Archiv für Juli 2015

Ein Fehler kommt selten allein: 1. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde ist unzulässig, und 2. Irren ist menschlich, nicht aber für Berater | BFH – Beschluss vom 12.6.2015, III B 81/14

Dienstag, 28. Juli 2015
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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookIn dem BFH – Beschluss vom 12.6.2015 ging es zunächst einmal um eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Entscheidung eines Finanzgerichts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung. Es ging aber auch darum, ob die Erklärung über die Rücknahme der zunächst eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden durfte.
Eine beim Finanzgericht beantragte Aussetzung der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheides für 2006 hatte keinen Erfolg. Die Beschwerde an den BFH ließ das Finanzgericht nicht zu. Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit „Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision“ gegen den Beschluss des FG an den BFH. Nur kurze Zeit später teilte er mit, dass er die Nichtzulassungsbeschwerde zurücknehme. Der BFH stellte das Verfahren durch Beschluss ein. Daraufhin beantragte der Antragsteller, den Einstellungsbeschluss aufzuheben und das Verfahren fortzuführen. Er trug vor, dass ein Erklärungsirrtum vorgelegen habe. Er habe die Aktenzeichen verwechselt und mit der Rücknahme der Beschwerde eine Erklärung abgegeben, die er so gar nicht habe erklären wollen.

Der BFH schien aber offensichtlich Interesse daran zu haben, über die Frage der Anfechtung der Rücknahme der Beschwerde zu entscheiden. Denn er hätte darüber gar nicht zu entscheiden brauchen. Denn schon die Beschwerde war unzulässig. Die FGO kennt eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde bei einer Entscheidung des FG über einen Antrag auf AdV nicht. Trotzdem wollte es der BFH sich nicht entgehen lassen, zur Frage der Anfechtbarkeit der Rücknahme der Beschwerde etwas auszuführen. Wörtlich führte der BFH in seinem Beschluss aus:

„b) aa) Die Rücknahme einer Beschwerde ist als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und kann auch nicht –etwa in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen– angefochten werden (vgl. zur Klagerücknahme z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 40/05, BFHE 215, 53, BStBl II 2007, 271, m.w.N.).

Wird –wie hier– ein rechtskundiger Prozessvertreter tätig, kommt –anknüpfend an die Regelung des § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO– ein Widerruf der Rücknahme der Beschwerde ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Wiederaufnahmegrund i.S. der §§ 579, 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben ist oder die Rücknahme auf einem offenkundigen Versehen beruht (BFH-Beschluss vom 12. August 2009 X S 47/08 (PKH), BFH/NV 2009, 1997; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 72 FGO Rz 30 f.).

bb) Ein derartiger Ausnahmefall liegt im Streitfall indes nicht vor. Ein Wiederaufnahmegrund i.S. der §§ 579 und 580 ZPO ist nicht gegeben. Auch liegt kein offenkundiges Versehen vor. Zwar hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom 22. Oktober 2014 auch auf ein anderes Aktenzeichen (8 V 2653/14) des FG Bezug genommen. Nachdem betreffend dieses weiteren Aktenzeichens (8 V 2653/14) kein Verfahren beim BFH anhängig war und der Antragsteller in diesem und weiteren Verfahren auch inhaltliche Verknüpfungen zu anderen Verfahren hergestellt hat, war weder ersichtlich, welche genauen Motive der Beschwerderücknahme zugrunde lagen, noch erkennbar, dass die Rücknahmeerklärung auf einem Versehen beruhen könnte. Es bestand daher kein Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass Angehörige der steuerberatenden Berufe mit ihren Prozesserklärungen beim Wort zu nehmen sind (z.B. BFH-Beschluss vom 14. Juni 2011 V B 24/10, BFH/NV 2011, 1532, m.w.N.).“
Vereinfacht gesagt, bedeuten die Ausführungen des BFH: „Irren ist menschlich, nicht aber für Angehörige der steuerberatenden Berufe“. Diese sind, wie der BFH so schön formuliert, mit ihren Prozesserklärungen beim Wort zu nehmen. Die Reaktion des Mandanten des Prozessbevollmächtigten zu den Ausführungen des BFH ist uns nicht bekannt.
ws

Bundesverfassungsgericht vom 22.10.2014: „mit dem / der Zweiten sieht man besser“, nicht aber im katholischen Krankenhaus: die zweite Ehe als Kündigungsgrund

Montag, 27. Juli 2015
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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookEin katholisches Krankenhaus in Düsseldorf hatte einem Chefarzt gekündigt, weil dieser zum zweiten Mal geheiratet hatte. Der Arzt ging gegen die Kündigung vor und bekam in allen Instanzen Recht. Auch das BAG hatte nach Abwägung der Sonderrechte der Kirche und gegen die Rechte des Arbeitnehmers die Kündigung für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein. Nach der Lehre der katholischen Kirche ist die Ehe unauflöslich. Eine Scheidung ist nicht vorgesehen. Auch wenn sich Ehepaare scheiden lassen, ist damit die Scheidung als solche nicht anerkannt. Die Scheidung gilt in der katholischen Kirche als Sünde.
Das Bundesverfassungsgericht (Az.: 2 BvR 661/12) entschied, dass die katholische Kirche Mitarbeitern kündigen darf, wenn diese ein zweites Mal heiraten. Die Richter sind der Auffassung, dass die verfassungsrechtlichen Sonderrechte der Kirche verletzt sind, wenn die Arbeitsgerichte eine Kündigung wegen Illoyalität bei erneuter Heirat als unwirksam ansehen. Zudem dürften Arbeitsgerichte dieses „kirchliche Selbstverständnis“ nur eingeschränkt überprüfen.

ws

Anwaltsgerichtshof NRW vom 29.05.2015: Schlichte Roben vor Gericht

Donnerstag, 23. Juli 2015
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91010_WS schwarz weißEin Anwalt aus Köln bedruckte seine Anwaltsrobe mit seinem Namen und seiner Internetadresse. Bei der Rechtsanwaltskammer Köln fragte er daraufhin nach, ob er diese Robe vor Gericht tragen dürfe. Diese Anfrage wurde mit der Begründung abgelehnt, dass solch eine Beschriftung als „Werbung“ zu verstehen sei und gegen § 43b BRAO i.V.m. § 61 BORA verstößt. Dabei geht es um die sachliche Unterrichtung der beruflichen Tätigkeit, die bei dem Anwalt in Form einer Werbemaßnahme überschritten sei.

Mit dieser Antwort konnte sich der Kölner Anwalt jedoch nicht zufrieden geben und reichte nach belehrendem Hinweis der RAK Köln eine Klage bei dem Anwaltsgerichtshof NRW ein. Dieser teilte die Auffassung der RAK Köln und fügte hinzu, dass eine bestickte Robe ein werbender Zweck sei und zudem gegen § 20 BORA verstoße. Nach Meinung des AGH NRW, Aktenzeichen 1 AGH 16/15, entspricht eine bestickte Anwaltsrobe nicht der üblichen Berufstracht der Anwälte, so wie es verlangt wird.

ws

 

Verwaltungsgericht Stuttgart vom 16.03.2015: Unterrichtsauschluss wegen Weitergabe eines Computer-Passwortes

Montag, 20. Juli 2015
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Der Unterricht im Computerraum einer Schule sollte lehrreich und spannend für die Schüler sein. In diesem Fall aber kam es nicht nur zu einem Unterrichtsausschluss, sondern auch zu einer Persönlichkeitsverletzung eines Schülers.

Anfang Dezember 2014 hatte der Antragsteller im Computerraum seiner Schule das Passwort eines anderen Schülers gefunden. Dieses gab er einem weiteren Schüler preis. Die beiden riefen damit unter Anderem pornographische Seiten auf und speicherten das Computerspiel „Counterstrike“ in dem Schülertauschverzeichnis. Durch das Herunterladen der pornographischen Seiten änderten die Schüler zugleich das Schülerprofil des Betroffenen, dem das Passwort gehörte. Die Schulleiterin schloss den Passwort-Dieb für vier Tage vom Unterricht aus. Dagegen legte der Schüler Widerspruch ein. Bei dem Verwaltungsgericht beantragte er, den sofortigen Vollzug des Unterrichtsausschlusses auszusetzen.
Nach dem Verwaltungsgericht, Aktenzeichen 12 K 1320/15, ist mit der unstreitigen Weitergabe des Computer-Passwortes an den Mitschüler ein schweres Fehlverhalten gegeben, mit dem die Rechte des Schülers, dem das Passwort zustand, verletzt worden waren. Dem Antragsteller hätte klar sein müssen, dass das Passwort missbräuchlich genutzt werde. Besonders erschwerend komme hinzu, dass der Antragsteller Mitglied bei der Hardware-AG der Schule war, die unter anderem als Aufgabe hat, das Aufrufen und Herunterladen von solchen Daten zu verhindern oder gar bei der Schulleitung anzuzeigen. Dies hat der Schüler nicht nur unterlassen, sondern er hatte auch versucht, es zu vertuschen. Durch die Weitergabe des Passwortes habe der Schüler die Nutzung und Veränderung des fremden Schülerprofils veranlasst. Damit sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Schülers (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt worden. Die Schulleiterin sei also zurecht davon ausgegangen, dass andere pädagogische Maßnahmen im Einzelfall nicht ausreichend und mildere Mittel nicht ersichtlich waren.

ws

OLG Karlsruhe vom 03.09.2014: „Schweigen ist Gold“: Schweigepflicht über den Tod hinaus

Donnerstag, 16. Juli 2015
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Schweigepflicht – wie ernst wird dieser Begriff eigentlich noch genommen? Nach dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 03.09.2014, 12 W 37/14, ernster als je zuvor. Worum ging es? Als ein Begünstigter von der Lebensversicherung die Auszahlung der Versicherungssumme nach dem Tode seines Vaters verlangte, erhielt er die überraschende Antwort, sein Vater habe die Gesundheitsfragen „falsch“ beantwortet. Mit der Behauptung, keinen Hausarzt gehabt zu haben, focht die Versicherung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Doch diese Aussage konnte die Versicherung nicht beweisen. Der Hausarzt Dr. G. verweigerte seine Zeugenaussage unter Verweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs.1 Ziff. 6 ZPO.

Nach dem Urteil des OLG ist das zulässig: der Arzt dürfe sich auf seine Schweigepflicht berufen, außerdem gäbe es offensichtlich keine Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Willens des Verstorbenen. Dieser hätte nicht gewollt, dass der Arzt aussagt. Da die Beweislast bei der Versicherung liegt und die arglistige Täuschung des Verstorbenen ohne die Aussage des Arztes praktisch nicht zu beweisen war, erhielt der Begünstigte die Auszahlung.

ws

„Wegfallgewinn“: BFH bleibt mit Urteil vom 15.04.2015 bei seiner Rechtsauffassung zum Rangrücktritt mit leichter Modifikation zu den Folgen

Sonntag, 12. Juli 2015
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91007 Linus Fliege_3Mit seiner Entscheidung vom 15.04.2015 (I R 44/14) bleibt der BFH bei seiner Linie, dass nicht jede Art eines zu einer Verbindlichkeit erklärten Rangrücktritts dazu führt, dass die Verbindlichkeit bestehen bleibt (und damit kein Gewinn infolge Wegfalls der Verbindlichkeit anfällt – „weniger arm = mehr reich“ = Gewinn). Er ergänzt sie aber konsequent.

Während ein Forderungsverzicht bei dem Schuldner zum Wegfall der Verbindlichkeit und damit steuerrechtlich zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens nach § 4 Abs. 1 EStG führt, versucht die Praxis, diesem nicht gewünschten Ergebnis (wem es so schlecht geht, dass Gläubiger auf Forderungen verzichten, der braucht keinen zu versteuernden Gewinn ohne Zufluss von Liquidität) mit einem Rangrücktritt zu begegnen. Rangrücktritt heißt vereinfacht gesagt, dass die Verbindlichkeit zwar bestehen bleibt, sie aber bei Fälligkeit nicht bezahlt werden muss, sondern erst dann, wenn bestimmte Bedingungen eingetreten sind. Weiterer Vorteil: in einem insolvenzrechtlichen Status sind solche Verbindlichkeiten nicht auszuweisen, eine Überschuldung kann damit beseitigt werden. Wirtschaftlich betrachtet sind der Rangrücktritt und der auflösend bedingte Forderungsverzicht (Der Verzicht wird heute erklärt, die Forderung erlischt sofort, sie entsteht aber wieder bei Eintritt bestimmter Bedingungen) einander daher ähnlich.

Es liegt auf der Hand, dass bei der Formulierungen eines Rangrücktrittes der kautelarjuristischen Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Doch da wird’s ohne profunde Kenntnisse des Steuerrechts gefährlich. Das Steuerrecht greift durch die Sonderregelung des § 5 Abs. 2a EStG in der Weise in die Gestaltung ein, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Das gilt auch für Rangrücktritte.

Es bedarf daher schon der passenden Formulierung, um das unerwünschte Entstehen eines steuerlichen Gewinns durch einen Rangrücktritt zu vermeiden.

Positiv an der Entscheidung des BFH: wenn der Rangrücktritt nicht betrieblich veranlasst ist, ist die Gewinnerhöhung durch den – falsch formulierten – Rangrücktritt (Wortschöpfung des BFH: „Wegfallgewinn„) zu neutralisieren (als Einlage). Wermutstropfen: das erkennt der BFH aber nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung an, und dieser Teil dürfte in der Praxis in den meisten Fällen nicht sehr hoch sein. Denn bei werthaltigen Forderungen besteht kein Anlass, einen Rangrücktritt zu erklären.
ws

Über die (Un)Logik des Referendums am 5. Juli 2015 in Griechenland

Sonntag, 05. Juli 2015
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91007 Linus fliege orange_1Betrachtet man das Referendum in Griechenland mit den Methoden der Logik, dann erhält man folgende Ergebnisse: (1) Das griechische Volk stimmt über die Annahme eines Angebotes ab, für das die Annahmefrist bereits abgelaufen. (2) Die Regierung, die dem Volk rät, das Angebot abzulehnen (mit „Nein“ zu stimmen), und die das Vertrauen und die Akzeptanz bei den Verhandlungspartnern verspielt hat, will gestärkt in weitere Verhandlungen eintreten. Was aber gibt es zu verhandeln, wenn die Regierung sich vom Volk nur hat bestätigen lassen, dass man das Angebot für nicht akzeptabel hält? Ein „Nein“ als Ergebnis des Referendums zementiert bestenfalls die bereits bekannte Ablehnung, es stärkt aber nicht die Regierung. Denn die Regierung repräsentierte auch schon bisher das griechische Volk. (3) Mit einen „Nein“ sind keine neuen Vorschläge verbunden. (4) Wer genau wissen will, worüber er abstimmt, der muss die auf dem Stimmzettel nur sehr rudimentär bestimmten EU-Papiere lesen, die für die meisten Menschen schon gar nicht verstehbar sind. Und selbst wenn: siehe (1).  (5) Und zum Schluss ganz einfach: wer die Konditionen eines Kredits oder einer Hilfe nicht akzeptiert, der muss sich auch nicht wundern, wenn er keine Gelder mehr bekommt.

Ganz gleich, wie die Sache am 5. Juli 2015 ausgeht, Griechenland wird schweren Zeiten entgegengehen. Nicht nur der Staat wird zahlungsunfähig bleiben, die Banken werden zusammenbrechen. Bei allem Respekt vor dem Bemühen der griechischen Regierung: sie hat sich nach meiner Meinung verzockt.

ws

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BFH-Urteil vom 10.03.2015: ein Notarassessor ist kein Kellner, oder doch ?

Sonntag, 05. Juli 2015
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Random_Coil_Logo_Blog_FacebookNein, es war nicht der 1. April. So einfach ist das Urteil nicht erklärt. Die Dinge müssen komplizierter liegen, zumal das Finanzgericht die Revision gegen seine Entscheidung an den BFH zugelassen hatte. Und das ist ja schon seit vielen Jahren die absolute Ausnahme. Im Regelfall ist bei dem Finanzgericht „Endstation„. Es ist schon verwunderlich, worüber der BFH so zu entscheiden hat, aber das Gericht kann sich die Verfahren ja auch nicht aussuchen. Mit Urteil vom 10.03.2015, VI R 6/14, kam der BFH zu dem Ergebnis, dass freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit keine Trinkgelder nach § 3 Nr. 51 EStG und damit nicht steuerfrei seien. Dabei legte der BFH den Begriff „Trinkgeld“ lebensnah aus. Das Urteil zeigt zudem schön den Status eines Notars. Den kann man nicht wie einen Kellner herbeiwinken und etwas bestellen. Der Notar und auch sein Vertreter üben ein öffentliches Amt aus.
Auch hier frage ich mich – in Richtung der Kläger – nach der Lektüre des Urteils: sind 1.000,00 zu versteuernde Euro einen solchen Aufwand wert? Wenn es um die Rechtsfortbildung ginge, ja, wenn es um’s Recht behalten und ca. 400 Euro Steuern geht, nein.

ws

Griechenland vor dem Referendum am 5. Juli 2015 – ketzerische und offene Gedanken eines Nicht – Ökonomen

Freitag, 03. Juli 2015
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91010_WS schwarz weißIch habe das „Griechenland – Thema“ immer am Rande verfolgt. Ich habe mich darüber gewundert, dass man so lange und – in meiner Wahrnehmung aus der Presse – unstrukturiert und ziellos, man könnte meinen, es ginge nur um Zeitgewinn, aber wofür? – ohne Ergebnis verhandeln kann. Nachdem sich die Situation in den letzten Wochen zuspitzte, habe ich versucht, mich ein bisschen intensiver mit dem Thema zu befassen und es zu verstehen. Dazu habe ich mir nicht wenige dieser Talkrunden im Fernsehen angesehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das eine oder andere, was Ökonomen dort zum Besten gegeben haben, nicht verstanden. Das beunruhigt mich aber auch nicht, weil es auch solche Veranstaltungen gab, wo hochdekorierte Ökonomen sich, vereinfacht gesagt, wechselseitig bezichtigten, Unsinn zu verbreiten.

So ganz verstehen kann ich den Aufstand, der um das Thema gemacht wird, noch immer nicht. Für Griechenland als Staat mag das Thema sicherlich von existenzieller Bedeutung sein, für die übrigen Länder der EU ist die Bedeutung dagegen bei weitem nicht so groß, wie die mediale Aufmerksamkeit es vermuten lassen sollte. Und für den Rest der Welt ist Griechenland nach meiner Einschätzung völlig unbedeutend.

Das Bizarre an dem Thema ist nach meiner Einschätzung nicht so sehr das eigentliche Problem. Denn das Problem einer Verschuldung und das Problem, die Wirtschaft aufzubauen, ist Sache eines jeden Nationalstaates. Warum dabei andere Staaten oder die EU helfen sollten, erschließt sich mir nicht. Ich habe mein Büro auch alleine aufgebaut, ich habe mich dabei nicht verschuldet. Auch Staaten ist es unbenommen, Darlehen aufzunehmen, um Ausgaben zahlen zu können. Dieses Modell ergibt aber nur Sinn, wenn die Aussicht besteht, dass diese Darlehen auch zurückgezahlt werden können. Ohne diese Aussicht wird ein Staat ebensowenig wie eine andere Person einen Geldgeber finden, der bereit ist, ihn zu unterstützen. Alles andere sind politische Hilfsaktionen, die wohlüberlegt sein wollen.

Die Hilfsbereitschaft der EU-Länder ist nach meinem Verständnis bei dieser Ausgangslage riesengroß. Es gibt einen Schuldner, für den es nach meiner Wahrnehmung selbstverständlich ist, dass er in der Vergangenheit sehr großzügig mit Geld bedient worden ist, und der sich jetzt so aufführt, als sei es eine Frechheit, die Unterstützungsleistungen einfach einzustellen. Die Maßnahmen, die die Geldgeber von Griechenland fordern, kenne ich im Einzelnen nicht. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier darum geht, dass die Geldgeber Griechenland ein bestimmtes Paket diktieren möchten. Ich kann mir vorstellen, dass die Geldgeber selbstverständlich auch bereit sein dürften, ein von Griechenland vorgelegtes tragfähiges Konzept als Grundlage für weitere Kredite zu akzeptieren.

Hatte ich zu Anfang noch gedacht, dass die handelnden Personen der Regierung in Griechenland intelligente und strategisch handelnde Köpfe und geschickte Verhandler sind, so ist diese Vorstellung mittlerweile dem Eindruck gewichen, dass hier bloß eitle und sich selbst überschätzende Machtmenschen am Werk sind, die nur wissen was Sie nicht wollen, die aber leider nicht sagen können oder wollen, was denn Ihrer Meinung nach geschehen sollte.
Unterdessen verwundert derzeit noch, wie ruhig es in Griechenland ist. Ich fürchte aber, je länger die Zeit andauert, dass die Menschen kein Bargeld von den Banken gehalten, desto schlimmer wird es werden. Tiefgreifende Reformen sind im eigenen Interesse von Griechenland, nicht nur im Interesse der Geldgeber. Es geht auch nicht darum, dass Griechenland am Gängelbändchen der EU laufen oder gar erniedrigt werden soll. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Geldgeber, wie andernorts auch üblich, ihr Geld gerne wieder zurückhaben möchten. Und wenn die Situation, die sie vorfinden, Ihnen diesen Glauben nicht gibt, dann werden sie kein Geld geben. Das geht jedem Unternehmen so, dass geht jeder Privatperson so. Es gibt für Staaten insoweit keine Sonderrechte, es sei denn, es handelt sich um einen humanitären Akt.
Ich bin gespannt, wie das Referendum ausgeht, und ich bin noch deutlich gespannter, was danach passieren wird. Das ist nach meiner Einschätzung viel spannender als der Ausgang des Referendums. Und die Börsen hat es nicht interessiert.
ws