BGH vom 18.03.2015 – VIII ZR 176/14 – Überraschendes zu den Anforderungen der Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB – hier beim Pferdekauf
In seinem Urteil vom 18.03.2015 präzisiert der BGH gegen die Vorinstanzen die Anforderungen an eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB. Dies fordert zu einer kritischen Betrachtung heraus.
Worum ging es? Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 3. Mai 2011 für 15.000 € einen Fuchswallach. Mit Anwaltsschreiben vom 2. August 2012 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer unheilbaren „Kissing Spines„-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei.
Die Klägerin begehrte Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von bezifferten Aufwendungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren mängelbedingten Aufwendungen zu erstatten. Ferner verlangt sie die Feststellung des Annahmeverzuges sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Es fehle für den Rücktritt an der nach § 323 Abs. 1 BGB notwendigen Fristsetzung. Der BGH sieht das anders. Nach Auffassung des BGH genügt ein Verlangen zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Ab. 1 . 1BGB vor einem Rücktritt vom Kaufvertrag den zu stellenden inhaltlichen Anforderungen, wenn darin lediglich die Aufforderung enthalten ist, das Pferd auszutauschen, mit der Ankündigung, anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen. Einer ausdrückliche Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf es nach Auffassung des BGH nicht. Es soll nach dem BGH ausreichen, wenn der Käufer durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Verkäufer für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht.
Das Urteil mag in dem vom BGH entschiedenen Fall richtig sein. Denn nach 5 Abs. 5 des Kaufvertrages hatten die Parteien, wie aus dem Urteil am Ende zu lesen ist, ausdrücklich eine Nachbesserung durch Lieferung eines vergleichbaren Pferdes vereinbart. In einer solchen Konstellation ist eine Nacherfüllung möglich. In anderen Fällen, in denen die Parteien dazu nichts vereinbart haben, wäre die Entscheidung des BGH falsch gewesen. Denn nach dem mitgeteilten Sachverhalt war das Pferd unheilbar krank. Und bei einer unheilbaren Krankheit ist eine Nacherfüllung im Sinne der Beseitigung des Mangels ausgeschlossen. Denn ein unheilbar krankes Pferd kann niemand heilen, der Sachmangel ist also nicht behebbar.
Der Verkäufer kann den Käufer in einem solchen Fall – jedenfalls ohne ausdrückliche Vereinbarung – auch nicht auf die Möglichkeit der Lieferung eines vergleichbaren Pferdes als Nacherfüllung verweisen. Denn nicht dem Verkäufer, sondern dem Käufer steht das Recht zu, die Art der Nacherfüllung zu wählen: entweder Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 BGB). Möchte der Käufer aber keine (andere) Sache als Nacherfüllung, bleibt nur die die Beseitigung des Mangels. Die aber ist bei einer unheilbaren Krankheit ausgeschlossen, weil objektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).
Wenn aber dem Verkäufer die Leistung unmöglich ist, wäre er selbst bei einer – ersichtlich sinnlosen – Aufforderung durch den Käufer dazu nicht verpflichtet, denn er ist davon nach § 275 Abs. 1 BGB befreit. Entsprechend dazu bedarf es in einer solchen Konstellation auch nicht der Aufforderung an den Verkäufer, den Mangel zu beseitigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Eine solche Aufforderung wäre offenbar sinnlos.
In allen anderen Fällen dagegen ist dem Käufer eine Aufforderung zur Nacherfüllung dringend zu empfehlen.
Aber auch der Auffassung des BGH, einer ausdrücklichen Fristsetzung habe es im Streitfall nicht bedurft, vermag ich mich nicht anzuschließen. Denn der Schuldner der Nacherfüllung muss wissen, woran er ist. Das aber ist nur der Fall, wenn der Gläubiger ihm sagt, bis zu welchem Zeitpunkt er eine Nacherfüllung akzeptiert. Das ist der Sinn der Fristsetzung. Ohne Kenntnis dieses Zeitpunktes ist der Schuldner schutzlos. Das zeigt sich gerade in dem vom BGH entschiedenen Fall. Zwar kann der Schuldner das unheilbare Pferd selbst bei großzügigster Frist nicht heilen. Er hätte aber, was die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dem Käufer ein vergleichbares Pferd liefern können. Dazu hätte der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen müssen. Erst nach Ablauf dieser Frist hätte er von dem Vertrag zurücktreten können. Es bleibt abzuwarten, ob die Auffassung des BGH Bestand haben wird.
ws