Von 09:20 Steuerrecht

Vorsicht Falle: die 10-jährige Spekulationsfrist nach § 23 EStG – Keine Bindung, keine Steuer

In seinem Urteil vom 25. März 2021 (IX R 10/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass es für die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entscheidend darauf ankommt, wann die Parteien rechtlich gebunden sind. Der bloße Abschluss eines notariellen Kaufvertrags reicht nicht aus, wenn die rechtliche Bindungswirkung, z.B. aufgrund fehlender Vertretungsmacht nicht oder erst später, nach Ablauf der Frist von 10 Jahren, eintritt.

In dem Urteilsfall kauften Eheleute im Jahr 2002 eine Eigentumswohnung, die sie vermieteten. Die Anschaffung erfolgte, indem sie am 20.12.2002 ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb der Wohnung abgaben. Dieses Angebot nahm der Verkäufer am 07.01.2003 an.

Mit Kaufvertrag vom 27.12.2012 verkauften die Kläger die Wohnung, die in einem Sanierungsgebiet (§ 142 BauGB) lag. Die für die Eigentumsumschreibung notwendige  sanierungsrechtliche Genehmigung erteilte die Behörde am 05.02.2013.

Aus dem Verkauf erzielten die Steuerpflichtigen einen Überschuss von rund 200.000 EUR. Das Finanzamt erfasste den Überschuss als Einkünfte aus § 23 EStG (“Spekulationsgeschäft”). Maßgebend seien die geschlossenen Verträge über die Anschaffung einerseits und über den Verkauf der Wohnung andererseits. Die Anschaffung sei erst mit der Annahme des Angebots durch den Verkäufer am 07.01.2003 erfolgt. Der Verkauf der Wohnung sei dagegen bereits mit Abschluss des Kaufvertrages am 27.12.2012 und damit innerhalb der Spekulationfrist von 10 Jahren erfolgt. Die spätere Genehmigung durch die Behörde am 05.02.2013 läge zwar außerhalb der 10 Jahres-Frist, sie wirke aber auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zurück.

Einspruch und Klage der Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid für 2012 blieben erfolglos.

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts. Maßgebend sei, wann ein beiderseits bindender Vertragsschluss vorgelegen habe. Das sei mit dem Kaufvertrag vom 27.12.2012 der Fall gewesen. Sowohl Verkäufer als auch Käufer seien an die von ihnen an dem Tag abgegebenen Erklärungen gebunden gewesen. Sie hätten sich bis zur Erteilung der Genehmigung durch die Behörde von dem Vertrag nicht mehr lösen können.

Für den Bundesfinanzhof war nicht entscheidend, ob die Genehmigung steuerlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, 27.12.2012, zurückgewirkt hat. Denn die bindende Veräußerung habe schon bei Abschluss des Kaufvertrages am 27.12.2012 und damit innerhalb der Zehnjahresfrist vorgelegen. Ein für die Kläger ebenso bitteres wie teures Ergebnis, das bei einen nur geringfügig später geschlossenen Kaufvertrtag einfach hätte vermieden werden können.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Verkäufer oder Käufer schon innerhalb der steuerschädlichen Zehnjahresfrist eine bindende Vereinbarung haben, den Spekulationsgewinn aber gerne vermeiden möchten. Denn was ist, wenn die andere Partei es sich anders überlegt und abspringt?

Schließen die Parteien jetzt einen beide Seiten bindenden Vertrag, ohne dass mehr als zehn Jahre seit dem Abschluss des Anschaffungsvertrages vergangen sind, sind sie in die Steuerfalle getappt. Es liegt ein zu versteuernder Spekulationsgewinn vor.

Wie lässt sich diese missliche Situation vermeiden?

Dazu gibt es mindestens zwei Lösungen: Entweder splittet man den Kaufvertrag in Angebot und Annahme auf, oder aber der Kaufvertrag wird von einer der beiden Seiten, Verkäufer oder Käufer, von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossen.

Das den Verkäufer oder Käufer bindende Angebot gibt der anderen Vertragspartei die Sicherheit, dass sie den Kaufvertrag durch einseitige Erklärung wirksam werden lassen kann. Der durch das Angebot gebundene Vertragsteil kann nicht mehr „ausbüxen“. Wichtig: die Annahmeerklärung muss außerhalb der Zehnjahresfrist abgegeben werden.

Das Gleiche gilt bei Abschluss eines Kaufvertrages durch mindestens einen vollmachtlosen Vertreter. Der Abschluss eines solchen Kaufvertrages kann in dem Zeitraum von zehn Jahren liegen. Denn eine Bindungswirkung liegt mangels Genehmigung nicht vor. Der Kaufvertrag wird erst durch die Genehmigungserklärung für beide Seiten bindend. Dass die Genehmigungserklärung zivilrechtlich Rückwirkung hat, ist steuerlich nicht relevant.

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz: Bei Grundstücksgeschäften, die nahe an der Zehnjahresgrenze liegen, ist auf die rechtliche Wirksamkeit und Bindungswirkung der Vertragsparteien zu achten. Notare und Steuerberater sind gut beraten, diese Themen sorgfältig zu prüfen, um unangenehme Folgen zu vermeiden.

Last modified: 7. Mai 2025

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