Archiv für die Kategorie 'Die Anwaltschaft'

Thema mit Zukunft: Vergütungsvereinbarungen – Urteil des LG Oldenburg vom 21. Juni 2012 bringt weitere Rechtssicherheit (auch zu § 308 Nr. 5 BGB)

Dienstag, 03. Juli 2012
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Am 21. Juni 2012 hatte das LG Oldenburg (16 O 2932/11) in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer  Vergütungsvereinbarung eines Anwalts zu entscheiden. Das Landgericht bestätigte mit seinem Urteil die bisherige Rechtsprechung, auch der Oberlandesgerichte, zu dem Thema. Es hielt eine Klausel in einer Vergütungsvereinbarung, nach der den Mandanten übersandte Zeitaufstellungen als anerkannt gelten, für wirksam, wenn diese den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 308 Nr. 5 BGB, entspricht.

In dem vom LG Oldenburg entschiedenen Rechtsstreit hatte der Mandant auf die Rechnung einfach gar nichts gezahlt, nicht einmal den Teil des Honorars, den er selbst für angemessen hielt. Obwohl der Mandant von dem Anwalt während der gesamten Betreuung zeitnah über alle Schritte informiert worden war, und alle Schritte im Vorhinein mit ihm abgestimmt worden sind, ließ das Gericht einfaches Bestreiten der abgerechneten Tätigkeiten durch den beklagten Mandanten ausreichen und erhob Beweis über die berechneten Tätigkeiten. Den geltend gemachten Zeitaufwand erkannte das Gericht danach bis auf eine kleinere Position als in vollem Umfang berechtigt an.

Der Stundensatz betrug 250 € für den Partner und 185 € für einen Associate mit weniger als 3 Jahren Berufserfahrung.

Einen Vergleich über rd. 70 % der Honorarforderung hatte der beklagte frühere Mandant abgelehnt. Der jetzt zu zahlende Betrag liegt weit darüber. Zudem wurden die Kosten gequotelt. Wir meinen, dass eine Vergütungsvereinbarung für Transparenz in der Abrechnung sorgt. Ebenso wie gute Produkte nur gegen gutes Geld zu haben sind, ebenso ist auch eine gute Beratung nur gegen gutes Geld zu haben. Häufig wird dabei übersehen, dass in dem in Rechnung gestellten Stundensatz alle Kosten des Büros inklusive Personal samt abzuführender Arbeitgeberanteile, Miete, Büroausstattung, (online) Bibliothek, Fortbildung,  Haftpflicht usw. enthalten sind. Die Situation der Anwälte ist eine ganz andere als die der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die einen anderen Multiplikator und viel mehr Dauermandate mit den immer wiederkehrenden Arbeiten haben. Eine sehr gute Beratung im anwaltlichen Bereich dagegen ist eine individuelle Arbeit, die auch mehr kostet als die Garderobe von der Stange. Zudem verlangen die Mandanten auch in den Großkanzleien immer mehr die persönliche Betreuung durch den Partner.

Vertrauen ist gut, (gute) Verträge sind besser – Geschichten aus dem wahren Leben – die junge Witwe, der Bierkönig, die Stiftung und die (nicht lege artis erfolgte?) Anfechtung

Samstag, 16. Juni 2012
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Das wahre Leben spielt sich nicht in der Welt der Juristen ab, sondern in der Welt ihrer Mandanten. Und die ist nicht so, wie Juristen das in ihrer Ausbildung gelernt haben. Wer das als Berater nicht verstanden hat, hat den Beruf verfehlt. Daher sind Rechtsanwälte gut beraten, das, was sie in der Ausbildung gelernt  haben, nicht als Heiligtum, sondern als Werkzeugkasten („tool-kit“) zu betrachten, den es einzusetzen gilt, um die Mandate und die mit ihnen verbundenen häufig komplexen Probleme bestmöglich zu lösen.

Wer seinen Beruf so versteht und sich engagiert und ohne Rücksicht auf Zeiten mit den Problemen seiner Mandaten, auch mit denen, sich die bei der Bearbeitung erschließen und an die der Mandant gar nicht gedacht hat, befasst, der trifft immer häufiger auf ein „Geiz ist geil“ Phänomen. Die Bereitschaft, individuelle gute Lösungen besser zu bezahlen als den „Anzug von der Stange“, nimmt immer mehr ab. Das ist erstaunlich, weil für Produkte wie das iphone ohne mit der Wimper zu zucken sogar uangemessene Preise gezahlt werden.   

Nehmen wir einmal als Beispiel die Patientenverfügung: die Bereitschaft, dafür einem Anwalt eine Vergütung zu zahlen, ist angesichts der Massen an „Mustern“ im Internet sehr gering. Eines aber ist sicher: das bloße Ausfüllen von Mustern und das Ankreuzen nach „mutliple choice“ ersetzen keine (wohlgemerkt) qualifizierte Beratung. Wenn der Anwalt aber auch nicht mehr macht, als das Muster mit Namen usw. zu versehen, ist die Einstellung, dafür kein nennenswertes Honorar zu zahlen, auch für uns verständlich.

Wenn aber der Mandant verstanden hat,dass die Patientenverfügung ein komplexes Instrument mit vielen Haken und Ösen, und zudem nur ein Baustein in einem ganzen Strauß von Regelungen ist, und dass er ohne eine gute Lösung anderen Menschen in Situationen, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bis hin zur Sicherheit eintreten werden, im schlimmsten Fall ausgeliefert ist, dann ändert sich die Situation und es wird schnell klar, welchen Wert gute Beratung hat.

Diese Erkenntnis gilt auch für den Fall des „Bierkönigs“ aus Frankfurt, Dessen junge Witwe ließ jetzt vom OLG Frankfurt am 15.06.2012 (7 U 221/11) feststellen, dass sie Alleinerin nach dem „Bierkönig“ geworden ist. Streitig war dies, weil die junge attraktive Witwe erst Erbin geworden war, nachdem der Erblasser einen Erbvertrag, nach dem eine Stiftung statt der Witwe Erbin geworden wäre, angefochten hatte.

Auch hier sieht man, dass gute Beratung teure Verfahren verhindern kann. In dem Fall des „Bierkönigs“ hatte nämlich die Stiftung Morgenluft „gewittert“, weil die notariell beurkundete Anfechtung des Erbvertrages, vereinfacht gesagt, nicht zu 100% lege artis war, und die Stiftung diesen „Hebel“ nutzen wollte, um die Witwe aus dem Rennen zu werfen.  

Das Thema ist durch das OLG noch nicht rechtskräftig entschieden, der BGH wird das letzte Wort haben. Wir lernen daraus, dass gute Beratung extrem wichtig ist. Weil sie aber mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein bloßer „Standard“, ist ein dafür geschuldetes Honorar zwangsläufig höher. Gute Mandanten wissen und honorieren das. Sie erwarten aber zu Recht eine Top-Beratung.

Dewey & LeBoeuf – Glanz und Elend einer Großkanzlei

Sonntag, 10. Juni 2012
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Eine Anwaltskanzlei insolvent, so etwas gab es noch nie. Wörtlich genommen ist das richtig, genau betrachtet dann aber auch wieder nicht. In Deutschland ereilte die renommierte Kanzlei Haarmann Hemmelrath das gleiche Schicksal. Wie aus der Presse bekannt ist, lag es auch hier an den Finanzen, die das Desaster auslösten. Hinzu kam ein Schadensersatzprozess, an dem zwar nichts dran war, der aber für negative Publizität sorgte. Die Kanzlei ging zwar nicht in die Insolvenz, sie wurde aber liquidiert. Die Partner zerstreuten sich in alle Winde. Weil die Kanzlei aber in der Rechtsform der GbR betrieben wurde, war die Insolvenz keine Lösung. Faktisch aber dürfte die Kanzlei auch pleite gewesen sein.

In der FAZ vom 09.06.2012 war jetzt nachzulesen, woran es bei Dewey lag: zuviel Schulden, u.a. gemacht, um erfolgsunabhängige Zahlungen an Partner, die man unbedingt an Bord holen wollte, leisten zu können. Wer jetzt aber meint, das Schicksal von Dewey sei in Deutschland nicht möglich, der irrt. Aus der FAZ vom 09.06.2012 war zu ersehen, dass auch in Deutschland tätige große Kanzleien mit Bankkredit arbeiten, eine namentlich geenannte Kanzlei hat die Einführung der SAP-Software mit Bankkredit gezahlt; Hoppla! Das ist angesichts der Tatsache, dass der größte Kostenblock einer Kanzlei die Pesonalkosten sind, und dass diese durch die Einnahmen zu finanzieren sein müssen (sonst passt etwas nicht), doch erstaunlich. Also doch zuviel Verwaltung oder zuviele Kosten, die nicht den erhofften Zweck erreichen?

Fest steht jedenfalls, dass auch die Großkanzleien nicht auf der Insel der Seligen leben. Die Rechnungen werden zunehmend kritisch beäugt, die Honorare gedrückt wo es geht. Das „Delegieren“ der Arbeiten in die zweite oder dritte Reihe wollen die Mandanten nicht mehr. Die Arbeit des Partners ist gefragt. Der leverage-effekt stellt sich so nicht mehr ein. Nicht nur bei den Kleinen, auch bei den Großen ist der Wettbewerb groß.  

Hinzu kommt, dass es bei den Großen immer wieder spin-offs gibt, die die gleiche Leistung bei viel kleinerem Kostenapparat den Mandanten viel individueller anbieten können. Was soll man auch auf einem Dickschiff, wenn man auf einem Schnellboot besser aufgehoben ist? Und ob man als Anwalt in einer für den Einzelnen intransparenten Großkanzlei, auch wenn sie nach außen hin eine noch so große Strahlkraft zu haben scheint, gut aufgehoben ist, sollte man sich gut überlegen. Ein perfekter Auftritt in dunkelgrauem oder schwarzem Anzug und auf Hochglanz gebürsteten Schuhen steht jedem Anwalt gut, über die Qualität der Arbeit sagt das nicht.  

Am Beispiel Dewey sieht man aber auch, dass das Wort „Partnerschaft“ in den meisten Fällen eine hohle Phrase ist. Eine echte Partnerschaft würde in der Krise zusammenstehen. Was aber passiert: die Kanzlei zerlegt sich selbst, alle verlassen das sinkende Schiff.

Erstaunlich ist dann aber doch, welche Rasanz ein solcher Prozess annimmt, und wie schnell dann das Ende kommt.

Was haben Anwälte und Waschmittelwerbung gemeinsam? Interessante Ansichten eines sprachbegabten „semantisch rationalen“ Anwalts zum Thema Marketing und Rechtsanwälte lassen uns erstaunt zurück.

Montag, 28. Mai 2012
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In der Zeitschrift eines Marketing-Clubs fand ich im hinteren Teil neben den Annoncen anderer Unternehmen auch die Annonce einer Anwaltskanzlei. Im vorderen Teil der Zeitschrift fanden sich – praktisch als Pendant dazu – „Interviews“ mit den Inhabern oder Geschäftsführern der Unternehmen, die die Annoncen geschaltet hatten. Ah, endlich einmal ein innovativer Kollege, dachte ich erfreut. Die Aussagen in dem Interview haben mich dann aber nicht nur nachdenklich gemacht, sondern ein wenig betroffen zurückgelassen. Eingangs des Interviews sagt der Kollege:
Marketing beschäftigt mich aus zwei Blickwinkeln. Da ist zum einen die Perspektive unserer Mandanten, die Marketing machen und dabei rechtsrelevant handeln. Zum anderen ist unsere Kanzlei Dienstleister, der selbst Marketingstrategien verfolgt.“

Das habe ich verstanden. Jeder Anwalt ist nicht nur Organ der Rechtspflege, sondern auch Unternehmer. Er ist daher gut beraten, Marketingstrategien zu verfolgen. Wenn man dann noch das Glück hat, Mandanten zu beraten ,die Marketing machen und „dabei rechtsrelevant handeln“, dann kann man sicher auch mal einen Blick über den Tellerrand werfen und schauen, wie denn andere Unternehmer und Unternehmen Marketing machen. Ich hoffte also darauf, bei weiterer Lektüre interessante Erkenntnisse eines offensichtlichen Insiders zu dem Thema „Marketing für Rechtsanwälte“ zu erfahren.

Die Hoffnung schien berechtigt, weil der Kollege nicht etwa das Marketing selbst entwarf, er lässt sich beraten: „Wir setzen hier auf die Expertise unserer professionellen Dienstleister.“ Das ließ auf noch größeren Erkenntnisgewinn als schon anfangs gedacht hoffen. Erste Zweifel kamen dann aber bei der weiteren Lektüre. Auf die Frage: „Das Thema Anwalt und Werbung scheint in Deutschland nach wie vor etwas schwierig zu sein. Woran liegt das?“ hätte ich ein paar Sätze zu den berufsrechtlichen Restriktionen gehört, die Werbung für Anwälte erschweren. Nichts von alledem fand ich in der ein wenig überbordenden Antwort: „Ich glaube, es liegt daran, dass der Anwalt eine durch differenzierte Sprache geprägte Leistung anbietet, deren Qualität einzuschätzen dem Ratsuchenden nicht möglich ist. Der Versuch des Anwalts, seine auf differenzierte Sprache gestützte Leistung sprachlich zu vermitteln, scheitert oft.“

Diese Antwort ließ mich doch etwas erstaunt zurück. Die „differenzierte Sprache“ ist also das Kernproblem, warum anwaltliche Leistungen der Mandantschaft „sprachlich“ nicht zu vermitteln sind. Wenn dem aber so ist, warum bemüht sich der Kollege nicht um eine verständlichere Sprache. Das geht doch auch. Ach ja, ich vergaß: der Anwalt muss ja nicht so sprechen, dass der Mandant es versteht. Der Mandant ist gefordert: er muss die „differenzierte“ Sprache der Juristen kennen. Schlagartig wurde mir auch die große Bedeutung des von BRAK und Langenscheidt herausgegebenen „Wörterbuch für Ihren Anwaltsbesuch“ klar. Die Auflage dieses Buches muss geradezu gigantisch sein. Auch nach wiederholtem Lesen hat sich mir nicht erschlossen, was die „differenzierte Sprache“ der Juristen mit Werbung von Anwälten und den damit verbundenen Problemen zu tun hat.

Richtig spannend aber wurde es zum Schluss, als der Kollege die von ihm erbetene Lösung des Problems der Werbung für Anwälte ebenso wortgewandt entwickelte: „Sagen wir: „wo man nicht sieht, ist fühlen keine Schande“. Wenn ich dem Ratsuchenden die Qualität meiner Leistung nicht semantisch rational vermitteln kann, muss ich versuchen, emotional sein Vertrauen zu gewinnen.“ Ah ja. Die Worte habe ich gelesen, was aber wollen sie mir sagen? Ich versuche es mal einfach: wenn mein Mandant mich nicht versteht, ist das nicht schlimm. Hauptsache, er vertraut mir. Das mag als Beobachtung wahr sein, aber warum sollte ein Mandant mir vertrauen, der mich nicht versteht? Das gilt wohl erst recht, wenn ich ihm die Qualität meiner Leistung nicht semantisch rational vermitteln kann. Wobei ich nicht weiß, was eigentlich „semantisch rational“ ist. Vielleicht von der Bedeutung her ein von der Vernunft getragenes umschreibendes Verhalten?

Dann aber kommen, wenn auch etwas unvermittelt, die entscheidenden Erkenntnisse des Kollegen. Er lässt uns wissen, wie die Expertise professioneller Dienstleister seine Kanzlei so weit nach vorne katapultiert hat: „Es geht also von der Werbetechnik her um Waschmittelwerbung. Diese Erkenntnis ist mit dem klassischen Selbstbild des Rechtsanwalts nicht leicht in Einklang zu bringen. Aber mittlerweile wird der Umgang mit Werbung auch seitens der Anwälte immer professioneller.“

Wir haben verstanden. Wenn das die Ergebnisse des professionellen Dienstleisters und die Marketingstrategien des Kollegen sind, dann scheint es in diesem Bereich noch große Marktlücken zu geben.

 

Rechtsbehelfsbelehrung ab 2013 auch im Zivilprozess – Erste Hilfe für den Bürger, keine Entlastung für die Anwälte (m/w); das „Trüffelschwein“ ist weiter gefragt

Sonntag, 20. Mai 2012
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Die ZPO sieht im Regelfall keine „Rechtsbehelfsbelehrung“ vor. Es ist daher Sache der Parteien oder der Anwälte, das zulässige Rechtsmittel einzulegen. Und da kann man die tollsten Geschichten erleben. In anderen Verfahrensordnungen, wie zum Beispiel der VwGO (§ 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO) oder der FGO (§ 105 Abs. 2 Nr. 6 FGO) dagegen sind solche „Belehrungen“ Standard. Das soll jetzt geändert werden. Auch die ZPO soll nach dem Willen des Gesetzgebers Regelungen zu dem jeweils zulässigen Rechtsmittel erhalten.

Was für ein Fortschritt! Allerdings wäre es ja zu einfach, dies so zu regeln wie in der VwGO oder der FGO. Nein, die Rechtsbehelfsbelehrung soll nicht etwa Anwälten das Einlegen von Rechtsmitteln erleichtern. Sie soll allein anwaltlich nicht vertretenen „Bürgern“, wie es die Bundesregierung nennt, die Orientierung erleichtern, um unzulässige Rechtmittel der „Bürger“ zu vermeiden. Deshalb soll nach der ZPO –  Novelle nur in den Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, der „Bürger“ über Form, Frist und zuständiges Gericht für das Rechtmittel zukünftig durch eine Rechtsbehelfsbelehrung unterrichtet werden. Das Gesetz soll Anfang 2013 in Kraft treten.

Uns Anwälten bleibt es also künftig weiterhin nicht erspart, in etwas weniger erforschten Gebieten wie ein Trüffelschwein das zulässige Rechtsmittel zu finden.

„Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.“ (Friedrich Wilhelm I., Soldatenkönig)

Samstag, 12. Mai 2012
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Juristen sind nicht erst seit dem preußischen Soldatenkönig Zielscheibe und Objekt von Satire, Spott und Häme. Zwar gibt es das auch bei anderen Berufsgruppen, aber es gibt nur wenige Berufsgruppen, die sich für derartige Attacken so gut eignen wie wir Juristen. Wer meint, alles besser zu wissen und sich – als Richter aufschwingt, Streitigkeiten anderer zu entscheiden, oft ohne von der Materie, über die Recht zu sprechen ist, auch nur annähernd soviel zu wissen wie die Parteien, der darf sich nicht wundern, wenn er leichte Beute für nicht immer angemessene Kritik ist. Berücksichtigt man auch noch die Robe der Juristen, die ja nicht nur rein zufällig eine große Ähnlichkeit mit einem schlichten Priestergewand hat, dann eröffnet sich ein ganzer Blumenstrauß an Möglichkeiten, über die Berufsgruppe zu schmunzeln oder gar herzhaft zu lachen.

Nimmt man dann noch die Neigung einiger (oder vieler?) Anwälte hinzu, geradezu wie Pawlow’sche Hunde zu versuchen, Gehörtes in ihre Paragraphenwelt einzuordnen, was häufig  zu Ergebnissen führt, die mit nur einfachem Nachdenken als nicht richtig entlarvt werden können (im Studium habe ich dafür den anschaulichen Begriff „Tatbestandsquetsche“ gelernt), dann wird schnell klar, warum sich die Juristen so hervorragend anbieten.

Ein weiterer Grund liegt darin, dass Juristerei immer auch noch mit Rechthaberei verwechselt wird. Und Recht zu behalten ist offenbar ein hohes Gut. So habe ich bei einem Prozess, in dem ich als Zuhörer saß, weil ich noch nicht „dran“ war, folgende Szene erleben dürfen: nachdem das Gericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag gemacht hatte, sagte die Klägerin, sie könne den Vergleich nicht akzeptieren. Auf die Frage des Gerichts, warum denn nicht, antwortete  sie mit einer geradezu entwaffnenden Selbstverständlichkeit: „ich will doch nur mein Recht.“ Recht ist also nicht etwas, das für alle da ist, sondern offenbar eine individuelle Sache: entweder hat man es, oder aber der andere.

Dass bei einem solchen Schwarz-Weiß-Denken die Suche nach Lösungen oft aus dem Fokus gerät, ist bedauerlich. Bei vielen Kollegen kann man sich aber auch des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nur den Streit beherrschen und Mandanten allein aus eigenen finanziellen Interessen in Rechtsstreite treiben. Rechthaber sind dort gerne gesehen Mandanten. Im weiteren Verlauf der Korrespondenz mit so gestrickten Kollegen gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Schriftsätze gar nicht für den „Gegner“, sondern für den eigenen Mandanten geschrieben werden: damit dokumentiert man, dass man den anderen richtig schön „verprügelt“.  Ob man damit einer Lösung näher kommt, ist schon nicht mehr so wichtig. Denn der Mandant freut sich, dass er jemanden an seiner Seite hat, der für ihn austeilt.  

In den USA gibt es sehr viele Witze über Anwälte. Die meisten befassen sich mit der Gier der Anwälte. US – Mandanten haben mich einmal gefragt, ob es auch in Deutschland viele Witze über Anwälte gäbe. Als ich das verneinte, fragten sie, woran das läge. Ich wusste es nicht genau und habe geantwortet: „all stories are true“, was bei meinen Mandanten zu erheblicher Erheiterung führte.  

Der Versuch, die Welt zu vereinfachen, um sie so für den Juristen vermeintlich passend zu machen, erweist sich zwar als gut gemeint, bewirkt aber meist das Gegenteil und wird schnell zum Rohrkrepierer, wenn nicht gar zur Lachnummer. In einem unseren letzten Prozesse, in dem es um Sachmängel bei einem Pferd ging, verblüffte der Richter die durchaus kundigen Parteien, indem er mich taxierend ansah, mit der Aussage: „Der Klägervertreter hat sehr wenig Haare und eine Brille, ich würde aber dennoch sagen, dass er deshalb nicht krank ist.“

Mein Credo: jeder Anwalt ist gut beraten, sich immer wieder einmal von außen zu betrachten, und einfach auch mal zuzuhören und bei allem Einsatz nachzudenken.

Gutes Benehmen bei Anwälten ist Glücksache – schlechtes Benehmen dagegen Absicht und hat Methode; kann ein Antrag auf Terminverlegung schamlos sein? das kommt darauf an; hier wohl schon – Geschichten aus Ostwestfalen-Lippe

Dienstag, 01. Mai 2012
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Der Ruf der Anwaltschaft ist nicht durchgängig schlecht, es gibt aber immer wieder Vertreter der Zunft (m/w), die es mit Gewalt darauf anlegen, sich selbst in ein schlechtes Licht zu rücken und damit der ganzen Anwaltschaft einen Bärendienst zu erweisen. „Winkeladvokaten“ sollte man diese  Kollegen (m/w – das gilt aber hier immer, ohne dass wir es ausdrücklich erwähnen) nicht mehr nennen, nach einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung eines (humorlosen?) Gerichts aus dem rheinischen Raum (wir berichteten an dieer Stelle darüber) kann das Ärger geben ; aber „Rabulist“ passt auch gut.

Gutes Benehmen ist bei dieser Spezies wirklich absolute Glücksache, denn Absicht kann gutes Benehmen bei den Vertretern dieser Zunft nicht sein. Wer sich jetzt fragt, wie sich das schlechte Benehmen dieser Spezies im Alltag zum Ärger der übrigen Teilnehmer am Geschehen auswirkt, dem sei das folgende Beispiel nahegebracht: Vor einem Landgericht, nennen wir es einmal mit dem Fantasienamen „Detmold“, fand im November 2011 eine mündliche Verhandlung statt. Der Anwalt der Beklagtenseite bestritt alles, auch den ungünstigen mündlichen Vortrag der eigenen Partei in der Verhandlung. Vergleichsbemühungen scheiterten, der Kollege (m) verkündete mit großer Geste, es sei ein Einfaches, sich in 20 Minuten außergerichtlich zu einigen. Wegen der Liquidität der beklagten Gesellschaft müsse man aber noch mit dem Steuerberater sprechen (??!!). Dass die Beklagte „klamm“ zu sein schien, war schon vor dem Rechtsstreit klar, aber eine solche Ausrede hatten wir bis dato auch noch nie gehört.

Ach ja, dass die Vergleichsgespräche scheiterten, oder besser gesagt, mangels ernsthaften Interesses der Gegenseite gar nicht erst begannen, hatte ich schon erwähnt? Egal, das folgt ja auch schon aus dem Kontext. Wer jetzt froher Hoffnung war, das Gericht werde auf unseren Antrag hin zügig einen neuen Termin anberaumen, um zu entscheiden, der sah sich getäuscht. Im Januar terminierte das Gericht auf Mitte April 2012. Im März erhielten wir die Ladung zu einem kollidierenden Termin bei einem anderen Landgericht, das von unserer Kanzlei 300 km entfernt ist (und natürlich nicht über eine Videokonferenzanlage verfügt). Also haben wir den später bekannt gewordenen Termin vor dem anderen Landgericht verlegen lassen (müssen). Denn wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Und jetzt kommt der Dreistigkeit des Kollegen Fortsetzung: ca. zwei Wochen vor dem Termin vor dem Landgericht, das wir Detmold genannt hatten, beantragte er Verlegung des Termins wegen eines kollidierenden Termins vor einem in der Nähe liegenden anderen Gericht. Ein Schelm, wer sich denkt, das hätte der Kollege doch früher beantragen können. Ach ja, dann hätte der Kollege das ja auch früher wissen müssen. Das war nicht so ? ja klar, man schaut ja nicht über den Tellerrand, und den Termnkalender hat man nur für heute im Blick. Gut, dass es Mitarbeiter gibt, die nicht schon bei dem Eintragen der Termine Kollisionen feststellen, sondern so ca. ein bis zwei Wochen vor der Kollision (bis jetzt ist ja alles gut gegangen).  Natürlich gab er der Kollege in seinem Antrag die Terminsstunde nicht an (lag überhaupt eine Kollision vor?), erläuterte nicht, dass er die Ladung zu dem angeblich kollidierenden Termin vor der Ladung zu unserem erhalten hat (wer zuerst kommt, mahlt zuerst). Auch gab es keine Begründung, warum aus der „Schar“ der aus dem Briefbogen ersichtlichenAnwälte nicht auch nur ein anderer den Termin, dessen Verlegung er beantragte, nicht hätte wahrnehmen können. Vermutlich wird der Kollege (in freundlicherer Form) sagen, dass außer ihm dort nur Idioten arbeiten. Ohne all diese auf der Hand liegenden Dinge zu erfragen, verlegte das Landgericht (wir hatten es Detmold genannt) den Termin auf Ende Juli.

Der Kollege aber hat mit seinem schamlosen Verhalten alles richtig gemacht: seinem vermutlich „klammen“ Mandanten hat er von November bis Juli, also volle acht Monate, Luft verschafft. Der Dank des Mandanten ist ihm sicher. Dass andere dabei erhebliche Nachteile haben und zum Narren gehalten werden, ist natürlich ohne jedes Interesse. Man vertritt ja nur die Interessen des eigenen Mandanten, auch wenn es schamlos ist. Das Landgericht hat auf unsere Intervention und unsere monita hin den Kollegen immerhin zur Stellungnahme aufgefordert. Wir sind gespannt, was für eine Geschichte er sich einfallen lassen wird. Wir werden berichten. Es ist aber zu vermuten, dass auch diese Geschichte entweder in „Lustige Taschenbücher“ oder in „die tollsten Geschichten von Donald Duck“ Aufnahme finden wird.

Das Ende des „Winkeladvokaten“ und der „Winkeladvokatur“ unter Anwälten? ja, aber nicht in jedem Fall (LG Köln vom 15.11.2011 5 0 344/10); es lebe die Rabulistik?

Dienstag, 17. April 2012
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Die sonst so für ihren Frohsinn bekannten Rheinländer verstanden da wohl keinen Spaß. Ohne ersichtlichen Bezug zum Verfahren legte ein Rechtsanwalt in einem Rechtsstreit eine E-Mail an die Rechtsanwaltskammer  Köln vor. Darin bezeichnete der Rechtsanwalt die Kanzlei des gegnerischen Rechtsanwalts angesichts der geschickten „Verpackung“ als „Winkeladvokatur“. Das Landgericht Köln fand das nicht witzig, auch dem so mit seiner Kanzlei bezeichneten gegnerischen Rechtsanwalt gefiel das nicht. Dieser fühlte sich als „Winkeladvokat“ beleidigt und ging gegen den Kollegen gerichtlich vor.

Das Landgericht Köln gab dem Kläger statt. Nach dem LG bezeichnet der Begriff „Winkeladvokat“ historisch eine Person, die ohne Ausbildung zum Rechtsanwalt Rechtsrat erteilt. Heute versteht man nach dem LG unter dem Begriff eine Person, die entweder intellektuell unfähig ist, ihren Beruf zuverlässig und den Regeln des juristischen Handwerks entsprechend auszuüben, oder die diesen in einer Art und Weise ausführt, die mit Moral und Gesetz in Konflikt steht. Zwar räumt das Landgericht Köln ein, dass dem Begriff kein einheitlicher Bedeutungsinhalt mehr zukommt. Jedenfalls sei der Begriff negativ besetzt. Das gilt in gleicher Weise für den von dem Beklagten verwendeten Begriff der „Winkeladvokatur“.

Vermutlich haben nicht nur wir die Erfahrung machen müssen, auf der Gegenseite auf Kollegen getroffen zu sein, deren Art der Prozessführung man als „grenzwertig“ bezeichnen könnte. Der Begriff des  Winkeladvokaten ist sicherlich kein positiv besetzter. Das Verhalten so manches Berufskollegen führt aber in der Tat auch nicht dazu, den Ruf der Anwaltschaft insgesamt deutlich zu verbessern, sondern Wasser auf die Mühlen derart zu geben, Juristen generell als „Spitzbuben“, „Rechtsverdreher“, oder generell als Berufsgruppe einstuft, die nicht an Lösungen, sondern an Problemen oder daran interessiert ist, bestehenden Problemen noch weitere hinzuzufügen. Auch das ist nicht sehr charmant.

Ich persönlich finde den Begriff des Winkeladvokaten nicht schmeichelhaft, es gibt aber deutlich schlimmere Ausdrücke. Eine genaue Betrachtung des Urteils des Landgerichts Köln zeigt auch, dass man nicht mit einem auf Aussicht ausgestatteten, gegen sich gerichteten Klageverfahren rechnen muss, wenn man den Begriff des Winkeladvokaten unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts Köln einsetzt. Dazu dürfte es ausreichen, einen entsprechenden Sachbezug zu haben und berechtigte Interessen wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen dürfte das Verhalten einiger weniger Kollegen durchaus erfüllen. Wir sind jedenfalls gespannt, wie sich diese Rechtsprechung weiter entwickeln wird.

Vielleicht aber ist es angezeigt, Kollegen künftig lieber  als „Rabulisten“ zu bezeichnen; wikipedia dazu:
„Rabulistik
(von lateinisch rabere „toben“ bzw. rabula „marktschreierischer Advokat“) ist ein veralteter Name für die Kunst, in einem Wortstreit durch rhetorische Tricks Recht zu bekommen, unabhängig oder sogar entgegen der Sachlage, z. B. mittels „Wortverdreherei“ und „Haarspalterei“, insbesondere durch das Anhäufen immer neuer Argumente. Auch in der älteren Literatur der Rechtswissenschaft ist Rabulistik für Spitzfindigkeiten oder eine abwegige oder dem Buchstaben, aber nicht dem Geist des Gesetzes folgende Argumentation gebräuchlich. Rabulistik ist heute ein Teil der Rhetorik und kann als Nebenthema der Kommunikationsstrategie auftauchen. Ein alternativer Name ist Eristik oder Eristische Dialektik.“

Die Bundesjustizministerin im Interview in der ZRP 2012 zur Sprache der Juristen; Anwälte kommen nicht vor, dafür aber ein „Redaktionsstab Rechtssprache“

Samstag, 14. April 2012
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In der ZRP 2012, 93 f. findet sich ein interessantes Interview mit unserer Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Der nicht so kundige Thebaner wie ich erfährt schon zu Beginn des Artikels, dass es einen „Redaktionsstab Rechtssprache“ gibt; Aha, das ist doch eine gute Sache. Wenn man dann aber das Interview zu Ende liest, fragt man sich – als Anwalt erst recht, was dort eigentlich passiert, welche Maßstäbe gelten, wer diese festgelegt hat, und wem das nützen soll. Dazu erfährt man in dem Interview leider nicht viel. 

Doch zurück zum Thema: nach dem Untertitel des Beitrags in der ZRP gilt für die Sprache der Juristen: „Genauigkeit geht vor Allgemeinverständlichkeit„. Das kann man auch als Anwalt nur bejahen. Genaue Verträge schützen vor Streit. Bei dem Untertitel hat man aber die Anwälte als Zielgruppe völlig aus den Augen verloren. In dem Interview geht es um den Gesetzgeber, die Gerichte und die Bürger. Anwälte kommen nicht vor.

Und dann beschleicht mich als Anwalt doch ein mulmiges Gefühl, wenn die Ministerin für die These „Genauigkeit vor Allgemeinverständlichkeit“ folgendes sagt:  „Denken Sie etwa an die juristisch wichtigen Unterschiede zwischen Einwilligung, Zustimmung und Genehmigung.“  Ja Donnerwetter, das ist ja ein ganz tolles Beispiel ! gibt es da keine besseren ? Ich habe jedenfalls im 1. Semester gelernt, dass Zustimmung der Obergriff für Einwilligung und Genehmigung ist, insoweit kann also von einem juristisch wichtigen Unterschied nicht die Rede sein. Und aus der Praxis des Anwalts: ich werde mich hüten, einen Mandanten über den Unterschied zwischen Einwilligung und Genehmigung zu belehren. Solche Belehrungen kommen bei Mandanten nicht gut an. Man kann die Unterschiede besser ein wenig augenzwinkernd erläutern („das sind für Juristen wichtige Dinge„). In Verträgen, die ja die Mandanten als Adressaten verstehen und leben sollen, muss man dennoch als Anwalt auf die Genauigkeit auch nicht verzichten. Man definiert den Begriff einfach: „dazu bedarf des der vorherigen Zustimmung („Einwilligung“). Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn…“

Verständlichkeit und Genauigkeit schließen sich also nicht aus. Verträge sind Handlungsanweidungen und Richtschnüre für Mandanten und ihre Partner, nicht nur für Juristen. Das im Interview angesprochene Thema hat seine Facetten noch auf zwei anderen Gebieten: die Genauigkeit fängt bereits bei der Formulierung an. Wer sich schon dabei keine Mühe gibt, wird Schiffbruch erleiden. Und klare Strukturen der Gedanken erkennt man an der klaren Struktur des Textes. Ein Wirrkopf wird nicht nur wirr denken, er wird auch so schreiben. Als Anwalt kann man das jeden Tag beobachten, wenn man Schriftsätze liest, bei denen man sich fragt, wie der Verfasser zwei Staatsexamen betehen konnte. 

Und dass Anwälte in der Welt unserer Ministerin in dem Interview nicht vorkommen, ist auch ein trauriger Befund, zugleich aber auch eine Offenbarung.

„Wörterbuch für Ihren Anwaltsbesuch“: ein verblüffendes Beispiel der BRAK für die verquere Welt der Rechtsanwälte

Mittwoch, 14. März 2012
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Was würden Sie denken, wenn Ihr Klempner Ihnen ein Buch geben würde, in dem Sie folgendes lesen:

Mit diesem kleinen Wörterbuch wollen wir versuchen, häufig verwandte Begriffe zu erläutern, um Ihnen die Vorbereitung auf Ihren nächsten Besuch bei Ihrem Klempner zu erleichtern.“

Wir würden spontan kopfschüttelnd denken: verkehrte Welt. Wenn mein Klempner mir etwas verkaufen will, soll er so reden, dass ich kapiere, was er meint. Ohne jetzt Klempnern zu nahe treten zu wollen: sie werden nicht dazu ausgebildet, ihre Kunden rhetorisch zu überzeugen. Dennoch werden auch sie daran interessiert sein möglichst so zu sprechen, dass andere sie verstehen. Das aber ist bei Anwälten anders. Neben der Schrift ist die Sprache ihre „Waffe“. Ihr Erfolg hängt nicht ganz unwesentlich davon ab, auch mündlich strukturiert und überzeugend vorzutragen. Überzeugen kann als Anwalt aber nur, wer auch verständlich spricht. Es ist also eine Banalität, dass Mandanten zu Recht erwarten, dass der Anwalt so intelligent ist, seinen Rat so zu formulieren, dass der Adressat ihn versteht.

Damit Anwälte sich aber gar nicht erst auf die Mandanten einstellen müssen, gibt es von der BRAK und Langenscheidt dankenswerterweise das „Wörterbuch für den Anwaltsbesuch“. Das ist kein Witz, das Buch gibt es wirklich. Dort kann der Mandant lernen, was „Präklusion“ und „Anwartschaft“ bedeutet. Der Anwalt braucht, so die Vorstellung der Autoren, die Begriffe nicht mehr zu erläutern. Und im Vorwort des Buches findet man wörtlich das Beginn dieses Beitrags angeführte Zitat, nur das dort „Anwaltsbesuch“ statt „Besuch bei Ihrem Klempner“ steht.

Fazit für den Anwalt: nicht ich bin für den Mandanten da, der Mandant ist für mich da. Das habe ich doch schon immer gewusst, das bestätigt mir jetzt auch die Kammer. Ab sofort gilt also: bloß nicht verständlich sprechen. Wenn der Mandant das Buch nicht auswendig gebüffelt hat und daher nicht versteht, was ich sage, ist er doch selbst schuld.

Die Zeiten, da das verquaste Anwaltsdeutsch ehrwürdig bestaunt wurde, und Bandwurmsätze als Ausdruck von Intellektualität galten, sind vorbei. Kanzleistil möchte niemand hören oder lesen. Wer das noch nicht bemerkt hat, an dem sind wohl auch andere wichtige Dinge vorbeigegangen. Er ist wie der berühmte Geisterfahrer, der im Auto auf der falschen Fahrbahn die Durchsage im Radio nur mit der Bemerkung kommentiert: „wieso nur ein Geisterfahrer? Ich sehe Hunderte !