Archiv für August 2015

Zahlen, die uns zu denken geben (sollten) – Quelle: brandeins 09 2015, Seite 8

Samstag, 29. August 2015
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rnd_logo_facebookVeranlagte Einkommensteuer in Deutschland im Jahr 2015: 19,3 Mrd. €
Zinsausgaben Deutschland im Jahr 2015: 25,6 Mrd. €
„Raus aus den Schulden“

Zeit, die ein Büroangestellter im Laufe seines Arbeitslebens vor dem Bildschirm sitzt, in Jahren: 9,1
„Länger als die Schule“

Jährlich weggeworfene Lebensmittel weltweit, in Mio. Tonnen: 1.300
Davon in Industrieländern: 670
Davon in Entwicklungsländern: 630
„was ist zu tun?“

Umfang der Erde in km: 40.075
Strecke des indischen Straßennetzes in km: 4.700.000
„Verdammt lang“

ws

Der erschreckende „Zustandsbericht“ der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft über das Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht

Sonntag, 23. August 2015
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DStJG Band 38Klare Worte über das Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht findet der Präsident des Bundesfinanzhofes Rudolf Mellinghoff in der Rechtfertigung des Themas in Band 38 der Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft. Mellinghoff berichtet auf Seite 3 des Tagungsbandes, dass Steuerberater ihm berichten, dass Streitigkeiten über Verrechnungspreise und Bewertungsfragen nicht in der Veranlagung geklärt, sondern der Steuerfahndung übergeben werden. Auch würden Steuerberater im Rahmen von Betriebsprüfungen unter Androhung einer Steuerfahndung zu Zugeständnissen „veranlasst“ werden. Ebenso prangert er, wenn auch mit freundlichen Worten, an, dass das Steuergeheimnis – siehe die Verfahren gegen Hoeneß und Zumwinkel – wohl keines sei.

Mellinghoff beklagt weiter, dass „nicht verbotene Steuervermeidungsstrategien und unliebsame Steuergestaltungen in einem Atemzug mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung“ genannt würden. Richtig führt er aus: „Hier  vermischen sich steuerpolitische Gerechtigkeitsforderungen mit der Verurteilung strafbaren Unrechts“.

All das können wir aus der Praxis leider nur bestätigen. Mellinghoff beschreibt die Zustände nach unseren Erfahrungen mit zu freundlichen Worten. Aus unsere Praxis ist uns bekannt, dass Prüfer schnell dabei sind, Steuertatbestände nur zu behaupten. Die Sache wird dann mit der Bericht abgegeben und ist für den Prüfer erledigt. Es ist dann Sache des Steuerbürgers und seiner Berater, sich mit strafrechtlichen Vorwürfen und unbegründeten Steuerbescheiden zu befassen und dagegen vorzugehen. Es ist eine deutliche Tendenz zu erkennen, Steuerpflichtige zu kriminalisieren, sie mit der geballten Staatsmacht zu konfrontieren und so für nicht begründbare Zugeständnisse gefügig zu machen. Solchen Arten von Erpressung, die unter dem Deckmantel rechtsstaatlichen Handelns daher kommen, muss mit allen Mitteln Einhalt geboten werden. Es entsteht (sonst) der Eindruck, dass der Zweck die Mittel heiligt. Offenbar ist es aus dem Blickfeld geraten, dass jeder Steuertatbestand zugleich objektiver Tatbestand einer Steuerhinterziehung sein kann. Es bedarf keiner Diskussion, dass Steuerhinterziehung nicht zu akzeptieren ist. Es bedarf aber auch eines deutlich besseren Augenmaßes. Das gilkt insbesondere angesichts der trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Politiker gleich welcher couleur immer mehr zunehmenden Komplexität des Steuerrechts, das es für den Steuerpflichtigen in vielen Fällen nich mehr verständlich werden lässt.

Der Band 38 der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft ist allen Steuerrechtlern und Steuerstrafrechtlern zur Lektüre empfohlen. Das Buch enthält viele Denkanstöße für Praxis, aber auch für die Politk.

ws

Finanzgericht Münster bestätigt mit Urteil vom 18. August 2015 (10 K 3410/13 K, G): Hersteller und „Inverkehrbringer“ von Elektrogeräten, zu denen auch Beleuchtungsmittel wie Energiesparlampen zählen, die unter das Elektrogesetz (ElektroG) fallen, müssen eine Rückstellung für von ihnen zu tragende Entsorgungskosten bilden.

Mittwoch, 19. August 2015
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91010_WS schwarz weißDass Batterien gesammelt und zurückgegeben werden können, ist vielen bekannt. Nicht so stark in den Fokus getreten ist dagegen das ElektroG, das die Hersteller und Verkäufer von Elektrogeräten, zu denen u.a. Energiesparlampen zählen, verpflichtet, diese Geräte zu entsorgen. Die Klägerin hatte auf Basis des seit 2005 geltenden ElektroG beginnend im Jahr 2005 in ihren Jahresabschlüssen Rückstellungen für von ihr zu tragende Entsorgungskosten für Energiesparlampen, die sie verkauft hatte, gebildet. Die Finanzverwaltung erkannte diese Rückstellungen zunächst so, wie von der Klägerin erklärt, an. Eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung vertrat für die Streitjahre 2007-2009 dagegen die Auffassung, dass eine Rückstellung schon dem Grunde nach nicht zu bilden sei. Denn die Klägerin könne sich der Pflicht, Entsorgungskosten zu tragen, schon dadurch entziehen, dass sie die in Rede stehenden Lampen nicht mehr vertreibe, und damit nicht mehr Marktteilnehmer sei.

Bereits in dem der mündlichen Verhandlung vorausgegangenen Erörterungstermin im Mai 2015 vertrat das Gericht gegen die Finanzverwaltung die Auffassung, dass eine Rückstellung für Entsorgungskosten dem Grunde nach zu bilden ist. Dabei komme es nicht darauf an, dass das jeweils betroffene Unternehmen für eine bestimmte Anzahl von Geräten eine Abholanordnung der zuständigen Behörde erhalten habe. Jedenfalls für die ab dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachten und der zuständigen Stelle (Stiftung ear – Elektro – Altgeräte- Register) gemeldeten Stückzahlen sei zwingend dem Grunde nach eine Rückstellung zu bilden. Für die vor dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachten Geräte vertritt das Finanzgericht in seinem Urteil vom 13. August 2005 dagegen die Auffassung, dass dafür keine Rückstellung gebildet werden dürfe. Zwar sei die Klägerin auch für die Rücknahme der vor dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachten Geräte verantwortlich. Die Verantwortung knüpfe nach dem Elektrogesetz aber nicht an das Inverkehrbringen vor einem bestimmten Stichtag an, sondern daran, dass das jeweils betroffene Unternehmen im Zeitpunkt des jeweiligen Jahres Marktteilnehmer sei.

In dem vom Finanzgericht Münster mit Urteil vom 18. August 2015 entschiedenen Rechtsstreit ging es darüber hinaus noch um weitere spannende Fragen. Die Frage der Höhe der Rückstellung haben die Parteien auf intelligenten Vorschlag des Gerichts pauschal gelöst. Dabei wurden eine bestimmte Rücklaufquote in % und ein bestimmter Betrag in € als pauschale Entsorgungskosten und brstimmte Stückzahlen zugrunde gelegt.

Streitig war weiter, ob das beklagte Finanzamt berechtigt war, die Steuerbescheide für zwei Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Dazu hatte die Klägerin vorgetragen, das beklagte Finanzamt sei daran nach Treu und Glauben gehindert gewesen. Denn es habe gegen seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, verstoßen. Das Gericht dagegen vertrat die Auffassung, die Klägerin treffe ein Mitverschulden. Sie habe die Rückstellung für die Entsorgungskosten nicht einfach in einem Posten unter „sonstige Rückstellungen“ zusammenfassen dürfen. Die Klägerin habe vielmehr diese Rückstellung für Entsorgungskosten nach ElektroG aufschlüsseln müssen. Das Argument der Klägerin, sie sei eine kleine Kapitalgesellschaft und daher nach Handelsrecht, aber auch nach Steuerrecht, nicht verpflichtet gewesen, die sonstigen Rückstellungen aufzuschlüsseln, ließ das Finanzgericht nicht gelten.

Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen. Es hat dem beklagten Finanzamt aber mit auf den Weg gegeben, dass die Klägerin nach seiner Einschätzung auch vor dem BFH obsiegen werde.

Bei dem vor dem Finanzgericht entschiedenen Verfahren handelt es sich augenscheinlich um ein von der OFD Münster betriebenes Pilotverfahren. Das beklagte Finanzamt legte großen Wert darauf, über die Rechtsfrage, ob eine Rückstellung dem Grunde nach zu bilden sei, ein Urteil zu erhalten. Über die Rückstellung der Höhe nach Haben die Parteien sich geeinigt. Sie haben sich auf eine bestimmte Rücklaufquote und einen bestimmten für die Entsorgung aufzuwendenden Betrag je verkaufter Lampe geeinigt. Wir gehen davon aus, dass das beklagte Finanzamt in die Revision gehen wird.
ws

BGH-Urteil vom 16.07.2015: Mieter haben Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Vermieter Eigenbedarf nur vortäuscht

Donnerstag, 06. August 2015
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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookEin Vermieter zog gegen seinen Mieter vor Gericht, da ein neuer Hausmeister in die Wohnung des Mieters ziehen sollte. Die Klage auf Eigenbedarf des Vermieters endete mit einem Vergleich beider Parteien. Der Mieter zog aus, doch der neue Hausmeister zog nicht in der nun freien Wohnung ein. Als der ehemalige Mieter der Wohnung erfuhr, dass eine Familie in seiner „alten“ Wohnung lebt, klagte er beim Landgericht Koblenz auf Schadensersatz. Der Kläger nannte als Begründung, dass er wegen Vortäuschung auf Eigenbedarf eine höhere Monatsmiete, einen längeren Arbeitsweg und zudem Kosten aus dem ersten Prozess des Vermieters gegen ihn habe. Die Klage war jedoch zunächst erfolglos.

Erst beim BGH, Az. VIII ZR 99/14, bekam der Kläger Zuspruch. Der BGH wies den Fall an das LG Koblenz zurück, da der Kläger mit dem Vergleich im ersten Prozess nicht auf Schadensersatzansprüche verzichtet habe. Der Vermieter ist durch die Vortäuschung von Eigenbedarf gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig – und das zum Vorteil des ehemaligen Mieters.
ws