Privilegierung der Anwälte im Auftrage der Mandanten ist kein Freibrief. Anwalt darf Anwalt nicht als „Lügner und Betrüger“ bezeichnen
Im Kampf um das Recht für ihre Mandanten sind Anwälte gegenüber ihren Parteien privilegiert. Sie dürfen in deutlich größerem Umfang mündlich und schriftlich Dinge „auf den Punkt“ bringen und auch „spitze“ Formulierungen wählen, ohne sich gleich strafbar zu machen. Das aber gibt kein Recht, sich wie eine „Wildsau“ aufzuführen und ist auch kein Freibrief, wie die Entscheidung des AnwGH Mecklenburg – Vorpommern vom 30.11.2012 (AGH 1/12 (I/I, NJW – Spezial 2013, 351) zeigt.
Was war geschehen? Ein Anwalt verfasste in einem Verfahren ein Schreiben an einen Kollegen mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr Kollege X., auf Ihren heutigen Zustellversuch von Anwalt zu Anwalt teile ich Ihnen mit, dass ich Sie, zumindest was den Zugang anwaltlicher Schreiben angeht, für einen Lügner und Betrüger halte. Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt lehne ich daher im Verhältnis zu Ihnen ab. Wenn Sie der Meinung sind, mir Schriftstücke zustellen zu müssen, bedienen Sie sich der Hilfe des Gerichtsvollziehers.“
Nach der Entscheidung des Anwaltsgerichts enthält diese Aussage sowohl beleidigende als auch wertende Elemente. Darin liegt zugleich die Feststellung eines strafbaren Verhaltens des Kollegen. Als Anwälte hätten wir aber gerne etwas mehr zu dem Hintergrund gewusst. So bleibt die Sache ein wenig „blutleer“. Es bleibt die Erkenntnis: Im Zweifel lieber Zurückhaltung üben. Sachargumente, pointiert, überzeugend, souverän und witzig vorgetragen, überzeugen häufig mehr als eine bloße Schimpfkanonade, die den Anwalt nur als Choleriker bloßstellt.
ws