Archiv für Oktober 2011

diligentia, sapientia, agilitas, industria / das Glück des Tüchtigen: Steuerforderung trotz Außenprüfung verjährt, weil die Prüfungsanordnung die Verjährung nicht unterbrochen hatte

Montag, 03. Oktober 2011
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Im Leben eines Beraters ist es oft wie im richtigen Leben: ein Schriftsatz, der vor Fehlern wimmelt und schlecht strukturiert ist, ist im Regelfall auch inhaltlich nicht gut. Denn wer es nicht einmal schafft, ohne Fehler zu schreiben (oder schreiben zu lassen), der legt auf den Inhalt erst recht keinen Wert. Und bei der fachlichen Arbeit gilt nach unseren Erfahrungen: nur eine akribische Befassung mit Sachverhalt und Rechtsnormen führt zu den aha – Erlebnissen, die zum Erfolg bei der Arbeit und zu guten Ergebnissen führen. Nur wer die Dinge zu Ende denkt auch die Fähigkeit besitzt, nicht wie ein „Pawlowscher Hund“ zu versuchen, die Welt in die ihm bekannten Paragraphne zu pressen, der hat auf Dauer Spaß an der Arbeit. Wer nur „Akten bearbeitet“ und „Fälle klopp“, der wird nur selten das Glücksgefühl haben, einen richtigen Treffer gelandet zu haben. Wenn einem dann noch das Glück den richtigen Gedanken beschert, dann stellt sich der Erfolg ein.  

Bei einem unserer Mandanten hatten wir das Glück, bei  unserer Prüfung zu entdecken, dass die Finanzverwaltung die Verjährung eben nicht durch die Anordnung einer Außenprüfung unterbrochen hatte. Was war passiert ? Geprüft worden war eine GmbH & Co. KG, der Verwaltung waren aber bei der die Verjährung unterbrechenden Prüfungsanordnung gravierende Fehler unterlaufen. Sie hatte die Prüfungsanordnung nicht nur an eine GmbH (nicht  an die KG !) gleichen Namens gerichtet, sondern auch den falschen Vordruck verwendet: den für GmbHs statt richtig den für Personengesellschaften.

Ergebnis: die Prüfungsanordnung war nicht wirksam bekanntgegeben worden, war also nicht wirksam und hatte daher auch die Verjährung nicht unterbrochen. Damit war die materiell umstrittene Steuerforderung „hinfällig“, ohne dass man sich über die materielle Berechtigung noch hätte streiten müssen. Dieser Mangel war ein endgültiger. Denn die Finanzbehörde konnte wegen Eintritts der Verjährung eine richtige Prüfungsanordnung nicht mehr bekannt geben. Für den Mandanten und uns ein schönes Ergebnis.

Poaast scho ? denkste ! Zugleich ein Beitrag zum Thema: „es kommt nicht nur auf den Inhalt an“

Montag, 03. Oktober 2011
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Steuerbescheide müssen nicht nur inhaltlich richtig sein, die Steuer also richtig festsetzen, sie müssen auch den für sie geltenden  formellen Anforderungen entsprechen. Der Lehrbuchfall des mündlichen Steuerbescheids ist dabei eher die Ausnahme. Nicht selten aber leiden Steuerbescheide an anderen Fehlern, die dazu führen, dass die Bescheide rechtswidrig werden. Allerdings ist das Steuerrecht großzügig. Die Behörden können Fehler in den meisten Fällen heilen. Selbst wenn Steuerbescheide so schwerwiegend fehlerhaft sind, dass sie gar nicht wirksam werden, dann hilft dem Steuerpflichtigen das jedenfalls dann nicht, wenn die Behörde einen neuen wirksamen Bescheid erlassen kann.

Interessanter sind also die formellen Fehler, die dazu führen, dass Steueransprüche endgültig nicht durchgesetzt werden können. Sich als Steuerpflichtiger auf diese formellen Mängel zu berufen, ist auch nicht etwa ehrenrührig. Denn wenn Steuerpflichtige einen Einspruch nur einen Tag zu spät erheben, werden sie niemanden finden, der diesen formellen Mangel elegant an die Seite schiebt und den Einspruch dennoch als fristgerecht ansehen wird. Und Berater, die einen formellen Mangel nicht zum Anlass nehmen, einem Mandanten zu empfehlen, gegen den Steuerbescheid vorzugehen, machen sich schadensersatzpflichtig.

Ein scharfes Schwert in diesem Zusammenhang ist die Verjährung, wobei das Steuerrecht zwischen Festsetzungs – und Zahlungsverjährung unterscheidet. Die erste verhindert, dass ein Steuerbescheid erlassen werden darf, die zweite bewirkt, dass Zahlungsansprüche aus Steuerbescheiden nicht mehr durchgesetzt werden können. Beide Verjährungen wirken, anders als im Zivilrecht, kraft Gesetzes, der Einwand der Verjährung muss nicht erhoben werden.

Mit Urteil vom 28. Juni 2011 (VIII R 6/09) hat es der BFH in dem von ihm entschiedenen Streitfall für möglich gehalten, dass dem Erlass eines Steuerbescheids die Festsetzungsverjährung entgegensteht. Es ging um einen Änderungsbescheid nach einer Außenprüfung. Sedes materiae war die Norm des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO. Danach endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind. Eine Schlussbesprechung hatte nicht stattgefunden, also entbrannte der Streit darum, wann die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden hatten.

Zwar hat der BFH die Sache nicht selbst entschieden, sondern zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen. Die Ausführungen des BFH sind aber sehr lehrreich und eine wahre Fundgrube für Argumente. Was unter „letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung“ im Sinne des § 171 Abs. 4 S. 3 zu verstehen ist, entschied der BFH zwar nicht abschließend. Seine Ausführungen dazu sind aber präzise und praktisch gut umsetzbar.

Nach dem Wortsinn der Vorschrift hält der BFH aber einen Zusammenhang der Ermittlungen mit der Außenprüfung erforderlich. Der BFH führte auch aus, was nach seiner Auffassung keine Ermittlungen im Sinne des Norm sind. Der BFH wörtlich:

„Deshalb reicht der bloße Blick in die beim Finanzamt vorhandenen Akten nicht aus; er steht dem Finanzamt jederzeit offen, ohne dass es einer Außenprüfung bedürfte. Ferner handelt es sich auch dann nicht um Ermittlungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn bereits ermittelte Tatsachen lediglich einer erneuten rechtlichen Würdigung unterzogen werden. Letzte Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung setzen vielmehr Maßnahmen des Prüfers oder des Finanzamts voraus, die darauf gerichtet sind, bisher noch nicht bekannte Sachverhaltselemente festzustellen, etwa indem der Prüfer Unterlagen anfordert, den Steuerpflichtigen in irgendeiner anderen Weise zur Mitwirkung auffordert oder vom Steuerpflichtigen nachgereichte Unterlagen auswertet. Aufgrund der systematischen Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die ebenfalls nach dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist ferner erforderlich, dass der Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlungen im Interesse der verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht. Notfalls ist er vom Finanzamt nachzuweisen.“

Diese Ausführungen eröffnen viele Ansätze, nach Außenprüfungen ergangene Steuerbescheide im Hinblick auf etwa entgegenstehende Verjährung zu prüfen, zu Fall zu bringen und damit endgültig zu obsiegen. Das FG hatte die Tatsachen nicht ausreichend ermittelt, daher konnte der BFH nicht selbst entscheiden.

Es kommt daher nicht nur auf den Inhalt an, auch die Verpackung muss passen.  Und es lohnt sich auch, bei Urteilen des FG genau hinzusehen, ob das FG die Tatsachen hinreichend ermittelt und festgestellt hat.  Steuerbescheide müssen eben nicht nur rechnerisch richtig sein, sie müssen auch formell fehlerfrei. „Poaaaast scho“ kann man also erst nach Abschluss auch der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit sagen.

„Ich will ein schneeweißes Luder, die ist schöner, blonder, fester, denn sie ist ne Krankenschwester…“ Betrachtungen zum AGG unter besonderer Berücksichtigung von Umfragen zu dem Thema: „welche Berufe des jeweils anderen Geschlechts finden Frauen und Männer sexy“?

Samstag, 01. Oktober 2011
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Es ist das erklärte Ziel des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz („AGG“), Benachteiligungen u.a. wegen des Geschlechts zu verhindern. Das ist nicht erstaunlich. Denn dieses Ziel ist bereits als Grundrecht in der Verfassung verankert. Das AGG ist mittlerweile  durch medienwirskame Urteile auch  in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Unternehmen haben sich wegen der mit Verstößen gegen das Gesetz verbundenen finanziellen Folgen schon lange mit dem Thema befasst. Ob allerdings aus Einsicht oder nur, um keine Nachteile zu haben, wäre interessant zu erfahren.

Blickt man aber einmal in die Bevölkerung, dann stellt man fest, dass das gesetzgeberische Ziel des AGG in Teilen der Bevölkerung nicht so verankert ist, wie der Gesetzgeber sich das wünscht. Man trifft häufig auf Klischees, die man (frau) für längst überholt geglaubt hatte. Insbesondere in Wintersportorten und auf Inseln findet sich eine „Kultur“ deutschen Liedgutes, deren Textschreiber Unternehmen besser nicht mit dem Verfassen von Stellenangeboten für Mitarbeiter beauftragen sollten. Als ein Beispiel für viele mag ein Ausschnitt aus einem Lied von Klaus und Klaus über eine Krankenschwester (oder über männliche Phantasien) dienen:

„Ich brauch nicht Vater, Mutter, Bruder
Ich will ein schneeweißes Luder
Die ist schöner, blonder, fester
Denn sie ist ´ne Krankenschwester

Manchmal fühl´ ich mich nicht fit
Es schmerzt der Kopf, es kneift im Schritt
Dann weiss ich das ich Hilfe brauch
Wo ich die finde, weiß ich auch.“ 

Wir wollen gar nicht über Sinn oder Unsinn oder gar Satzbau dieses Ausschnittes richten, das überlassen wir anderen Disziplinen. Neben solchen Texten nehmen sich die Texte aus den 20ern, die heute Künstler wie Max Raabe zum Besten geben („Fräulein pardon, ich glaub wir kennen uns schon“) für unseren Geschmack sehr elegant aus.

Interessanterweise haben wir vergleichbare Texte wie das Lied von der Krankenschwester von Frauen über Männer im internet nicht gefunden. 

Offenbar wecken bestimmte mit Frauen besetzte Berufe bei Männern Assoziationen, die sich umgekehrt (wenn man / frau das überhaupt so sagen kann) bei Frauen nicht einstellen, wenn sie sich das männliche Pendant in dem Beruf vorstellen. Ein Partnervermittlungsinstitut hat 2011 rd 12.000 Singles befragt, welchen Beruf sie bei dem jeweils anderen Geschlecht für sexy halten, und hat daraus ein ranking erstellt. Mit interessanten Ergebnissen: der Anwalt und die Anwältin schafften es jeweils auf Platz 4; während aber die Anwältin von der Krankenschwester (Platz 3) geschlagen wurde, sucht man / frau den Krankenpfleger im ranking der Berufe, die Frauen bei Männern sexy finden, vergebens. Auch die Lehrerin (gleichauf mit der Anwältin) liegt deutlich vor dem männlichen pendant des Lehrers, der es in der Gunst der Frauen gerade mal auf Platz 10 schaffte. Wörtlich heißt es in der Studie:

„Männer in eher weiblich konnotierten Berufen  sind bei Frauen weniger begehrt, während Frauen in diesen Berufen bei Männern sehr gut ankommen. So findet jeder vierte Mann Krankenschwestern sexy,“

Da haben wir das Dilemma: die Benachteiligung fängt im Kopf und bei den Bildern an, da hilft kein AGG. Eine Änderung wird nur durch Einsicht erfolgen, und die ist – siehe deutsches Liedgut auf Inseln und im Wintersport – erstaunlicherweise auch bei den jüngeren Menschen nicht abzusehen. Eine intensivere Analyse verbieten an dieser Stelle aber Anstand und Sachlichkeitsgebot.

Für uns Juristen bleibt das AGG und die Aufgabe, entweder mit gutem Beispiel voranzugehen oder aber als schlechtes Beispiel zu dienen, dem man nicht nacheifern sollte. Was bleibt, ist aber auch die Erkenntnis, dass sich das Leben nur begrenzt regeln lässt. Normen werden umso eher Erfolg haben, wenn sie verstanden und dadurch akzeptiert werden. Aufoktroyiertes Recht hält nach den Erfahrungen nie lange.