden (FAZ vom 18.03.2020, Seite 16 unten „Corona und Justitia“).

Hier rächt sich, dass sich Justiz und Behörden seit Jahrzehnten leider erfolgreich gegen neue Technik gewehrt haben und noch immer so arbeiten wie vor 50 Jahren. Es ist für einen Richter in Neuruppin viel einfacher, eine Partei nebst Anwalt an einem Tage 900 km fahren zu lassen als die Verhandlung per Videokonferenz zu führen, was seit nunmehr fast 20 Jahren möglich und zulässig ist. Das war angesichts der Klimadebatte schon vor Corona erstaunlich, hat aber niemanden wirklich interessiert.

Schaut man sich die Liste der Gerichte und Behörden in Deutschland an, die per Videokonferenz verhandeln können: https://justiz.de/verzeichnis/zwi_videokonferenz/videokonferenzanlagen.pdf;jsessionid=71E924684D7A44209482657D0AEA46EE (wir haben die Erfahrung gemacht, dass längst nicht alle das auch wollen), dann ist die Zahl erschreckend gering. Eine Ausnahme bilden einige Finanzgerichte, allen voran das in Münster, das schon kurz nach der Jahrtausendwende dank weitsichtiger Präsidenten dieses Thema energisch vorangetrieben hat, leider ohne große Akzeptanz bei den Finanzbehörden und leider auch  bei den Anwälten (die auch nicht als besonders technikaffin gelten, sondern lieber in den alten Strukturen verharren).

Die Technikfeindlichkeit zeigte sich auch an dem mittlerweile eingestellten EGVP, das seit Anfang 2000 als Vorläufer des beA lief. Dieses von der Idee her sinnvolle System war – typisch für solche Systeme (wie auch dass beA) – leider nicht intuitiv zu bedienen. Man musste sich in die Systematik, die nicht Anwender, sondern Techniker sicherlich sehr durchdacht ersonnen hatten, mühsam durcharbeiten. Der „Tod“ des Systems war dann die „Kapitulationserklärung“ des Finanzgerichts Münster vor wenigen Jahren in einer Pressemitteilung, dass Anwälte und Steuerberater bitte nicht mehr dieses System, sondern das gute alte Telefax nutzen sollten. Auch wenn man es belächelt, das Telefax ist simpel, intuitiv und: es kostet wenig Zeit und ist nicht störanfällig. Es braucht keine Datenleitungen, es reicht ein simpler Telefonanschluss.

Dennoch ist das Telefax nicht das Zukunftsmodell. Das wird die Videokonferenz sein und andere Systen, die es auch größeren Gruppen („Teams“) ermöglochen, gleichtzeitig zu kommunizieren. Das geht auch mit „Teams“, das Teil von Microsoft Office 365 ist. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass diese System eine Menge Zeit für Reisen sparen und die Teilnehmer sich zudem sehr diszipliniert verhalten. Das gilt auch für die Videokonferenz, vor der leider noch immer zuviele Menschen in der Justiz zurückschrecken.

Das wird sich jetzt sicher durch Corona ändern. Traurig, aber wahr.
ws

Neues Videokonferenzsystem der Anwalts-GmbH und des Notariates

Montag, 11. November 2019 15:58

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91010_WS schwarz weißFür unsere Kanzlei und das Notariat haben wir ein neues Videokonferenzsystem angeschafft. Ziel ist es, damit nicht nur die bald kommende Gründung von GmbHs per Videokonferenz für unsere Mandanten erledigen zu können, sondern auch, im anwaltlichen Bereich Fahrt- und Reisezeiten im Zusammenhang mit Rechtsstreiten vor den Gerichten zu reduzieren, letztlich auch im Interesse der Umwelt. Mit „Skype“ etc. ist es nicht getan. Die Gerichte fordern einen speziellen Standard. Leider haben wir bereits in der Vergangenheit bei einigen Gerichten die Erfahrung machen müssen, dass sie nicht bereit waren, per Videokonferenz zu verhandeln.

Das letzte negative Beispiel war das Landgericht Neuruppin, das es ablehnte, sich ein mobiles Videokonferenzsystem bei dem Brandenburgisches Oberlandesgericht zu leihen. Den Antrag, per Videokonferenz zu verhanden lehnte das LG Neuruppin ab. Es mutete uns zu, allein für An- und Abreise 10 Stunden auf uns zu nehmen.

Positiv erwähnen möchten wir das Finanzgericht in Münster, das seit vielen Jahren die Videokonferenz nutzt und damit offenbar gute Erfahrungen gemacht hat. Negativ dagegen fiel uns das Finanzgericht des Landes Sachsen- Anhalt in Dessau auf. Dieses Gericht verfügt nicht über eine Videokonferenzanlage und ließ uns – sinngemäß – in einer Verfügung des 4. Seantes wissen, wir müssten schon den Weg nach Dessau auf uns nehmen. Das bedeutet für unsere Mandantschaft und uns einen Zeitaufwand von 8 bis 10 Stunden alleine für An – und Abreise.

Hoffen wir, dass sich die Videokonferenz durchsetzen wird. Das Verhandeln per Videokonferenz sollte die Regel werden.

Wir stellen unser System interessierten Kollegen – gegen Entgelt – gerne zur Verfügung, um kostbare Zeit zu sparen.
ws

„Schutzwesten“ der Steuerfahnder – der Aufsatz von Feindt/Rettke: Steuergeheimnisgerechte Schutzwesten für Steuerfahnder in: DStR 2019, 1252

Dienstag, 18. Juni 2019 20:17

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91007 Linus fliege orange_1Sie kennen das vielleicht aus der Berichterstattung: fällt die Steuerfahndung bei Steuerpflichtigen ein, ist oft die Presse schnell zur Stelle (nur bei Herrn Zumwinkel waren sie schon vorher da!). Dann haben Sie sicher auch die Bilder von Personen im Kopf, die eine Weste mit der Aufschrift „Steuerfahndung“ tragen. Spätestens dann kommt die Assoziation, dass hier (auch) wegen einer Steuerstraftat ermittelt wird, und nicht nur das; Aussagen wie: „die kommen nicht ohne Grund“ oder: „wo Rauch ist, muss auch Feuer sein“ fallen dann; mit Steuerhinterziehern möchte niemand etwas zu tun haben, sie sind stigmatisiert. Dass auch für sie die Unschuldsvermutung gilt, tritt nicht selten in den Hintergrund.

Nicht nur der Fall Zumwinkel zeigt, dass es mit dem Steuergeheimnis nicht weit her ist. So erleben wir es, dass die Steuerfahndung Dritte um Auskünfte fragt, die sie ebenso gut bei dem Beschuldigten erhalten hätte. Hätte er sich geweigert, hätte sie noch immer die Dritten fagen können. Stellen Sie sich einmal vor, sie werden einer Steuerstraftat beschuldigt und ihre Kunden oder Lieferanten erhalten Post von der Steuerfahndung mit ein paar Fragen zur Geschäftsbeziehung zu Ihnen. Davon wäre niemand begeistert. Und jetzt setzen Sie mal auf den Stuhl eines Kunden oder Lieferanten. Dann verstehen Sie schnell, was so ein Schreiben auslösen kann und auch tatsächlich auslöst.

Hier wäre der Finger in die Wunde zu legen und hier wäre es an der Zeit, solches Verhalten am Maßstab des Steuergeheimnisses nach § 30 zu messen, statt sich mit Warnwesten mit dem Aufdruck „Steuerfahndung“ im Lichte des Steuergeheimnisses zu befassen.

Interessant ist der Aufsatz der beiden Staatsanwälte aber dennoch zu lesen. Ihr Ergebnis, ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis durch das Tragen der Westen mit dem Aufdruck „Steuerfahndung“ sei gerechtfertigl, weil es ja dem Ermittlungsverfahren diene, halte ich aber für zu kurz gesprungen. Hier wäre, weil das Offenbaren von Tatsachen, die dem Steuergeheimnis unterliegen, ein Grundrechtseingriff ist, doch zu prüfen, ob das Tragen der Westen denn noch verhältnismäßig ist.

Ermittlungen bei Dritten, die den Ruf und das Geschäft eines der Steuerstraftrat Beschuldigten empflindlich treffen oder gar zerstören können, halte ich so lange für unverhältnismäßig, wie man die Antworten auch über den Steuerpflichtigen selbst erhalten kann, auch wenn man ihn dazu die Kunden anschreiben lässt. Dabei kann das Schreiben durchaus den Passus enthalten, dass man die Antworten für die Finanzverwaltung bräuchte.

Auch hier wäre es gut, wenn die Verwaltung mit Augenmaß handelte.
ws

Bundsfinanzhof (Beschluss vom 29.3.2019, IX B 84/18): ein erheblicher Rechtsfehler bei Feststellung von Rechtstatsachen als Verfahrensmangel –

Freitag, 14. Juni 2019 13:38

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91007 Linus fliege orange_1Nach der Statistik des Bundesfinanzhofes für das Jahr 2018 waren die Steuerpflichtigen mit 46 % bei den Revisionsverfahren erfolgreich. Das ist eine beachtliche Quote. Deutlich schlechter dagegen sieht die Bilanz für die Steuerpflichtigen bei den sogenannten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aus. Hier waren im Jahr 2018 nur 12 Prozent der Steuerpflichtigen erfolgreich. Im Regelfall ist für die Steuerpflichtigen bei dem zuständigen Finanzgericht der Instanzenzug im Steuerrecht beendet. Um einem unterliegenden Steuerpflichtigen den Weg zum Bundesfinanzhof zu eröffnen, muss das Finanzgericht die Revision zulassen. Das geschieht aber nur recht selten. In diesen Fällen bleibt für Steuerpflichtige nur noch, sich mit der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde die Möglichkeit eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof zu eröffnen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist keine „kleine“ Revision. In diesem Verfahren prüft der Bundesfinanzhof nicht, ob das Urteil des Finanzgerichts richtig oder falsch war. Die Anforderungen an eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde sind sehr hoch. Der Bundesfinanzhof prüft in diesem Verfahren, soweit es für diesen Beitrag von Interesse ist, nur, ob die Entscheidung des Finanzgerichts auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (sog. error in procedendo).

Fehler bei der Rechtsanwendung dagegen (sog. error in iudicando) sind grundsätzlich keine Verfahrensfehler. Das bedeutet, das Urteil eines Finanzgerichts kann rechtlich falsch sein. Dennoch kann der Steuerpflichtige es mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg anfechten.

Daher ist es interessant, dass der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 29.03.2019 (IX B 84/18) entschieden hat, dass erhebliche Rechtsfehler bei der Feststellung von Rechtstatsachen einen Verfahrensmangel begründen können.

Im Streitfall ging es zivilrechtlich um die Frage, ob ein Mietverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden ist. Das Finanzgericht bejahte diese zivilrechtliche Frage, weil der Mieter eine an ihn gerichtete Kündigung des Wohnraumes „gegengezeichnet“ hatte. Diese von dem Finanzgericht vorgenommene Auslegung der Gegenzeichnung der Kündigung hielt der Bundesfinanzhof für nicht vertretbar. Damit konnte, so der Bundesfinanzhof, das Finanzgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mietverhältnis enden würde. Der Bundesfinanzhof verwies das Verfahren zurück an das Finanzgericht, das jetzt erneut zu entscheiden hat.

Der Bundesfinanzhof sah in seiner Entscheidung den Verfahrensmangel in der Tatsachenwürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wörtlich führt der BFH in seiner Entscheidung aus: „Das FG hat sich seine Überzeugung zu der Frage, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Überschusserzielungsabsicht vermietet hat, auf teilweise unzutreffender Grundlage gebildet. Im Rahmen einer indiziellen Tatsachenfeststellung (hier: Feststellung der Überschusserzielungsabsicht anhand von äußeren Anknüpfungstatsachen) muss das Gericht, wie bei allen tatsächlichen Schlussfolgerungen, von zutreffenden Tatsachen ausgehen. Es muss den Sachverhalt richtig erfassen. Das gilt grundsätzlich auch, soweit es um Rechtstatsachen und um die Beurteilung rechtlicher Vorfragen geht. Zu beachten ist allerdings, dass Rechtsanwendungsfehler grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen können. Dies muss grundsätzlich auch für die rechtsfehlerhafte Beurteilung zivilrechtlicher Vorfragen bei der Feststellung von rechtlich geprägten Indiztatsachen gelten, denn es ist erst recht nicht die Aufgabe des Bundesfinanzhofs (BFH), die Richtigkeit jeder zivilrechtlichen Vorbeurteilung einer revisionsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Etwas anderes gilt aber jedenfalls dann, wenn der Fehler so schwerwiegend erscheint, dass er das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttern würde, wenn er bestehen bliebe. Das ist insbesondere der Fall, wenn die vom FG eingenommene Rechtsposition als schlechthin unvertretbar und mit geltendem Recht nicht vereinbar anzusehen ist. Jedenfalls unter diesen engen Voraussetzungen überprüft und korrigiert der BFH im Rahmen der Verfahrenskontrolle bei der Tatsachenwürdigung auch eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG.“

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist zu begrüßen. Denn damit steigen die Chancen von Steuerpflichtigen, Urteile von Finanzgerichten mit der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich auch dann angreifen zu können, wenn dem Finanzgericht schwerwiegende Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen.
ws

neues Mandat: random coil vertritt GmbH in Norddeutschland im Zusammenhang mit Entschädigungen für Nachteile aus „Stromautobahn“ – Nord – Süd – Trasse (Hochspannungsfreileitung)

Donnerstag, 13. Juni 2019 15:40

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91007 Linus fliege orange_1Prof. Sturm hat den Auftrag erhalten, in Norddeutschland einen Mandanten im Rahmen von Entschädigungen für Nachteile aus einer Hochspannungsfreileitung zu vertreten und die Interessen wahrzunehmen. Wir werden auch hier den Mandanten, eine GmbH, und seine Interessen, bestmöglich vertreten. Prof. Sturm verfügt auf diesem Bereich aus anderen Verfahre bereits über eine gute Expertise.
ws

Urteil des BFH vom 04.04.2019: Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat für Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar

Donnerstag, 13. Juni 2019 15:32

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91007 Linus fliege orange_1Gute Nachrichten für Pendler: der Bundesfinanzhof hat am 04.04.2019 entschieden: Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat für eine im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzten Wohnung sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar sind.

Nach Auffassung des BFH sind nur die Kosten der Unterkunft, also die Miete, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG  auf den Höchstabzugsbetrag von 1.000 Euro begrenzt. Unter die Begrenbzung dagegen fallen nicht die Kosten für die Einrichtungsgegenstände und den Hausrat der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzten Wohnung. Diese Aufwendungen sind in vollem Umfang abzugsfähig.

FG Hamburg vom 12.06.2018 – gemeinsamer Konsum – auch im Luxusbereich – unterliegt nicht der Schenkungsteuer

Montag, 27. Mai 2019 18:19

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91007 Linus fliege orange_1Das Steuerrecht schlägt, nicht selten auch für Steuerrechtler, so manche Kapriole, die auf Personen, die mit der Materie nicht (haupt)beruflich zu tun haben, befremdlich wirkt. Das gilt auch für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Danach ist eine Schenkung eine freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Auf eine Bereicherungsabsicht kommt es steuerrechtlich nicht an. Als Schenkung in diesem Sinne gilt z.B.  auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt (§ 7 Abs. 8 ErbStG).

Das Finanzgericht Hamburg hatte mit Urteil vom 12.06.2018 – 3 K 77/17 – über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Kläger unternahm mit seiner Lebensgefährtin eine mehrmonatige Kreuzfahrt. Er übernahm nicht nur alle Kosten dieser Kreuzfahrt einschließlich der Unterbringung in einer luxuriösen Kabine, sondern auch die mit der Kreuzfahrt weiter verbundenen Kosten für Ausflüge usw. Das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt sah die von dem Kläger zugunsten seiner Lebensgefährtin übernommenen Beträge als Schenkung an. es meinte, die Lebensgefährtin sei auf Kosten ihres Partners bereichert. Es ermittelte die gesamten Kosten für die Kreuzfahrt (rund 500.000,00 EUR) und setzte die Hälfte der Gesamtkosten als Schenkung des Klägers an seine Lebensgefährtin an und setzte entsprechend Schenkungsteuer fest. Der Kläger vertrat dagegen die Auffassung, dass in der Einladung seiner Lebensgefährtin keine Schenkung liege.

Das Finanzgericht in Hamburg gab dem Kläger recht und der Klage gegen den Schenkungsteuerbescheid statt. Es bewertete den Sachverhalt als „gemeinsamen Konsum“, der nicht der Schenkungsteuerpflicht unterliege. Denn die mitgereiste Lebensgefährtin habe als Eingeladene keinen frei verfügbaren Anspruch gegen ihrem Lebensgefährten erlangt. Mangels ersparter Aufwendungen liege auch kein Verzicht des einladenden Lebensgefährten auf Wertausgleich zugunsten der Eingeladenen vor. Der Entscheidung des Finanzgerichts in Hamburg ist zuzustimmen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Finanzgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen, das beklagte Finanzamt hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision eingelegt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes kann mit Spannung erwartet werden.
ws

Die Eigentumsurkunde eines Pferdes – rechtliche Einordnung eines unter Reitern nicht selten überbewerteten Stück Papiers

Montag, 27. Mai 2019 18:18

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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookPferde sind Lebewesen. Zivilrechtlich sind für sie dennoch die Vorschriften für Sachen entsprechend anzuwenden, wobei die Vorschriften des Tierschutzes zu beachten sind (§ 90a BGB). Für jedes Pferd gibt es einen sogenannten Equidenpass. Der Equidenpass ist ein Identitätsdokument für Pferde, das zur Umsetzung der EU-Verordnung 504/2008 eingeführt wurde. Der Equidenpass wird auf Antrag des Eigentümers durch die Zuchtorganisation, bei der das betroffene Pferd eingetragen ist, ausgestellt. Bei nicht eingetragenen Turnierpferden ist in Deutschland die Deutsche Reiterliche Vereinigung für die Ausstellung zuständig, für alle übrigen Pferde erfolgt dies durch die Organisationen, die von der Veterinärverwaltung des Bundeslandes damit beauftragt wurde. 

Neben dem Equidenpass gibt es noch die sogenannte „Eigentumsurkunde“. Die Eigentumsurkunde wird von dem jeweiligen Zuchtverband ausgestellt. Angeblich soll es nur für rund die Hälfte der Pferde in Deutschland eine solche Eigentumsurkunde geben. Der Begriff “ Eigentumsurkunde“ legt vom Wortlaut her die Vermutung nahe, dass der Inhaber dieser Eigentumsurkunde auch der Eigentümer des Pferdes ist. Gerade aber das ist, wie sich schon aus dem Text der Eigentumsurkunde selbst ergibt, nicht der Fall. In den zugegebenermaßen recht klein links unten in der Eigentumsurkunde abgedruckten Erläuterungen heißt es wörtlich: „Die Eigentumsurkunde steht demjenigen zu, der auch Eigentümer des Pferdes i.s.d. BGB ist„. Das bedeutet: nicht der Inhaber der Eigentumsurkunde ist auch Eigentümer des Pferdes, sondern genau umgekehrt: Der Eigentümer des Pferdes hat das Recht darauf, die Eigentumsurkunde in Händen zu halten. Daraus folgt, dass wirksam Eigentum an einem Pferd übertragen werden kann, ohne dass dem neuen Eigentümer die Eigentumsurkunde übergeben wird.

Da die Eigentumsurkunde also für die Eigentumsverhältnisse an einem Pferd ohne rechtliche Relevanz ist, dürfte es auch keine besonders gute Idee sein, als Käufer zu versuchen, über §§ 433, 435, 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1 BGB von einem Kaufvertrag über ein Pferd mit der Begründung zurückzutreten, der Verkäufer habe dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgegeben. Denn wenn der Verkäufer dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgibt, dann begründet das keinen Sachmangel des Pferdes. Auch ein Rechtsmangel liegt nicht vor. Denn der Verkäufer ist ja nur verpflichtet, dem Käufer Besitz und Eigentum an dem Pferd zu verschaffen. Mit der Eigentumsurkunde kann der Verkäufer keine Rechte mehr an dem Pferd geltend machen, denn er ist ja nicht mehr der Eigentümer des Pferdes. Auch für den Fall, in dem sich der Verkäufer verpflichtet haben sollte, dem Käufer die Eigentumsurkunde zu übergeben, dürfte in der Weigerung des Verkäufers kein Rechtsmangel des Pferdes liegen. Vielmehr hat der Käufer gegen den Verkäufer einen Erfüllungsanspruch, gerichtet auf Herausgabe der Urkunde. Soweit sich die Urkunde nicht in den Händen des Verkäufers, sondern in den Händen eines Dritten befindet, kann der Käufer seinen Anspruch dadurch befriedigen, indem er sich den Anspruch des Verkäufers gegen den Dritten abtreten lässt.

Wollte man die Tatsache, dass der Verkäufer dem Käufer die Eigentumsurkunde nicht herausgibt, als Rechtsmangel ansehen, dann wäre m.E. jedenfalls der Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen, weil die Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Unerheblich wäre die Pflichtverletzung deshalb, weil der Käufer auch ohne die Eigentumsurkunde Eigentum an dem Pferd erworben hat, und weil dem Käufer ein Weiterverkauf des Pferdes auch ohne die Eigentumsurkunde möglich ist.

Geht eine Eigentumsurkunde verloren, kann gegen eine Gebühr von z.Zt. 200,00 EUR eine Zeitschrift ausgestellt werden.
ws