Archiv für die Kategorie 'Staat und Politik'

Anwaltsgericht Köln entscheidet kurz vor dem 11.11.2014 (11:11 Uhr) zum Thema Beleidigungen von Richtern durch einen Anwalt mit bemerkenswerter Begründung

Sonntag, 01. März 2015
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Das Anwaltsgericht Köln entschied am 06.11.2014, dass die Verwendung des Begriffs „Schweinesystem“ von einem Anwalt für die Richter der Verwaltungsgerichte keinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot darstellt, wenn er in Anführungszeichen gesetzt ist. Dagegen ist die Äußerung eines Rechtsanwalts, dass die zuständige Richterin am Verwaltungsgericht eine staatstragende Art derart internalisiert habe, dass sie wahrscheinlich gar nicht verstünde, wie sie auch anders hätte entscheiden können, eine gegen die Richterin gerichtete Beleidigung (AnwG Köln, Beschluss vom 06.11.2014 – 10 EV 255/11.

Was war passiert? Nach dem Beschluss hatte ein Rechtsanwalt einen Mandanten in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten, das in der Sache übereinstimmend für erledigt erklärt worden war. Die Kostenentscheidung des Gerichts fiel aber zu Lasten des Mandanten aus. Der Rechtsanwalt teilte seinem Mandanten mit Schreiben v. 6.6.2010 mit, gegen die Kostenentscheidung seien keine weiteren Rechtsmittel gegeben. Dieses Schreiben leitete er in Kopie auch dem Verwaltungsgericht Köln zu. ln dem Schreiben heißt es u.a.:

„Die Verwaltungsgerichte fungieren als „Abnickverein“ für die Entscheidungen der Verwaltung. Die Richterschaft dieses Gerichtszweiges wird gezielt so ausgewählt, dass nur die staatstragendsten Juristen ins Verwaltungsrichteramt gelangen, was zielgerichtete Methode ist: Die Exekutive entscheidet schließlich, wer zum Richter ernannt wird – und wer nicht. …
Die Richterin hat diese Art, „staatstragend“ zu sein, offenbar aber so sehr internalisiert, dass sie wahrscheinlich schon gar nicht verstehen würde, wie sie auch anders hätte entscheiden können.“
Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Zur Abhilfe weiß ich allerdings auch nicht, was ich Ihnen empfehle könnte. Wahrscheinlich bleibt nur, beiden kommenden Wahlen eine extremistische Partei zu wählen, die mit dem „Schweinesystem“ insoweit aufzuräumen bereit ist.“

Das Anwaltsgericht entschied, wie erwähnt. Nach dem Beschluss waren die Äußerungen, soweit strafrechtlich nicht relevant, zwar von der Meinungsfreihiet gedeckt. Gleichwohl waren die Äußerungen nach Auffassung der Anwaltsgerichts kein guter und einem Anwalt nicht angemessener Ton.
ws

Kampf der EU-Kommission gegen „aggressive Steuerplanung“: Steine statt Brot

Montag, 23. Februar 2015
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Bildergebnis für paragraphen steuern

„Die EU-Finanzminister kommen im Kampf gegen die Steuervermeidung von Unternehmen und aggressive Steuerplanung voran: Der Rat hat am 9. Dezember 2014 seine politische Unterstützung für die Missbrauchsklausel in der Mutter-Tochter-Richtlinie und den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU gegeben.“ Ich begrüße die beiden bahnbrechenden Entscheidungen“, sagte Pierre Moscovici, […]
„Die aktuellen Ereignisse erfordern, dass wir unsere Anstrengungen gegen Unternehmenssteuervermeidung und aggressive Steuerplanung an allen Fronten verstärken müssen“, sagte Moscovici weiter. „Wir sind entschlossen, diese Agenda so schnell wie möglich durchzusetzen. Zu diesem Zweck bekräftigen wir unsere Zusage, den automatischen Informationsaustausch zu erweitern um Steuerentscheidungen zu ermöglichen. Ein Gesetzgebungsvorschlag wird Anfang 2015 vorgelegt.“ […]

Die EU-Kommission stellt – medienwirksam – zum aktuellen Zeitpunkt fest, dass sie in Zukunft einen Gesetzgebungsvorgang anstoßen wird, um einen Informationsaustausch hinsichtlich des Kampfes gegen eine aggressive Steuerplanung von Unternehmen zu ermöglichen.

Diese Pressemitteilung darf nun nicht dahingehend gedeutet werden, dass die aggressive Steuervermeidung durch Dachgesellschaften in Staaten wie Luxemburg oder Irland in naher Zukunft unmöglich gemacht wird.  Diese Pressemitteilung soll die EU im Kampf gegen diese Steuervermeidungstaktiken glaubwürdig erscheinen lassen, wo doch ausgerechnet der – hier maßgeblich beteiligte- ehemalige Finanzminister Luxemburgs Jean-Claude  Juncker  in der Vergangenheit Steuerabkommen zwischen Luxemburg und Großkonzernen vereinbarte und diese aggressive Steuerpolitik erst möglich machte.

Es bleibt abzuwarten, ob die Steuerpolitik Luxemburgs von der EU ordnungsgemäß aufgeklärt, und wie sich Herr Juncker zu den Steuerabkommen der Vergangenheit bekennen wird.

(EU-Kommission, Pressemitteilung vom 09.12.2014 /ws/ng)

 

Junge Juristen wollen härtere Strafen

Freitag, 23. Januar 2015
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Aus einem Onlineartikel der Legal Tribune ONLINE vom 14.10.2014:

Sollen Sexualdelikte und Morde härter bestraft werden? Dazu gibt es in der Legal Tribune Online einen interessanten Artikel.

Knapp ein Drittel der Jurastudenten scheint hier tatsächlich die Todesstrafe als angemessen anzusehen. Diese und weitere Ansichten gehen aus einer interessanten Studie des Strafrechtsprofessors Franz Streng hervor.

Seit 1989 befragt dieser regelmäßig die Besucher seiner Vorlesung mittels eines anonymisierten Fragebogens nach deren Empfindungen zu einem angemessenen Strafmaß. Das Ergebnis dieser Befragung hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Zu Beginn der Befragung forderten die Studenten für das Fallbeispiel „Totschlag im Affekt im Rahmen einer Trennung“ eine Haft von 6 Jahren, im Jahr 2012 bereits 9,5 Jahre.

Noch überraschender ist die Haltung der Studenten zur Todesstrafe. Hier hat sich die Anzahl der Befürworter nahezu verdreifacht. Während sich in einer Studie im Jahre 1977 nur 11,5 Prozent für die Todesstrafe aussprachen, sahen im Jahr 2012 bereits etwa ein Drittel der Befragten die lebenslange Freiheitsstrafe nicht als ausreichend an.

Ebenfalls befürworteten fast 30% der Studenten den Einsatz von Folter unter bestimmten Voraussetzungen. Die Ergebnisse der Studie stehen dabei im krassen Kontrast zur (statistisch) gesunkenen Kriminalität in Deutschland. Das Sicherheitsempfinden der befragten Studenten hatte sich ebenfalls verbessert. Ein gewisses Unwohlsein des Autors der Studie bezüglich der Einstellung unserer zukünftigen Richter und Staatsanwälte lässt sich nicht überlesen.

ws/ng

Das EU-Sparbuch der Kommission als Bauernfängerei? So werden die EU – Anleihen finanziert? ein Schelm, wer böses dabei denkt

Samstag, 10. Mai 2014
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Egal, zu welcher Bank wir unser Geld bringen, der Zug der „hohen Zinsen“ ist schon lange abgefahren. In vielen Sparbüchern für „normale Bürger“ findet man einen Zinssatz von weniger als 1 %. Die EU-Kommission will das ändern: Sparen soll sich wieder lohnen. Ein europäisches Sparbuch soll es möglich machen. Das sogenannte „blaue Sparbuch“ wird durch Anreize wie Steuererleichterungen und staatlich garantierte Renditen angepriesen. Neben dem Spareffekt soll das öffentlich geförderte europäische Sparbuch den Klein- und Mittelständlern die Finanzierung ihrer Unternehmen erleichtern. Diese sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise häufig in Schwierigkeiten. Auch der Ausbau der Infrastruktur soll durch die Spareinlagen gefördert werden. Das gesammelte Geld könnte so zum Beispiel Großprojekte wie Straßen, Krankenhäuser oder Sozialwohnungen  innerhalb der EU finanzieren. Das direkte Vorbild des „blauen Sparbuchs“ ist das französische Livret A. Dieses garantiert eine staatlich fixierte Rendite und die Zinserträge sind bis zu einer bestimmten Anlagesumme steuerfrei. Das Ersparte geht an französische staatliche Sparkassen, die damit kleine Firmen oder staatliche Projekte fördern. Wie genau das europäische Sparbuch ausgestaltet wird, steht noch nicht fest. Bis zum Jahresende soll aber ein Gesetzesvorschlag der EU-Behörde eingereicht werden. Die Zustimmung der EU-Staaten und des Europaparlaments zu bekommen dürfte dann weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen. Eine schnelle Einführung kann und wird es somit nicht geben.

Dennoch stellen sich die Bankenverbände schon mal auf die Barrikaden. Sie sehen in dem Sparbuch eine Bedrohung ihres eigenen Geschäftes. Angst haben die Banken in erster Linie, weil sie fürchten, selbst weniger Geld zur Verfügung zu haben. Betont wird von den deutschen Banken und Sparkassen, dass es in Deutschland keine Probleme bei der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen gebe. Die kleineren Unternehmen werden nicht erwähnt. Ein weiteres Argument gegen das Sparbuch seitens der Banken ist, dass sie fürchten, Ersparnisse werden zu staatlich festgesetzten oder garantierten Zinsen nach Brüssel umgelenkt. Für ein Sparguthaben für europaweite Innovations-Finanzierung, wie die EU-Kommission es vorsieht, zeigen sie wenig Verständnis.

Vorsicht Falle? Das europäische Sparbuch trägt doch einen bittersüßen Beigeschmack von umbenannten Staatsanleihen auf EU-Ebene. Was wäre zum Beispiel, wenn ein EU-Mitgliedsstaat dringend eine „Finanzspritze“ benötigt – einfach, wenn Geld „auf den Sparkonten“ liegt? Wann und in welcher Höhe muss es zurück bezahlt werden? Gehen Bürger damit wohlmöglich ein unberechenbares Risiko ein? Wir sind gespannt auf die Details der EU-Behörden zu em Sparbuch.

ws/jb

Deutschland, eine Banannerepublik? nicht perfekt, aber ein Fortschritt – Die Reform der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung

Samstag, 15. März 2014
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Das Thema Hoeneß ist medial verbraucht, jetzt kommt ein neues dran. Bisher stand Deutschland international zum Teil heftig  in der Kritik, weil die Bestechung von Abgeordneten nur unzulänglich im Sinne strafrehtlicher Sanktionierung geregelt war. Das verwundert, weil die Abgeordneten immer flott dabei sind, wenn es darum geht, im Übrigen das Strafrecht zu verschärfen. Die Umsetzung der jetzt unterzeichneten UN-Konvention in nationales Recht erfolgte bisher nicht, es liegt jetzt aber ein Entwurf der großen Koalition vor, den der Ausschuss von Recht und Verbraucherschutz einstimmig angenommen hat.

Was ist jetzt neu? Bei Abstimmungen und Wahlen im Plenum und in den Ausschüssen wurde bisher lediglich der Stimmenkauf- und Verkauf geahndet. Künftig soll das Strafrecht auch auf korrupt beeinflusste Handlungen oder Unterlassungen des Abgeordneten „im Auftrag oder auf Weisung“ abzielen. Dies kann als ein Versuch gesehen werden, ein Pendant für die Dienstpflichtverletzung in den Straftatbeständen für Amtsträgerbestechung nach §§ 332,334 StGB zu finden. Das ist aber problematisch, da Abgeordnete nach Art. 38 I GG „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“. Sie haben also keine Dienstpflichten, die sie verletzen können. Fraglich ist zudem, ob ein Abgeordneter hierarchisch gesehen tatsächlich auf Weisung oder Auftrag anderer handelt oder ob durch die illegale Absprache eher eine Beziehung auf „gleicher Augenhöhe“ geknüpft wird. In jedem Fall wird die Rechtsprechung ein klares Regelungsziel definieren müssen.

Neu ist auch die Erfassung materieller und immaterieller Vorteile des Vorteilsgebers an Abgeordnete oder Dritte. Dies wird sich auf Mitglieder von Parlamenten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene erstrecken und bezieht sich auch auf die Bundesversammlung, das Europäische Parlament, parlamentarische Versammlungen internationaler Organisationen und Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten. Die Formulierungen der neuen Normen werden voraussichtlich denen zur Amtsträgerkorruption gleichen. Der Strafrahmen soll laut Entwurf dem der bisherigen Fassung des § 108e StGB entsprechen. Der Versuch ist nach dem Gesetzentwurf nicht strafbar.

Nachträgliche Vorteilsflüsse, so genannte „Dankeschön-Spenden“, sind allerdings noch nicht erfasst. Ohne vorherige Vereinbarung könnte ein Abgeordneter somit weiterhin größere Summen von einer Person nachträglich annehmen, deren Interessen er im Vorfeld vertreten hat. Insgesamt betrachtet lässt der Entwurf zur Neuregelung noch viele Fragen offen.
ws/jb

Auf dem Oktoberfest fing es an… nimmt der „Wulff-Prozess“ denn kein Ende?

Donnerstag, 06. März 2014
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Der Ex-Bundespräsident kommt wohl vorerst noch nicht zur Ruhe. Wie bereits vor Urteilsverkündung durch Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer angedeutet, legte die Staatsanwaltschaft Hannover nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur beim Landgericht Hannover am vergangenen Mittwoch Revision gegen den Freispruch von Christian Wulff ein. Eine inhaltliche Begründung gab es bisher noch nicht, doch die Staatsanwaltschaft gibt nicht auf:

Hintergrund war ein Prozess gegen den Ex-Bundespräsidenten, in dem die Staatsanwaltschaft ihm zur Last gelegt hatte, als Ministerpräsident von Niedersachsen Vorteile im Amt angenommen zu haben. Dabei handelt es sich um einen Wert von 720 €, der durch Hotel- und Bewirtungskosten im Rahmen eines Oktoberfestbesuches 2008 durch den befreundeten Filmfinancier David Groenewold beglichen wurde. Anschließend soll Christian Wulff ein Projekt Groenewolds bei dem Konzern Siemens beworben haben. Vor kurzem wurde er vom Landgericht Hannover freigesprochen.

Der dritte Staatssenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe hat nun zu entscheiden, ob der Korruptionsprozess gegen Wulff erneut aufgerollt wird. Nachzuweisen sind durch die Staatsanwaltschaft mögliche Verfahrensfehler des Landgerichts Hannover, damit die Revision Aussicht auf Erfolg hat. Wulffs Verteidiger sehen diesen Argumenten gelassen entgegen. Die Anwälte Bernd Müssig und Michael Nagel halten einen Erfolg der Revision für unwahrscheinlich.

JB

Der „Fall“ Wulf – Ende einer Hetzjagd der Behörden, oder ist es mit dem Fall Edathy erst der Anfang?

Samstag, 01. März 2014
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Am 27. Februar 2014 ist – hoffentlich endgültig – mit dem Freispruch eine Hetzjagd der Behörden zu Ende gegangen. Hier soll nicht diskutiert werden, ob der Betrag von rd. 750 EUR den Aufwand wert war, oder ob Wulf nicht hätte zurücktreten müssen. Hier geht es um die rechtliche Dimension. Herrn Wulf jedenfalls ist es zu verdanken, dass die von vielen freiheitlichen Juristen mit Sorge betrachte „Freiheit“ der Ermittlungsbehörden kritisch in die Öffentlichkeit getragen wird. Es ist heute gängige Praxis, dass Steuerfahnder für Richter Haftbefehle vorformulieren und von ihnen ausstellen lassen. Verwundert nimmt man dann zur Kenntnis, dass der Richter „von Steuerrecht keine Ahnung hat“. Die Frage, wie er denn dann hat prüfen können, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls    vorlagen, kann man getrost so beantworten, dass er das wohl kaum konnte. Erschreckend daran: es interessiert niemanden und ist „normal“. Der Gedanke, dass Untersuchungshaft dann wohl nicht selten eine unzulässige Erzwingungshaft ist, liegt dann nicht fern.

Herrn Edathy kannte bis zu dem Eklat kaum jemand. Jetzt ist sein Ruf unrettbar verloren. Wenn man dann lesen muss, dass einem leitenden Staatsanwalt Lügen vorgeworfen werden, und der Vorwurf auch noch haltbar erscheint, dann ist das schon ein Stück aus dem Tollhaus.

Überhaupt kann man den Eindruck gewinnen, dass die Behörden den Datenschutz in diesem sensiblen Bereich der Ermittlungsverfahren nicht besonders ernst nehmen oder gar bewusst verletzen. Wie ist es sonst zu erklären, dass Selbstanzeigen, die dem strafrechtlich bewehrten Steuergeheimnis unterliegen, bekannt werden. Wir denken an Herrn Hoeneß, Frau Schwarzer, Herrn Linssen und viele andere, die zu Opfern dieser Kampagnen werden. Und bei Herrn Linssen wird die Presse auch nicht müde zu betonen, dass das Verfahren zwar eingestellt sei, aber man ja nicht wisse, ob nicht trotzdem etwas an den Vorwürfen dran sei. Unschuldsvermutung und Resozialisierung sind in den Bereichen, in denen sich die Presse und die von ihnen angestachelte Meute auf im Regelfall prominente Menschen stürzen, offenbar ein Fremdwort.

Und wenn der Spiegel in seiner Aussage der Allmacht der Staatsanwaltschaften in der Ausgaben vom 24.02.2014 den Titel und Hauptartikel widmet, dann muss es und allen Ernst mit dem Thema sein. Setzen wir ein Zeichen und nehmen wir die Behördenwillkür nicht mehr hin. Und das betrifft nicht nur Ermittlungsverfahren. Das beginnt bei Betriebsprüfern, die unfreundlich bis unverschämt auftreten und dann versuchen, die Steuerbürger zu faulen Kompromissen zu zwingen. Es geht hier um nicht weniger, als den Rechtsstaat herzustellen.
ws      

Das Jahr 2013 mit der Finanzverwaltung; Betrachtungen zurück im Zorn? Nein, aber viel Nachdenklich Stimmendes. Der Blick geht immer nur nach vorne

Samstag, 28. Dezember 2013
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Da wir häufig mit der Finanzverwaltung als „Partei“ zu tun haben, könnten wir so manche Anekdote schreiben, die alle zusammengenommen das Zeug zum Bestseller hätten. Die Pflicht zur Verschwiegenheit steht dem Vorhaben in allzu offener Form aber leider entgegen. Zudem respektieren wir selbstverständlich den Wunsch unserer Mandanten, dass ihre Sache auch anonym nicht in unserem Blog erscheinen soll. Es bleibt dennoch eine erhebliche Stofffülle, aus der wir uns auf die Substanz beschränken.

Bemerkenswert oder besser erschreckend ist die von uns wahrgenommene Tendenz, dass die Finanzverwaltung sehr bewusst die ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, leider aber auch, um nur vermeintliche Steueransprüche durchzusetzen. Insbesondere in Betriebsprüfungen macht sich der massenweise Verlust erfahrener Prüfer durch Altersteilzeit bemerkbar. Junge Prüfer, die es anscheinend gewohnt waren, bei den Steuererklärungen jeden Cent zu hinterfragen, haben diese Arbeitsweise in die Prüfungsdienste übernommen. Schon längst geprüfte Dinge werden erneut geprüft, wirklichkeitsfremde Sachverhalt unterstellt, und wenn man mit den Argumenten nicht mehr weiterkommt, wird auch gerne mal einfach die – vermeintliche – Steuer festgesetzt. Zwar gibt es dagegen Rechtsschutz, aber dass die Steuerpflichtigen ihren Berater bezahlen müssen, kommt anscheinend niemandem in den Sinn.

In die gleiche Kategorie gehört auch die Ausweitung der Prüfungsdauern in Fällen, die deutlich schneller geprüft werden könnten. Hier bleibt oft der fade Beigeschmack, dass einfach viele Punkte nur aufgegriffen werden, um den Steuerpflichtigen zu Zugeständnissen und damit verbundenen Steuerzahlungen (und Zinszahlungen) zu „zwingen“, weil eine Fortführung der Prüfung lästig werden würde. Hier empfehlen wir den Mandanten, sich auf solche Spielchen nicht einzulassen, sondern hier ganz klar Flagge zu zeigen.

Dass mit unterschiedlicher Elle gemessen wird, haben wir bei dem Thema der Fristen bemerkt. Die Verwaltung erwartet alles in Frist von einem Monat. Fristverlängerungsanträge werden häufig abgelehnt. Umgekehrt hat man es nicht so eilig. Die Verwaltung lässt sich häufig deutlich länger Zeit, auf Nachfragen gibt es nicht selten patzige Reaktionen.

Eine weiter mit Sorge beobachtete Tendenz geht dahin, die Steuerpflichtigen viel zu schnell als Steuerhinterzieher zu kriminalisieren. Schon das Vergessen oder Übersehen kleinster Beträge in der Steuererklärung führt zu einem Strafverfahren. Man hat den Eindruck, dass die Verwaltung davon ausgeht, dass jeder Steuerpflichtige ein Krimineller sei, er wisse es nur noch nicht. Hier wäre Augenmaß am Platze.

Überhaupt täte es den Angehörigen der Finanzverwaltung in allen Laufbahngruppen gut, einmal ein Jahr in der Wirtschaft zu verbringen. Sie hätten dann sicher ein besseres Gefühl dafür, dass die Steuerpflichtigen eine ganze Menge in ihrem Alltag zu bedenken, zu unternehmen und zu bearbeiten haben, dass Unternehmer erhebliche Risiken auf sich nehmen, und dass die Besteuerung nicht die allererste Priorität hat, noch viel weniger sicher das Hinterziehen von Steuern.

Natürlich besteht auch Verständnis für die Beamten. Auch sie haben selbstverständlich ein Recht darauf, freundlich und höflich behandelt zu werden. Doch auch hier gilt die alte Weisheit: „wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.“ Wer meint, er selbst dürfe sich mit der Macht des Staates im Rücken benehmen wir die Axt im Walde, der irrt. Und wir haben in den vielen Jahren unserer Beratungstätigkeit nur einen einzigen Beamten erlebt, der sich für Fehler des Finanzamts entschuldigt hat.

Dennoch wenden wir den Blick nicht im Zorn zurück. Wir werden auch 2014 für die Interessen unserer Mandanten mit allem Nachdruck, aber auch mit aller Höflichkeit eintreten. Prüfer, die meinen, uns anschreien zu müssen, werden wir aber auch – im Regelfall – kurz anschreien und dann sehr höflich bitten, doch bitte zur Sachlichkeit zurück zu kehren. Wir werden auch 2014 versuchen, ein gutes Verhältnis zur Finanzverwaltung zu haben, ohne zu vergessen, dass wir die Interessen unserer Mandanten wahrnehmen.
ws

Die Statistik lügt – es sei denn, man interpretiert sie richtig – Gemeinplätze und der BFH

Samstag, 02. November 2013
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Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast (Churchill?). So einfach ist es aber auch wieder nicht. Denn Zahlen sind ebenso geduldig wie das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Man muss ja nicht die langweiligen Zahlenkolonnen bei destatis durchsehen, es gibt auch sehr interessante, überraschende und aufschlussreiche Statistiken. Ein paar Beispiele gefällig?
Aus BrandEins Heft 11 2013:

  • Höhe der Steuern und Abgaben eines deutschen Singles mit durchschnittlichem Einkommen in Prozent: 49,7
  • Höhe der Steuern und Abgaben eines Schweizer Singles mit durchschnittlichem Einkommen in Prozent: 21,5

Fazit: auf zu neuen Ufern 

  •  durchschnittliche download-Geschwindigkeit in der Schweiz, in Megabit / Sekunde: 10
  • durchschnittliche download-Geschwindigkeit in Deutschland, in Megabit / Sekunde: 16
  • durchschnittliche download-Geschwindigkeit in den Niederlanden, in Megabit / Sekunde: 61
    Fazit: es kommt nicht auf die Geschwindigkeit an

Interessant ist auch die Statistik des BFH für das Jahr 2012:

  • durchschnittliche Verfahrensdauer bei Revisionen: mit Sachentscheidung 19 Monate, ohne 12; bei Nichtzulassungsbeschwerden (NZB): 6 Monate
  • Zahl der unzulässigen NZBs : 577, davon aber nur 5 der Finanzverwaltung
  • gemessen an allen erledigten NZBs im Jahr 2012 von 1.442 Verfahren ist das eine Mißerfolgsquote von ca. 41%, allein an unzulässigen Verfahren.
    Fazit: Überlasse nichts dem Zufall; geh lieber gleich zum Experten

Die sehr hohe Quote der unzulässigen  NZBs wird im Regelfall nicht an versäumten Fristen liegen (die Statistik schweigt sich dazu aus). Es wird nach unseren Erfahrungen vielmehr so sein, dass die Beschwerdeführer oder besser gesagt deren Berater fachlich nicht in der Lage sind, eine zulässige NZB zu erheben. Dabei ist nicht zu verkennen, dass eine NZB kein einfacher Rechtsbehelf ist. Wer aber diesen Rechtsbehelf von einem Berater erledigen lässt, der von NZBs nichts versteht, der geht ein hohes Risiko, dass er eine unzlässige NZB serviert bekommt. Angesichts  dieser dramatischen Zahlen (hoher Prozenzsatz unzulässiger NZBs) ist es erstaunlich, dass viele Steuerpflichtige dennoch „ihrem“ Berater treu bleiben.
ws

 

Uli Hoeneß – es wird viel geschrieben, nur eine Frage wird – mal wieder nicht gestellt: wie gelangen solche Infos in die Öffentlichkeit?

Sonntag, 21. April 2013
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Ja: Uli Hoeneß hat Steuern hinterzogen; er hat damit eine Straftat (oder mehrere) begangen. Das ist in keiner Weise akzeptabel. Juristisch liegt der Sprengstoff dieses „Falles“ nach der Selbstanzeige von Hoeneß aber nur noch darin, ob diese wirksam ist. Nur dann kann er straffrei bleiben. Was das für die Reputation von Hoeneß heißt, ist dagegen keine Aufgabe für Juristen.  Angesichts des breiten Medienechos gehört aber auch für einen Juristen nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass dies für Hoeneß das „Aus“ ist.

Eine Frage wird aber auch hier wieder einmal nicht gestellt. Schon bei Herrn Zumwinkel fragten sich noch ein paar (weinge) Personen, wie es denn sein könne, dass die Presse schon vor Eintreffen der Ermittlungsbehörden „schussbereit“ in Position war. Diese Frage stellt sich bei Hoeneß in etwas anderer Form, aber dennoch stellt sie sich (nur neimand in der Presse schreibt darüber). Auch eine Selbstanzeige fällt unter das Steuergeheimnis nach § 30 AO. Das gilt für alle Behörden. Dazu gehört schon die einfache Tatsache, dass überhaupt eine solche Anzeige erstattet worden ist. Wie kann es dann aber sein, dass der Focus all dies recherchiert hat? Mit legalen Mitteln ist das kaum denkbar. Es spricht mehr dafür, dass hier jemand nachgeholfen hat. Aber auch hier heiligt der Zweck (welcher ist es denn?) die Mittel, sich die Infos (über einen nicht legalen Weg?) zu beschaffen.

Noch einmal: Steuerhinterziehung ist strafbar und nicht zu tolerieren. Das ist simpel. Die Steuergesetze sind, ebenso wie andere Gesetze, einzuhalten. Auch das ist simpel. Was der Staat aber zu recht von seinen Bürgen verlangt, die Gestzestreue, das muss er aber auch gegen sich selbst gelten lassen. Und dann geht es nicht an, z.B. mit Kriminellen zusammen zu arbeiten, um Daten-CDs zu kaufen, mögen die auch noch so interessant sein. Damit wird der Staat zum Anstifter für Straftaten. Datenklau wäre auch in Deutschland strafbar. Und der Staat muss auch dafür Sorge tragen, dass ihm anvertraute Informationen, die unter das Steuergeheimnis fallen, auch (selbstverständlich) dem Gesetz entsprechend behandelt werden. Es geht nicht an, dass, was z.Zt. nur vermutet werden kann, Mitarbeiter von Behörden ihnen in ihrer Eigenschaft als Amtsträger bekannt gewordene Tatsachen für Zwecke verwenden, die vom Gesetz offensichtlich nicht gedeckt sind. Recht muss Recht bleiben. Wird es nur noch zum Zweck degradiert, wird ihm bald die Akzeptanz fehlen. Am Steuerrecht sehen wir deutlich, wohin das führen kann. Es ist fast nicht mehr zu verstehen. Und wenn dann populistisch eine aus guten Gründen (extem hoher Verwaltungsaufwand und dazu im Verhältnis nicht mehr zu rechtfertigende geringe Einnahmen) vom BVerfG, nicht etwa von einer „Reichen-Lobby, abgeschaffte Vermögensteuer unter dem Jubel vieler Bürger wieder eingeführt werden soll, dann stellt man sich besser nicht die Sinnfrage. Steuern sind eben dann gut, wenn man sie selbst nicht zahlen muss.
ws