Weise Entscheidungen des BFH oder: wie kompliziert möchte die Finanzverwaltung das Steuerrecht noch machen ?
Es ist nicht neu, dass das Steuerrecht für allerhand Dinge mißbraucht wird, die besser in Fördermaßnahmen gegossen oder überhaupt nicht geregelt würden, weil sie die in Deutschland ohnhin schon hohe Regelungsdichte noch weiter erhöhen. Dazu gehört unbestritten auch die Regelung in § 8 Abs 2 Satz 9 EStG, nach der Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer steuerfrei Warengutscheine im Wert von 44,00 EUR je Monat zukommen lassen können. Wenn aber solche Regelungen durch die Verwaltung ad absurdum geführt werden wird, dann wird es grotesk.
Woran liegt es ? Der Haken: der Betrag von 44,00 EUR ist eine Freigrenze, jeder über 44,00 EUR liegende Cent führt also zur Steuer auf den gesamten Betrag. Weiterer Haken: die Finanzverwaltung hat die Regelung durch ihre Auslegung des Gesetzes für die Praxis so untauglich gemacht, dass man niemandem die Regelung empfehlen konnte: zuviel Aufwand, zu hohes Risiko. Denn die z.B. bei Treibstoff naheliegende Lösung, dem Arbeitnehmer (was einfach möglich wäre) einen Gutschein über Treibstoff im Wert von höchstens 44,00 EUR zu geben, sah die Verwaltung nicht als Sachlohn, sondern als Barlohn an. Missliches Ergebnis: voll steuerpflichtig. Nach der Verwaltung hätte auf dem Gutschein nur stehen dürfen: „30 Liter Diesel“. Wegen der schwankenden Preise ist das eine nicht oder nur mit großem Aufwand umsetzbare Forderung.
Konsequenz: die Vorgaben der Verwaltung setzten Lohnsteueraußenprüfer und andere Mitarbeiter in Mehrsteuern um (die wir in den jährlichen Statistiken als Erfolge bewundern können), eine Flut von Klagen war die Folge. Der BFH hat jetzt in mehreren parallel gelagerten Fällen vom 11. Oktober 2010, wie jetzt am 9. Februar 2011 bekannt wurde, weise und gegen die Finanzverwaltung entschieden, dass in sehr weitem Umfang doch Sachlohn angenommen werden kann. Insbesondere die vom BFH explizit entschiedene Gestaltung der dem Arbeitnehmer mit der Abrede überlassenen Tankkarte, auf Kosten des Arbeitgebers gegen Vorlage der Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44,00 EUR monatlich zu tanken, dürfte jetzt in der Praxis umsetzbar sein.
Was bleibt, ist die rechtspolitische Frage, warum ein Warengutschein über 44,00 EUR monatlich überhaupt steuerfrei sein soll. Darüber hatte der BFH nicht zu entscheiden.
Die Pressemitteilung des BFH vom 9. Februar 2011 lautet:
„Tank- und Geschenkgutscheine des Arbeitgebers können steuerbefreiter Sachlohn sein
Urteil vom 11.11.10 VI R 21/09
Urteil vom 11.11.10 VI R 27/09
Urteil vom 11.11.10 VI R 41/10
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Urteilen vom 11. November 2010 (VI R 21/09, VI R 27/09, VI R 41/10) anlässlich der Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Tankkarten, Tankgutscheinen und Geschenkgutscheinen erstmals Grundsätze zu der Unterscheidung von Barlohn und einem nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) bis zur Höhe von monatlich 44 € steuerfreiem Sachlohn aufgestellt. In den vom BFH entschiedenen Streitfällen hatten Arbeitgeber etwa ihren Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auf ihre Kosten gegen Vorlage einer Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44 € monatlich zu tanken oder die Arbeitnehmer hatten anlässlich ihres Geburtstages Geschenkgutscheine einer großen Einzelhandelskette über 20 € von ihrem Arbeitgeber erhalten oder durften mit vom Arbeitgeber ausgestellten Tankgutscheinen bei einer Tankstelle ihrer Wahl 30 Liter Treibstoff tanken und sich die Kosten dafür von ihrem Arbeitgeber erstatten lassen. Während die Arbeitgeber diese Zuwendungen jeweils als Sachlohn beurteilten und angesichts der Freigrenze keine Lohnsteuer einbehielten, waren die Finanzämter auf Grundlage von Verwaltungserlassen von nicht steuerbefreitem Barlohn ausgegangen und hatten entsprechende Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen. Darin waren sie von den Finanzgerichten bestätigt worden. Der BFH hat dagegen in sämtlichen Streitfällen Sachlohn angenommen, die Vorentscheidungen aufgehoben und den Klagen stattgegeben. Die Frage, ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheide sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, nämlich auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen danach, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Die Unterscheidung sei nach der Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils selbst und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs zu treffen. Könne der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, komme eine Steuerbefreiung für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in Betracht. Dann sei es auch unerheblich, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung dieses Anspruchs selbst tätig werde, oder dem Arbeitnehmer gestatte, auf seine Kosten die Sachen bei einem Dritten zu erwerben. Deshalb lägen Sachbezüge auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbinde, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden. Seine bisher anders lautende Rechtsprechung (Urteil vom 27. Oktober 2004 VI R 51/03) hat der BFH ausdrücklich aufgegeben.“