Uli Hoeneß – die desaströse Leistung der Medien rund um die Berichterstattung, irritierende „Experten“ in talk – Runden: und die alte Wahrheit: „Beamte haben immer Recht“ feiert fröhliche Urständ
Sicher ist das Strafverfahren gegen Uli Hoeneß allein wegen der Prominenz des Angeklagten ein besonderes. Dabei dürfen aber alle, die sich zu Stellungnahmen berufen fühlen, bitte nicht vergessen, dass man den Angeklagten nicht auf der einen Seite als „normalen Menschen“ wie jeden anderen auch hinstellen darf, während man auf der anderen Seite mit Häme meint, ihn als Prominenten ganz besonders hart abstrafen zu müssen. Deutschland, Deine Ordnungshüter. Schreiben jetzt ganz besonders laut auch die, die bei der Kilometerpauschale „ein paar mehr Kilometer“ angeben? das sei nicht so schlimm wie das, was Hoeneß gemacht habe? Ach ja, Unrecht ist immer nur das, was andere machen,
Das Landgericht München ist für ein Urteil und das Recht im Falle des Angeklagten zuständig. Man kann dem Gericht nur wünschen, sich von der unglaublichen Berichterstattung nicht irritieren zu lassen. Das Gericht muss den Angeklagten, und das Gericht wird den Angeklagten, auch genauso wie jeden anderen, der die dem Angeklagten zur Last gelegte Taten begangen hätte, behandeln. Daran bestehen für uns angesichts des souveränen Auftretens des Gerichts jedenfalls derzeit keine Zweifel. Es ist zu bedauern, dass dieser Aspekt in den Medien fast völlig unerwähnt bleibt.
In was für einem Kontrast zu der bisher erkennbaren Leistung des Gerichts steht dagegen die völlig desaströse Leistung der Medien rund um die Berichterstattung über den Prozess. Man könnte meinen, ganz Deutschland habe kein anderes Problem, als das Verfahren gegen den Angeklagten zu verfolgen. Eine unglaubliche Sensationsgeilheit, die es nach unserer Einschätzung nur in Deutschland gibt, offenbart sich hier in erschreckender Weise.
In die gleiche Kategorie gehören die häufig irritierenden „Experten“ in den talk-Runden. Bei Markus Lanz versuchte ein Experte am 11. März 2014 gar, aus der Höhe der hinterzogenen Steuern durch einfache Multiplikation das in Rede stehende Vermögen zu ermitteln. Man muss von Steuerrecht nur ein ganz klein wenig verstehen, um zu wissen, dass bei der dem Angeklagten zur Last gelegten Steuerhinterziehung aus Spekulationsgeschäften ein Rückschluss von den hinterzogenen Steuern auf das Vermögen pauschal so gar nicht möglich ist. Wer beispielsweise mit einem Vermögen von 10.000,00 EUR hoch spekulative Anlagen betätigt, der kann aus diesem Vermögen ohne weiteres einen Gewinn von 300.000,00 EUR erzielen. Bei einem Steuersatz von 25 % ergibt das eine hinterzogene Steuer von 60.000,00 EUR. Die von dem „Experten“ bei Lanz ungerührt vorgenommene Hochrechnung von der Steuer auf das Vermögen ergebe dann zwar wieder die 300.000,00 EUR. Dieser Betrag ist aber von dem eingesetzten Vermögen von 10.000,00 EUR meilenweit entfernt.
Eine eben solche Milchmädchenrechnung wäre es, jetzt anzunehmen, dass der eben genannte Betrag von 300.000,00 EUR ja doch das Vermögen (+ 10.000,00 EUR) sei. Denn bei dieser Betrachtung unterstellt man, dass es nur dieses einzige Spekulationsgeschäft gegeben hätte. Angesichts der vielen Abertausenden Blatt Papier, die die Steuerfahndung in Rekordzeit rechtssicher ausgewertet haben will, ist aber offensichtlich, dass wir es hier mit weit mehr als nur einem Spekulationsgeschäft zu tun haben. Und dabei haben wir noch nicht einmal berücksichtigt, dass Spekulationen ja auch mal (nicht selten) zu massiven Verlusten führen. All das erfährt man nicht, stattdessen immer neue Zahlen.
Selbst die erfahrene Prozessbeobachterin Gisela Friedrichs vom Spiegel räumt ein, von Steuerrecht keine Ahnung zu haben. Ich frage mich dann aber ernsthaft, wie Frau Friedrichs den Anspruch hat, das Verfahren gegen den Angeklagten in einem Steuerstrafverfahren „als Expertin“ kommentieren zu dürfen, obwohl sie von dem Straftatbestand, der den Angeklagten vorgeworfen wird (ein steuerrechtliches Delikt) keine Ahnung hat.
Ebenso interessant wie amüsant empfinde ich es, dass Aussagen von Finanzbeamten vor Gericht praktisch schon „kraft Amtes“ als richtig gewertet werden. Der kundige Thebaner hingegen fragt sich zu Recht, wie es selbst einem Team hervorragend ausgebildeter Finanzbeamter möglich sein sollte, auch mit Hilfe technischer Unterstützung, die zudem angeblich völlig ungeordnete Masse an zehntausenden von Belegen so hinreichend rechtssicher aufzuarbeiten, dass man daraus einschließlich sämtlicher ärztlicher Verlustvor-und Verlustrückschläge als Zeugin vor einem Strafgericht mit absoluter Sicherheit behaupten kann, das vorgestellte Ergebnis sei noch der „best case“. Ich halte das für aberwitzig.
Wer häufiger mit Betriebsprüfern und Steuerfahnder zu tun hat, dem ist gut bekannt, dass diese Finanzbeamten – auf das Mehrergebnis zielend, weil daran gemessen – nicht selten in ihre Prüfungsberichte Zahlen aufnehmen, die zu geradezu astronomischen Mehrsteuern führen (sollen), einer gründlichen Prüfung dann aber häufig nicht standhalten, und wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Es sollte nicht wundern, wenn auch die vor dem Landgericht München von den Beamten vorgetragenen Zahlen einer gründlichen und näheren Prüfung nicht standhalten.
Ebenso schockiert bin ich darüber, wie sogenannte und auch selbst ernannte Experten meinen, sich über die (angeblich nicht) vorhandene oder angeblich schlechte Strategie der Verteidigung auslassen oder darüber spekulieren. Wie kann man sich, ohne die Sache anhand der Akten beurteilen zu können, erdreisten, als Experte dazu einen Kommentar abgeben zu dürfen. Das ist nach meinem Verständnis ein absoluter Blindflug. Oder spricht da der Neid, das Mandat nicht ergattert zu haben?
Jeder, der einmal eine Selbstanzeige im Zusammenhang mit nicht erklärten Einkünften aus Spekulationsgewinnen erstellt hat, der weiß, wie komplex dieses Thema werden kann. Dem Rechtsinstitut der Selbstanzeige liegt offensichtlich ein deutlich einfacheres Steuerrecht zu Grunde. Es bestand die Idee, nicht erklärte Einkünfte zu offenbaren, und die Steuern nachzuzahlen, um Straffreiheit zu erlangen. Die seit vielen Jahren bestehende Rechtswirklichkeit, dass das Steuerrecht für viele, die es beachten sollen, und auch für Experten, nicht mehr nachvollziehbar ist, ist an dem Rechtsinstitut der Selbstanzeige völlig vorbeigegangen.
Den Politikern, die zur Zeit selbst unter starkem Beschuss stehen, kommt die Anklage gegen Herrn Hoeneß natürlich sehr gelegen. Warum diese Mitmenschen sich dann aber nicht einfach darüber freuen, selbst aus der Schusslinie geraten zu sein, sondern, wie Herr Thomas Oppermann, noch kluge Ratschläge erteilen, veranlasst schon zum Fremdschämen und wirft die Frage auf, ob solche Menschen sich selbst überhaupt noch wahrnehmen.
Man kann nur sagen: „sic tacuisses, ….“
ws