Vertrauen ist gut, (gute) Verträge sind besser – Geschichten aus dem wahren Leben – die junge Witwe, der Bierkönig, die Stiftung und die (nicht lege artis erfolgte?) Anfechtung
Das wahre Leben spielt sich nicht in der Welt der Juristen ab, sondern in der Welt ihrer Mandanten. Und die ist nicht so, wie Juristen das in ihrer Ausbildung gelernt haben. Wer das als Berater nicht verstanden hat, hat den Beruf verfehlt. Daher sind Rechtsanwälte gut beraten, das, was sie in der Ausbildung gelernt haben, nicht als Heiligtum, sondern als Werkzeugkasten („tool-kit“) zu betrachten, den es einzusetzen gilt, um die Mandate und die mit ihnen verbundenen häufig komplexen Probleme bestmöglich zu lösen.
Wer seinen Beruf so versteht und sich engagiert und ohne Rücksicht auf Zeiten mit den Problemen seiner Mandaten, auch mit denen, sich die bei der Bearbeitung erschließen und an die der Mandant gar nicht gedacht hat, befasst, der trifft immer häufiger auf ein „Geiz ist geil“ Phänomen. Die Bereitschaft, individuelle gute Lösungen besser zu bezahlen als den „Anzug von der Stange“, nimmt immer mehr ab. Das ist erstaunlich, weil für Produkte wie das iphone ohne mit der Wimper zu zucken sogar uangemessene Preise gezahlt werden.
Nehmen wir einmal als Beispiel die Patientenverfügung: die Bereitschaft, dafür einem Anwalt eine Vergütung zu zahlen, ist angesichts der Massen an „Mustern“ im Internet sehr gering. Eines aber ist sicher: das bloße Ausfüllen von Mustern und das Ankreuzen nach „mutliple choice“ ersetzen keine (wohlgemerkt) qualifizierte Beratung. Wenn der Anwalt aber auch nicht mehr macht, als das Muster mit Namen usw. zu versehen, ist die Einstellung, dafür kein nennenswertes Honorar zu zahlen, auch für uns verständlich.
Wenn aber der Mandant verstanden hat,dass die Patientenverfügung ein komplexes Instrument mit vielen Haken und Ösen, und zudem nur ein Baustein in einem ganzen Strauß von Regelungen ist, und dass er ohne eine gute Lösung anderen Menschen in Situationen, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bis hin zur Sicherheit eintreten werden, im schlimmsten Fall ausgeliefert ist, dann ändert sich die Situation und es wird schnell klar, welchen Wert gute Beratung hat.
Diese Erkenntnis gilt auch für den Fall des „Bierkönigs“ aus Frankfurt, Dessen junge Witwe ließ jetzt vom OLG Frankfurt am 15.06.2012 (7 U 221/11) feststellen, dass sie Alleinerin nach dem „Bierkönig“ geworden ist. Streitig war dies, weil die junge attraktive Witwe erst Erbin geworden war, nachdem der Erblasser einen Erbvertrag, nach dem eine Stiftung statt der Witwe Erbin geworden wäre, angefochten hatte.
Auch hier sieht man, dass gute Beratung teure Verfahren verhindern kann. In dem Fall des „Bierkönigs“ hatte nämlich die Stiftung Morgenluft „gewittert“, weil die notariell beurkundete Anfechtung des Erbvertrages, vereinfacht gesagt, nicht zu 100% lege artis war, und die Stiftung diesen „Hebel“ nutzen wollte, um die Witwe aus dem Rennen zu werfen.
Das Thema ist durch das OLG noch nicht rechtskräftig entschieden, der BGH wird das letzte Wort haben. Wir lernen daraus, dass gute Beratung extrem wichtig ist. Weil sie aber mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein bloßer „Standard“, ist ein dafür geschuldetes Honorar zwangsläufig höher. Gute Mandanten wissen und honorieren das. Sie erwarten aber zu Recht eine Top-Beratung.