beA – das besondere elektronische Anwaltspostfach – startet nicht zum 01.01.2016 – woran liegt das?
Wer das schon seit einigen Jahren vorhandene EGVP – elektronisches Gerichts-und Verwaltungspostfach – für die Kommunikation mit Gerichten nutzt oder, besser gesagt, nutzen möchte, weiß, dass diesem System eine sehr gute Idee zu Grunde liegt. Es sollte im Rechtsbereich die Papierwelt in eine digitale Welt führen. In der Praxis ist daraus ebenso wenig geworden wie die Versuche, mündliche Verhandlungen per Videokonferenz zu führen. Allein das zuletzt genannte Projekt ist an einer konstanten Verweigerungshaltung der überwiegenden Mehrzahl der Gerichte gescheitert, für die es eben einfacher ist, die Parteien anreisen zu lassen, statt sich mit Technik zu belasten.
Wir mussten feststellen, dass sich das EGVP schon allein deshalb nicht richtig hat durchsetzen können, weil viele Gerichte über dieses System schlicht und ergreifend nicht erreicht werden konnten. Die Gerichte haben sich dem System einfach verweigert. Der Verbreitung des Systems ebenfalls nicht förderlich war, dass es doch deutlich zeitaufwendiger ist, ein Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, statt es einfach zu unterzeichnen und per Telefax zu versenden. Die Steinzeittechnik schlägt die Moderne; ein katastrophaler Befund für unser Rechtssystem. Das EGVP selbst ist dabei durchaus benutzerfreundlich und einfach zu verstehen. Denn es ist im Grunde genommen einfach eine Plattform, um Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen und dann, praktisch wie eine E-Mail, zu versenden. Auch der support ist hervorragend. Wenn es, was nicht selten war, Probleme mit dem System gab, dann war der support immer schnell und kompetent zur Stelle.
Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Väter des zum 1.1.2016 startenden besonderen elektronischen Anwaltspostfachs aus den Fehlern und der mangelnden Akzeptanz des EGVP gelernt haben sollten. Grundsätzlich ist es daher sehr zu begrüßen, dass die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sich vor etwa 2 Jahren darum bemüht hat, den gesetzlichen Auftrag, ein solches System für alle Rechtsanwälte zu entwickeln und einzuführen, zu erhalten. So sollte sichergestellt werden, dass die Anwälte auch wirklich ein System erhalten, dass ihren Ansprüchen genügt.
Ich habe zu diesem Thema an einer Mitgliederversammlung der Rechtsanwaltskammer Hamm im Jahr 2014 teilgenommen. Dort erläuterte eine Referentin der BRAK, was man von Seiten der BRAK alles unternommen habe, damit dieses System wirklich die Anforderungen der Rechtsanwaltschaft erfülle und pünktlich zum 1.1.2016 an den Start gehen könne. Dort war von Lastenheften und Projektplänen die Rede, die man erstellt habe, um ein wirklich sehr gutes System zu erhalten.
Vor kurzem musste jetzt die BRAK den Rückzug antreten und mitteilen, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach doch nicht zum 1.1.2016, sondern später (Zeitpunkt unbekannt) kommen wird. In den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Dezember 2015 auf Seite 265 teilt die Kammer jetzt mit, dass System könne nicht wie geplant zum 1.1.2016 eingeführt werden, weil die hohen Anforderungen, die die Kammer an die Nutzerfreundlichkeit gestellt hätte, von dem System noch nicht erfüllt würden. 2 Jahre seien eben doch eine kurze Zeit für ein solches Großprojekt. Das beauftragte Unternehmen Atos werde jetzt einen „neuen Projektplan vorlegen, aus dem sich dann auch ein neuer Starttermin ergeben wird.“
Diese Aussagen der BRAK sind doch einigermaßen überraschend. Denn wenn es für dieses Projekt vom Start bis zum Ziel 2 Jahre Zeit gab, und wenn die Kammer einen ordentlichen Projektplan und ein ordentliches Lastenheft gehabt hatte, dann ist es nicht verständlich, warum die fristgerechte Einführung des Systems zum 1.1.2016 ausgerechnet an den angeblich nicht erreichten Anforderungen an die Nutzerfreundlichkeit gescheitert sein sollte.
Das besondere elektronische Anwaltspostfach hat aber noch eine weitere Schwachstelle: Ein solches Postfach richtet die BRAK nur für Rechtsanwälte ein, die natürliche Personen sind. Wer aber seinen Beruf in einer Partnerschaft oder in einer GmbH oder einer AG ausübt, der erhält kein Postfach für die Partnerschaft, GmbH oder AG. Hier erhält jeder Anwalt sein eigenes Anwaltspostfach, auch wenn er es gar nicht nutzt. In unserer Gesellschaft ergibt sich damit die unsinnige Konsequenz, dass unsere GmbH über kein Anwaltspostfach verfügt, wohl aber der Autor als natürliche Person. Der aber vermag mit dem für ihn einzurichtenden Postfach nichts anzufangen, weil er als Einzelanwalt – verständlicherweise – nahezu gar nicht mehr aktiv ist. Seine anwaltliche Tätigkeit übt der Autor als angestellter Geschäftsführer der Rechtsanwalts-GmbH aus.
Wir dürfen also weiter gespannt sein, wie das besondere elektronische Anwaltspostfach bei seinem Start wirklich aussehen wird. Die Rechtsanwaltskammer jedenfalls hat die Erwartungshaltung der Anwaltschaft, was die Nutzerfreundlichkeit des Systems angeht, noch einmal deutlich nach oben geschraubt.
Eins allerdings lässt sich an dem System jedenfalls schon jetzt nicht mehr korrigieren: Die völlig misslungene Abkürzung für das System mit „beA“. Wie wäre es stattdessen mit „BEAP“ oder „beap“ oder „BAP“?
ws