Archiv für Dezember 2015

Augen auf beim Pferdekauf oder: wer schreibt, der bleibt – Anmerkungen zu der lehrreichen Entscheidung des OLG Koblenz vom 21.05.2015 – 1 U 1382/14 – und zu Röntgenklassen

Samstag, 26. Dezember 2015
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pferdDas OLG Koblenz hat am 21.05.2015 zwei wichtige Fragen im Pferderecht entschieden: zum einen hat es entschieden, dass ein schriftlicher Kaufvertrag über ein Pferd eine abschließende Regelung darstellt, die etwaige mündliche Vereinbarungen verdrängt. Weiter hat das OLG entschieden, dass die Röntgenklasse IV statt der angeblich vereinbarten Röntgenklasse II kein Sachmangel sei.

Das Urteil ist wichtig und hat in der Praxis erhebliche Auswirkungen. Es soll aber zunächst kritisch gewürdigt werden, denn es ist nach unserer Auffassung in einigen Passagen nicht richtig.

Da ist zunächst die Aussage, der schriftliche Kaufvertrag über das Pferd sei abschließend. Es mag sein, dass im Streitfall dafür einiges sprach. Dennoch bedeutet ein schriftlicher Vertrag nicht, dass alle davon abweichenden mündlichen Vereinbarungen, so sie denn bewiesen werden können, nicht relevant wären. Die Frage, wann ein Sachmangel bei einem Kauf, also auch beim Kauf eines Pferdes, vorliegt,  ist in erster Linie danach zu beantworten, was die Parteien als Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart haben. Dabei sind der Phantasie der Parteien keine Grenzen gesetzt. Denn sie allein bestimmen, wie der Kaufgegenstand beschaffen sein soll (§ 434 Abs. 1 BGB). Das ist Ausdruck der Privatautonomie.

Wenn also die Parteien vereinbart haben, dass das verkaufte Pferd in die Röntgenklasse II eingeordnet werden können muss, dann liegt eine Abweichung der Ist – von der Sollbeschaffenheit des Pferdes vor, wenn es nur in die (deutlich schlechtere) Röntgenklasse IV eingeordnet wird. Eine andere Frage ist, ob die Partei, die sich auf diese Vereinbarung beruft, und damit einen Sachmangel geltend macht, dies auch beweisen kann. Das ist mit einem schriftlichen Vertrag einfacher als mit dem Vortrag einer mündlichen Vereinbarung, ändert aber nichts daran, dass auch mündliche Vereinbarungen getroffen werden können.

Das OLG hat die von der klagenden Partei behauptete Abrede aber schon deshalb nicht gelten lassen, weil der schriftliche Kaufvertrag eine abschließende Regelung der Parteien gewesen sei. Ein solches Ergebnis der Auslegung der Abreden der Parteien ist möglich. Es setzt aber eine entsprechende Auslegung der Vereinbarungen der Parteien voraus. Vereinbarungen über die Beschaffenheit einer Kaufsache können in jeder Form getroffen werden, also auch mündlich (BeckOK BGB/Faust BGB § 434 Rn. 40; MüKoBGB/Westermann BGB § 434 Rn. 16). Das gilt auch dann, wenn die Parteien in einem schriftlichen Kaufvertrag vereinbart haben, dass alle Abreden schriftlich getroffen worden sein müssen, und dass Änderungen der Schriftform bedürfen. Denn auch in diesen Fällen ist es Sache der Parteien, diese Abrede durch mündliche Vereinbarung aufzuheben. Das folgt aus § 125 S. 2 BGB. Danach hat ein Verstoß gegen die vereinbarte Schriftform nicht zwingend die Nichtigkeit einer Abrede zur Folge (wie bei der gesetzlich vorgeschriebenen Form), sondern nur „im Zweifel“, also nur dann, wenn nichts anderes unstreitig oder bewiesen ist (MüKoBGB/Einsele BGB § 125 Rn. 70).

Diesen Aspekt hat das OLG in dem Streitfall nicht geprüft, sondern den schriftlichen Kaufvertrag als abschließend angesehen und allein aus diesem Grund die – angeblich – mündlich vereinbarte Röntgenklasse II als Beschaffenheit und damit als Sachmangel nicht mehr geprüft.

Auch die weitere Aussage des OLG, die Einordnung des verkauften Pferdes in die Röntgenklasse IV statt in die – angeblich – vereinbarte Röntgenklasse II ohne weitere Symptome sei kein Sachmangel, ist kritisch zu hinterfragen. Denn wenn die Parteien als Beschaffenheit des Pferdes die Röntgenklasse II vereinbart haben, dann liegt eine Abweichung der Istbeschaffenheit des Pferdes von seiner Sollbeschaffenheit allein deshalb vor, weil die Parteien es so vereinbart haben. In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen des OLG, dass ohne weitere Symptome die Röntgenklasse IV keine (negative) Bedeutung habe, ohne Relevanz. Denn die Parteien entscheiden über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes, nicht das Gericht. Hier hilft auch nicht § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, der den Rücktritt dann ausschließt, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist. Denn wenn die Parteien eine bestimmte Röntgenklasse als Beschaffenheit vereinbart haben, und wenn diese nicht vorliegt, dann kann die Abweichung nicht unwesentlich sein.

Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis? Das Urteil hat für die Praxis des Pferdekaufs mehrere Konsequenzen. Die wichtigsten:

  1. Die Parteien sollten alle Abreden, insbesondere die Beschaffenheit des Pferdes, schriftlich festhalten.
  2. Die Parteien sollten klar zum Ausdruck bringen, dass der Vertrag abschließend ist, insbesondere dass alle mündlichen Abreden durch den Vertrag überholt sind, und dass allein das schriftlich Vereinbarte gilt.
  3. Keineswegs sollte man ein Pferd vorschnell kaufen: „der Wahn war kurz, die Reue lang“.
  4. Besonderes Augenmerk sollte dem schriftlichen Kaufvertrag gelten. Hier bedarf es kompetenter Beratung, um nicht mit bester Absicht in ein oder mehrere Fettnäpfchen zu treten. Gerne werden Musterkaufverträge aus Pferdezeitschriften genommen und dann in Teilen durch Individualabreden modifiziert. Nicht selten kommt dabei „Murks“ heraus.
  5. Käufern ist zu empfehlen, den Kaufvertrag nur unter der aufschiebenden Bedingung einer erfolgreichen Ankaufsuntersuchung („AKU“) zu schließen und dabei das Adjektiv „erfolgreich“ genau zu definieren. Fällt das Pferd durch die AKU, gibt es mangels Vertrag kein Problem mit der Rückgabe des Pferdes.

Im Ergebnis kann man auch bei diesem Urteil feststellen, dass die Schuldrechtsreform bei Pferdekaufverträgen zu großen Problemen geführt hat, die von den Gerichten nicht immer zufriedenstellend gelöst werden. Käufern kann man daher auch heute trotz des besseren Rechtsschutzes durch das BGB nur das raten, was man ihnen vor dem 01.01.2002 auch empfohlen hatte: caveat emptor – Augen auf beim Pferdekauf.

ws

Zum 1. Weihnachtsfeiertag

Freitag, 25. Dezember 2015
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Weihnachten und Jahresende eines Rechtsanwalts

Donnerstag, 24. Dezember 2015
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Das alte Jahr ist bald vorbei,
und es geschah so allerlei,
Viel Gutes und viel Schlechtes,
und manchmal auch Gerechtes.

Es scheint, recht langsam geht jetzt unsere Zeit,
das aber liegt nicht an der Dunkelheit.
Es ist die gute Weihnachtszeit,
sie bringt uns nicht nur Heiterkeit.

Sie bringt auch Ruhe in das Leben,
verlangsamt menschliches Bestreben.
Wir finden Zeit uns zu besinnen,
der Hektik können wir entrinnen.

Lasst uns genießen diese Zeit,
der Besinnung, der Freude und der Heiterkeit.
Der Anwalt macht jetzt seine Akten zu,
denn auch er freut sich an dieser Ruh.

Nach Weihnachten nimmt er die Arbeit wieder auf,
der Kampf um’s Recht nimmt (dann erst) seinen Lauf.
Doch jetzt ist er der Freude nah,
und singet laut Hallelujah.

ws

BGH vom 18.03.2015 – VIII ZR 176/14 – Überraschendes zu den Anforderungen der Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB – hier beim Pferdekauf

Donnerstag, 24. Dezember 2015
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91010_WS schwarz weißIn seinem Urteil vom 18.03.2015 präzisiert der BGH gegen die Vorinstanzen die Anforderungen an eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB. Dies fordert zu einer kritischen Betrachtung heraus.

Worum ging es? Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 3. Mai 2011 für 15.000 € einen Fuchswallach. Mit Anwaltsschreiben vom 2. August 2012 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer unheilbaren „Kissing Spines„-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei.

Die Klägerin begehrte Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von bezifferten Aufwendungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren mängelbedingten Aufwendungen zu erstatten. Ferner verlangt sie die Feststellung des Annahmeverzuges sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Es fehle für den Rücktritt an der nach § 323 Abs. 1 BGB notwendigen Fristsetzung. Der BGH sieht das anders. Nach Auffassung des BGH genügt ein Verlangen zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Ab. 1 . 1BGB vor einem Rücktritt vom Kaufvertrag den zu stellenden inhaltlichen Anforderungen, wenn darin lediglich die Aufforderung enthalten ist, das Pferd auszutauschen, mit der Ankündigung, anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen. Einer ausdrückliche Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf es nach Auffassung des BGH nicht. Es soll nach dem BGH ausreichen, wenn der Käufer durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Verkäufer für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht.

Das Urteil mag in dem vom BGH entschiedenen Fall richtig sein. Denn nach 5 Abs. 5 des Kaufvertrages hatten die Parteien, wie aus dem Urteil am Ende zu lesen ist, ausdrücklich eine Nachbesserung durch Lieferung eines vergleichbaren Pferdes vereinbart. In einer solchen Konstellation ist eine Nacherfüllung möglich. In anderen Fällen, in denen die Parteien dazu nichts vereinbart haben, wäre die Entscheidung des BGH falsch gewesen. Denn nach dem mitgeteilten Sachverhalt war das Pferd unheilbar krank. Und bei einer unheilbaren Krankheit ist eine Nacherfüllung im Sinne der Beseitigung des Mangels ausgeschlossen. Denn ein unheilbar krankes Pferd kann niemand heilen, der Sachmangel ist also nicht behebbar.

Der Verkäufer kann den Käufer in einem solchen Fall – jedenfalls ohne ausdrückliche Vereinbarung – auch nicht auf die Möglichkeit der Lieferung eines vergleichbaren Pferdes als Nacherfüllung verweisen. Denn nicht dem Verkäufer, sondern dem Käufer steht das Recht zu, die Art der Nacherfüllung zu wählen: entweder Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 BGB). Möchte der Käufer aber keine (andere) Sache als Nacherfüllung, bleibt nur die die Beseitigung des Mangels. Die aber ist bei einer unheilbaren Krankheit ausgeschlossen, weil objektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).

Wenn aber dem Verkäufer die Leistung unmöglich ist, wäre er selbst bei einer – ersichtlich sinnlosen – Aufforderung durch den Käufer dazu nicht verpflichtet, denn er ist davon nach § 275 Abs. 1 BGB befreit. Entsprechend dazu bedarf es in einer solchen Konstellation auch nicht der Aufforderung an den Verkäufer, den Mangel zu beseitigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Eine solche Aufforderung wäre offenbar sinnlos.

In allen anderen Fällen dagegen ist dem Käufer eine Aufforderung zur Nacherfüllung dringend zu empfehlen.

Aber auch der Auffassung des BGH, einer ausdrücklichen Fristsetzung habe es im Streitfall nicht bedurft, vermag ich mich nicht anzuschließen. Denn der Schuldner der Nacherfüllung muss wissen, woran er ist. Das aber ist nur der Fall, wenn der Gläubiger ihm sagt, bis zu welchem Zeitpunkt er eine Nacherfüllung akzeptiert. Das ist der Sinn der Fristsetzung. Ohne Kenntnis dieses Zeitpunktes ist der Schuldner schutzlos. Das zeigt sich gerade in dem vom BGH entschiedenen Fall. Zwar kann der Schuldner das unheilbare Pferd selbst bei großzügigster Frist nicht heilen. Er hätte aber, was die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dem Käufer ein vergleichbares Pferd liefern können. Dazu hätte der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen müssen. Erst nach Ablauf dieser Frist hätte er von dem Vertrag zurücktreten können. Es bleibt abzuwarten, ob die Auffassung des BGH Bestand haben wird.

ws