Archiv für August 2013

Die Lachnummer des Monats geht an das Finanzamt Paderborn, das über hellseherische Fähigkeiten verfügt – ein bizzarer Streit um 250 EUR Grunderwerbsteuer und das Unwesen der Bürokratie

Sonntag, 18. August 2013
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Wenn Finanzbeamte über derart hellseherische Fähigkeiten verfügen wie die beiden in der Grunderwerbesteuer – und in der Rechtsbehelfsstelle, dann sollte der Fiskus sie besser einsetzen, um die Lottozahlen vorherzusagen. Das würde den Haushalt eher sanieren als wenn man sie wegen 250 EUR Grunderwerbsteuer auf Steuerpflichtige loslassen und ihre Zeit mit Kleinigkeiten verschwenden lassen würde.

Da wiehert der Amtsschimmel, und eine längst überwunden geglaubte Behörden(un)kultur feiert fröhliche Urständ. Steuerfestsetzung ohne jedes Augenmaß und, einmal ganz spitz betrachtet, nach unserer Einschätzung am Gesetz vorbei.

Der ganze Aufwand dreht sich um die sagenhafte Summe von 250 €, wobei die Steuerpflichtigen bereits im Vorfeld dem Finanzamt Paderborn (vergeblich) einen Kompromiss angeboten hatten.

Was war passiert? Zwei Steuerpflichtige hatten eine Eigentumswohnung zu einem Gesamtkaufpreis von rund 100.000 € gekauft. In dem Kaufpreis enthalten war eine Einbauküche nebst Einbaugeräten. Die Parteien vereinbarten in dem notariellen Kaufvertrag, dass von den Gesamtkaufpreis ein Teil von € 12.000 € auf die Küche nebst Einbaugeräten entfallen sollte. Nach Auffassung der Steuerpflichtigen unterlag somit dieser Betrag nicht der Grunderwerbsteuer i.H.v. 5 %.

Den „größten Schuss“ brachte die Sachbearbeiterin in der Grunderwerbsteuerstelle: sie wollte eine Aufteilung des Kaufpreises gar nicht erst vornehmen, weil, man höre und staune, eine Aufteilung des Kaufpreises in dem Kaufvertrag doch gar nicht vorgesehen sei. Zwar seien der Preis für die Küche und das Objekt genannt, nicht aber der Preis für das Objekt ohne Küche. Aha; davon, dass man den durch einfache Subtraktion ermitteln konnte, musste die Bearbeiterin erst überzeugt werden. Hier bleibt nur das Zeugnis: „Kopfrechnen schwach“. Immerhin rang sich die Dame dazu durch, die Küche mit 5.000 € anzusetzen.

Die Sache ging an die Rechtsbehelfsstelle. Da materiell über eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 5 % der streitigen Differenz gestritten wurde, ging es nur noch um 5 % auf 7.000 €, also eine Steuer von 350 €. Denn das Finanzamt war ja immerhin so weitsichtig, den Wert der Küche mit zumindest 5.000 € zu schätzen. Um jetzt einen – nach dem bisherigen Verlauf – zu erwartenden längeren Streit um den Wert der Küche zu vermeiden, boten die Steuerpflichtigen an, den Wert der Küche mit 10.000 € für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu schätzen. Darauf aber ging das Finanzamt gar nicht ein. Dem  Finanzamt lagen noch nicht einmal Fotos der Küche vor, auch eine Besichtigung der Küche fand nicht statt. Die Steuerpflichtigen reichten Fotos zum Nachweis über den Wert der Küche ein. Ohne den Steuerpflichtigen überhaupt rechtliches Gehör zu gewähren, erließ das Finanzamt Paderborn jetzt gegen die Steuerpflichtigen Einspruchsentscheidungen.

Daraus (wo bleibt das rechtliche Gehör?) erfuhren die Steuerpflichtigen, dass das Finanzamt sogar einen Bausachverständigen beauftragt hatte. Dieser hatte sich aber nicht etwa mit dem Wert der Küche, sondern mit dem Wert der Wohnung befasst. Was das sollte, bleibt wohl das Geheimnis des Finanzamts. Berücksichtigt man das Angebot der Steuerpflichtigen, den Wert der Küche mit 10.000 € anzusetzen statt mit 5.000 €, wie vom Finanzamt, sprechen wir über eine Differenz von 250 €. Eine solche Differenz kann den vom Finanzamt Paderborn betriebenen Aufwand nicht rechtfertigen. Wir meinen, hier geht es nicht um Rechtsanwendung, sondern darum, ein Exempel zu statuieren und den Steuerpflichtigen zu zeigen, wer das Sagen hat. Ach ja, vorgeworfen wurde den Steuerpflichtigen natürlich auch noch, dass sie (obwohl sie die Küche damals gar nicht als Ersterwerber angeschafft hatten) die ursprüngliche Rechnung über die Küche nicht hätten vorlegen können.  

Tatsache jedenfalls ist und bleibt, dass die Finanzverwaltung bis heute die Küche nicht gesehen hat. Wer aber hellseherische Fähigkeiten hat, muss das ja auch nicht. Denn er weiß es ja sowieso besser, dass die Küche keinen höheren Wert als 5.000 € hat.

Wir haben jetzt für die Steuerpflichtigen bei dem Finanzgericht Münster Klage erhoben und sind gespannt, wie interessiert das Finanzgericht diese weltbewegende Frage bearbeiten wird. Wir werden über den Fortgang berichten und empfehlen dem Finanzamt Paderborn, die beiden in diese Sache involvierten Bearbeiter nebst Sachgebietsleitern zu befördern. Sie scheinen für große Aufgaben berufen zu sein.

ws

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen- Anständiges Verhalten und guter Ton unter Rechtsanwälten – Selbst- und Fremdeinschätzung dünnhäutiger Rechtsanwälte

Sonntag, 11. August 2013
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Verwundert rieben wir uns die Augen, als ein  offensichtlich dünnhäutiger Kollege einer großen Anwaltskanzlei uns einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vorwarf. Was war passiert? Unsere Mandantin unterlag in erster Instanz in einem Rechtsstreit, an dem die ERGO Versicherung (Werbeslogan: „Versichern heißt verstehen„) als Nebenintervenientin beteiligt war. Hätte unsere Mandantin den Rechtsstreit gewonnen, hätte die Versicherung als Testamentsvollstreckerhaftpflichtversicherung zahlen müssen. Gegen das Urteil haben wir Berufung eingelegt. Auf Antrag des Bevollmächtigten der ERGO wurden die Kosten erster Instanz durch Beschluss festgesetzt. Sofort nach Eingang des Beschlusses bei uns boten wir der ERGO über den Kollegen Zahlung der festgesetzten Summe an, wenn die ERGO die im Beschluss ausgewiesene Sicherheit geleistet haben würde. Die Kanzlei der ERGO meldete sich bei uns aber nicht. Circa einen Monat später beantragte die Kanzlei der ERGO die (rechtlich zulässige) Sicherungsvollstreckung. Allerdings geschah dies, ohne uns zu informieren. Da unsere über 80 Jahre alte Mandantin sich im Urlaub befand, war sie nicht gering überrascht, als sie „Besuch“ von der Obergerichtsvollzieher erhielt.

Wir nahmen daraufhin Kontakt zu dem Kollegen auf und erneuerten unser Zahlungsangebot. Zugleich brachten wir unser Mißfallen gegenüber dem Kollegen zum Ausdruck. Denn die Vollstreckung wäre bei vorheriger Abstimmung unter Kollegen obsolet gewesen. Der Kollege wies dieses Angebot zurück. Er konnte uns auch nicht erklären, warum er nicht uns informierte hatte, obwohl wir Zahlung angeboten hatten.  In unserem Schreiben an den Kollegen machten wir deutlich, dass wir sein Verhalten für weit überzogen hielten, sogar für unangemessen und unprofessionell.

Offensichtlich war der Kollege außerordentlich dünnhäutig. Denn jetzt beharrte er darauf, dass er die Sicherungsvollstreckung, die für seine Mandantin angesichts des Zahlungaangebotes ein Minus und relativ wertlos war, fortsetzen wolle. Es blieb für unsere Mandantin nichts anderes übrig, als die Sicherungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden. Der dünnhäutige Kollege seinerseits wollte aber auch nicht so recht bestätigen, dass die Zwangsvollstreckung ausgesetzt werden würde. Da unsere Mandantin aber am nächsten Tag wiederum mit Zwangsvollstreckung und einem „Besuch“ der Obergerichtsvollzieherin rechnen musste, waren wir gezwungen, eigenständig die Vollstreckung von der Gerichtsvollzieherin einstellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieherin leuchtete unser Antrag auch sofort ein. Welchen Sinn macht auch eine Sicherungsvollstreckung, wenn der Schuldner nicht nur bereit ist, eine Sicherheit zu leisten, sondern seinerseits sogar Zahlung angeboten hatte.

All das kümmerte den dünnhäutigen Kollegen nicht. Er möchte er jetzt vielmehr wegen unseres angeblichen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot die Angelegenheit der Rechtsanwaltskammer vorlegen. Wir sehen diesem Verfahren angesichts der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema „Winkeladvokat“ gelassen entgegen. Wahrscheinlich wird die Angelegenheit noch für den Kollegen peinlich. Wir hatten nicht vor, die Angelegenheit der Kammer zu melden. Wenn die Angelegenheit dort aber ohnehin landet, werden wir auch zum Gegenangriff blasen. Wir sind auch gespannt, was der Vorstand der ERGO zu dem Auftreten seiner Anwälte meint. Es passt nicht so recht zu dem Image, das die ERGO sich mit ihren Kampagnen zulegen möchte. Unsere Mandantin hat sich jedenfalls über den Kollegen bei der ERGO beschwert.
ws

Das moderne Finanzamt (Wiedenbrück) arbeitet mit Anrufbeantworter: „Ich arbeite in Teilzeit und Sie rufen außerhalb meiner Arbeitszeiten an. Auf Wiederhören.“

Mittwoch, 07. August 2013
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Ein Schildbürgerstreich? Ach was!  Die Verwaltung gibt sich gerne bürgernah und modern zugleich. In der Tat heißt der Chef der Beamten eines Ressorts „Minister“, was vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt „Diener“ heißt. Wenn also schon der Chef dem Staat dient, dann seine „Untergebenen“ doch erst recht. Aber mit dem Etikett (von außen sichtbar) und dem Inhalt (führt oft zu Staunen nach Öffnen der Verpackung und hat mit dem Etikett meist nicht viel zu tun) ist das so wie mit Dichtung und Wahrheit.

Besonders beliebt  sind in Finanzämtern die „Sprachboxen“. Die sind, bei entsprechendem Einsatz und Willen, durchaus sinnvoll. Kann man seinen Gesprächspartner  nicht erreichen (16:00 Uhr ist schließlich schnell erreicht, Freitags noch früher), spricht man eine Nachricht mit seinem „Anliegen“ auf. Und wir haben gute Erfahrungen gemacht, dass die Angerufenen auch wirklich zurückrufen.

Deutlich aus diesem Rahmen fiel daher doch der in der Überschrift genannte Text einer Mitarbeiterin in Teilzeit auf ihrer Sprachbox, die wir bei unserem Anrufversuch heute zu unserem nicht geringen Staunen hörten. Eine Nachricht konnte (und sollte, weil unerwünscht?) man nicht hinterlassen. Da die freundliche Stimme zudem aber auch nicht einmal preisgab, zu welchen Zeiten die Mitarbeiterin denn an welchen Tagen erreichbar wäre, fanden wir es dann doch etwas schwierig (Versuch und Irrtum), ein Telefonat mit ihr zu planen. Wir haben daher mit einer anderen Bearbeiterin gesprochen. Wir haben bei der Gelegenheit auch angeregt, den Ansagetext um die Zeiten der Erreichbarkeit zu ergänzen.
ws