Sportwagen – hier der Marke Porsche – und Richter; zwei Welten treffen aufeinander? OLG Hamm vom 18.03.2014

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Ja, so ein Sportwagen ist schon etwas feines. Seltsamerweise haben die Fahrer dieser Autos, obwohl sie häufig nicht so teuer sind wie eine S-Klasse oder ein BMW der 7er Reihe, mit allerlei Vorurteilen zu kämpfen. Oft ist es aber im Kern nur das, was die Deutschen am meisten bewegt: der pure Neid. Porsche fahrende Anwälte gibt es hin und wieder, entweder ganz offen (dann beneidet), oder aber aber verschämt und versteckt (dann eher belächelt). Richter habe ich in so einem Gefährt noch nie gesehen. Das mag aber auch daran liegen, dass Richter zu Zeiten unterwegs sind, zu denen ich noch arbeite. Vielleicht erklärt dieser Befund (Neid als Triebfeder menschlichen Handelns) ja auch das hier besprochene Urteil des OLG Hamm vom 18.03.2014. Den weiter unten stehenden Text haben wir der Pressemitteilung des OLG Hamm entnommen. An der Mitteilung fällt zunächst auf, wie freudlos das Urteil klingt. Ja, begeistert sich denn im OLG Hamm niemand für Sportwagen? Hat die Befassung mit den Akten dazu geführt, ganz banale Freuden nicht teilen zu können?

An der Mitteilung des OLG fällt weiter auf, dass die im Tatbestand des Urteils beschriebenen und gerügten Mängel vom Gericht als sportwagentypisch eingestuft werden. Das hat mich dann aber doch verblüfft. Als ob ein Sportwagen eine zickige Karre wäre, die ruhig „ruckartig“ beschleunigen und „stotternd“ bremsen dürfte. Das lässt tief in die Vorstellungswelt der Richterbank blicken. Glauben die Richter ernsthaft, dass diese Zicken das sind, was einen Sportwagen von einem „normalen“ Wagen abhebt? Bloße Ruppigkeit? Ich bin da doch erstaunt. Leider erklärt uns das erkennende Gericht auch nicht, warum diese „Zicken“ zur Sollbeschaffenheit eines Sportwagens gehören sollen.

Interessant ist auch, dass es im Streitfall „nur“ um einen Boxster, also eigentlich gar keinen richtigen Porsche, geht. Dann dürften „richtige“ Porsches also in der Logik des OLG Hamm noch „zickiger“ fahren dürfen, ohne dass dies ein Mangel wäre? Die Realität sieht hier doch ganz anders aus: die „alten“ Porsche waren wirklich zickig; zuviel Gas in der Kurve, zack, war man raus aus dem Rennen,  runter von der Bahn und drin im Graben; heute dagegen: ein Sportwagengefühl stellt sich bei den neuen Modellen eigentlich nur ein, wenn man das Grundmodell ein wenig modifiziert. Alles andere ist – Entschuldigung – auch von schwächeren Personen wie Büromenschen beherrschbar.

Zur Ehrenrettung der Richterbank lässt sich aber ins Feld führen, dass das Gericht nicht aus eigener Sachkunde zu dem gefundenen Ergebnis gelangt ist. Diese Aufgabe hat es einem Sachverständigen überlassen. Für die Firma Porsche ist das Urteil keine gute Werbung: eine „rupfende“ Kupplung und ein beim Bremsen „stotterndes“ Auto will zu high-tech genausowenig passen wie Felix Magath zu Schalke. Ich werde mal einen Brief an Porsche schreiben. Der nächste Deutsche Richtertag wäre doch das richtige Forum, um Richtern die Autos dieses Unternehmens etwas näherzubringen, oder passt das nicht zu dem kundenorientierten Ansatz von Porsche?

Hier der Text der Pressemitteilung des OLG Hamm zu dem besprochenen Urteil:

„Spürbares Schalten und Bremsen ist beim Porsche 981 Boxter S kein Mangel
Ein durch die Fahrzeugtechnik bedingtes, für den Fahrer spürbares Schalten und Bremsen ist beim Porsche 981 Boxter S kein Fahrzeugmangel, der zum
Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.03.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen bestätigt.
Über ihren Geschäftsführer leaste die in Dorsten ansässige klagende Firma im Juni 2012 beim beklagten Autohaus in Essen einen neuen Porsche 981 Boxter S. Das Fahrzeug hatte einen Verkaufswert von ca. 76.000 Euro und war mit einem 315 PS Mittelmotor und einem automatisch schaltenden Doppelkupplungsgetriebe
ausgestattet. In der Folgezeit beanstandete der Geschäftsführer der Klägerin, dass das Fahrzeug ruckhaft beschleunige und stotternd abbremse. Nachdem Überprüfungen aus Sicht der Beklagten weder einen technischen Fehler noch zu optimierende Einstellungen ergeben hatten, verlangte die Klägerin die Rückabwicklung des Erwerbsvertrages. Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Nach sachverständiger Begutachtung des Fahrzeugs konnte der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm keinen Fahrzeugmangel feststellen, der die Klägerin zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt hätte. Der Porsche weise die Beschaffenheit auf, die bei Fahrzeugen gleicher Art üblich sei und die ein Käufer erwarten könne. Das von der Klägerin als ruckhaft monierte Bremsverhalten des Fahrzeugs beruhe darauf, dass das automatische Getriebe des Sportwagens beim Bremsen zurückschalte und zwischen den Gangstufen selbstständig Zwischengas gebe. Diese für den Fahrer spürbaren Schaltvorgänge stellten keinen technischen Fehler dar. Sie seien vom Hersteller gewollt und dem propagierten dynamisch-sportlichen Anspruch an seine Sportwagen geschuldet. Das von der Klägerin gerügte Schaltverhalten des Fahrzeugs beruhe auf technisch nicht zu beanstandenden, typischen Besonderheiten eines Porsche Boxter S. Der Kraftstoffersparnis diene, dass die Getriebesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen Motor und Getriebe trenne. Das sei eine herstellerseitig gezielt programmierte sog. Segelfunktion. Zu der für einen Porsche dieser Art typischen Schaltcharakteristik gehöre auch das beanstandete Zurückschalten bei moderatem Gasgeben, mit dem eine unmittelbare Beschleunigung ermöglicht werde. Der Beklagten sei auch nicht vorzuhalten, dass sie im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht auf die Besonderheiten des Schalt- und Bremsverhaltens hingewiesen habe. Dieses Fahrverhalten habe die Beklagte nicht unzutreffend beworben. Dem zu Grunde liegenden Prospektmaterial sei vielmehr zu entnehmen, dass das Fahrzeug „straffe und unmittelbare“ Schaltvorgänge zeige, was die Auswirkungen der Zwischengasfunktion und des Segelmodus beschreibe. Im Übrigen stellten die von der Klägerin beanstandeten Fahrweisen keine negative Eigenschaft des Fahrzeugs dar, sie würden von Erwerbsinteressenten unterschiedlich wahrgenommen und nicht generell als Nachteil bewertet.
Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.03.2014 (28 U 162/13)“

ws

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