Archiv für Oktober 2012

Nachweis des entgangenen Gewinns bei Schadensersatz im Zusammenhang mit Prospekthaftung: Anlagezinsen müssen dargelegt und bewiesen werden

Mittwoch, 31. Oktober 2012
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Mit Urteil vom 24. April 2012 (XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266) hat der BGH erkannt, dass der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrages und fehlerhafter Prospektangaben nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn umfasst. Dazu gehören auch entgangene Anlagezinsen. Der entgangene Gewinn ist allerdings von dem Geschädigten darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen. Einen Mindestschaden in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % p.a. kann der Geschädigte nicht verlangen.

Allerdings kann sich der Geschädigte auf die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB berufen. Danach gilt der Gewinn als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen erwartet werden konnte. Im Streitfall hat der BGH es abgelehnt, auf Basis des § 252 Satz 2 BGB einen Mindestzinssatz in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % p.a. nach § 246 BGB dem Geschädigten zuzusprechen.

Vorsicht Falle: Ehefrau kann auch für Gewerbesteuerhinterziehung ihres Ehemannes haften

Dienstag, 30. Oktober 2012
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Vielen Ehepaaren ist nicht bekannt, dass beide Ehegatten mit Unterzeichnung der gemeinsamen Steuererklärung auch eine Erklärung darüber abgeben, dass die Erklärungen des jeweils anderen Ehegatten richtig sind. Stellt sich diese Annahme als falsch heraus, kann der andere Ehegatte bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden.

Der VGH München hatte jetzt über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem eine Ehefrau für die hinterzogene Gewerbesteuer ihres Ehegatten haften sollte. Die Ehefrau war von einem Amtsgericht wegen Teilnahme an der Gewerbesteuerhinterziehung ihres Ehegatten angeklagt worden. Das Verfahren gegen die Ehefrau stelle das Gericht nach § 154 a stopp ein. Die Beklagte in dem Verfahren des VGH München (Beschluss vom 6. Februar 2012, 4 ZB 11.2024, NJW 2012, 2293) übernahm die Feststellungen in dem Urteil des Amtsgerichts und erließ gegen die Ehefrau einen Haftungsbescheid.

Das angerufene Verwaltungsgericht hob den Haftungsbescheid auf. Dem folgte der VGH München in der eben genannten Entscheidung. Zwar habe die Ehefrau Beihilfe zur Steuerhinterziehung ihres Ehegatten geleistet. Der VGH konnte aber nicht feststellen, dass die Ehefrau insoweit auch den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung erfüllt hatte.

Vorsicht bei Vermögensübertragungen und der 10-Jahres-Frist nach § 2325 BGB

Montag, 29. Oktober 2012
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Der Gesetzgeber hat in § 2325 BGB für Erblasser die Möglichkeit geschaffen, einzelnen Personen Sondervorteile zuzuwenden. Nach § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB bleiben Schenkungen unberücksichtigt, die 10 Jahre vor dem Erbfall gemacht worden sind. Nach § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB werden Schenkungen nur innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt.

Erblasser haben so die Möglichkeit, in großem Umfang dem Zugriff missliebiger Pflichtteilsberechtigter zu entziehen, wenn sie denn früh genug mit dem Schenken anfangen.

Zu beachten ist aber, dass nach herrschender Meinung und Rechtsprechung eine Schenkung erst dann als geleistet gilt, wenn der Übergeber auf den Nießbrauch oder die Nutzungsrechte verzichtet hat, oder wenn er verstirbt. In den klassischen Fällen der Vermögensübertragung gegen Vorbehaltsnießbrauch ist das nicht der Fall. Ein Trost aber bleibt: Wenn der Wert der Schenkung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ermittelt wird, kann der kapitalisierte Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs abgezogen werden. Dadurch vermindert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Leben ist immer lebensgefährlich: „Rechts vor Links“ auf Parkplätzen gilt nur in Ausnahmefällen

Mittwoch, 24. Oktober 2012
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Die NJW berichtet in Heft 32 / 2012 in der Rubrik NJW-aktuell auf Seite 10 über eine Entscheidung des LG Detmold vom 2. Mai 2012 (10 S 1/12), nach der die Regel „Rechts vor Links“ auf Parkplätzen nur in Ausnahmefällen gilt.

In dem vom LG Detmold entschiedenen Fall befuhr der Kläger mit seinem PKW einen Parkplatz. Der Parkplatz war mit dem Hinweisschild „Auf diesem Parkplatz gelten die Bestimmungen der StVO“ gekennzeichnet. Kurz nachdem der Kläger auf den Parkplatz aufgefahren war, kollidierte er mit einem anderen PKW, der sich ihm von links genähert hatte.

Das Landgericht Detmold vertrat die Auffassung, die Regel „Rechts vor Links“ könne auf Parkplätzen nur angewendet werden, wenn die einander kreuzenden Verbindungswege etwa aufgrund der Markierungen und der Verkehrsführung eindeutig den (Straßen-)Charakter einer Fahrbahn aufwiesen. In dem vom LG Detmold entschiedenen Fall war es aber so, dass nur die Parkflächen markiert waren. Damit gilt die Regel „Rechts vor Links“ nicht.

Vorsicht Falle: Gesellschafterforderung mit Rangrücktritt und Liquidation einer GmbH

Montag, 22. Oktober 2012
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Der Rangrücktritt zu der Forderung des Gesellschafters einer GmbH gegen die GmbH ist ein beliebtes Gestaltungsinstrument. Insbesondere können damit Überschuldungstatbestände vermieden werden. Der Charme des Rangrücktritts besteht, wenn er richtig gestaltet ist, darin, dass eine Gewinnrealisation durch Wegfall einer Verbindlichkeit nicht eintritt.

Was aber ist, wenn eine GmbH liquidiert wird und die Gesellschafterforderung mit Rangrücktritt noch besteht? Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 6. März 2012 (13 K 3006/11, EFG 2012, 1421) entschieden, dass es in diesem Fall erst dann zu einem Gewinn durch Wegfall der Verbindlichkeit kommt, wenn diese Verbindlichkeit (die Gesellschafterforderung mit Rangrücktritt) endgültig nicht mehr zu begleichen ist. Interessant an der Entscheidung: Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln entsteht dann kein körperschaftssteuerpflichtiger Gewinn mehr, wenn die Verbindlichkeit erst erlischt, nachdem die Kapitalgesellschaft als juristische Person entfallen ist.

Das Finanzamt hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Köln Revision bei dem BFH eingelegt. Die Revision ist dort unter I R 34/12 anhängig. Die Entscheidung kann mit Spannung erwartet werden

Die gesetzliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten ist nicht mehr aufzuhalten (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012)

Freitag, 19. Oktober 2012
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Der Gesetzgeber hat bestimmte Steuerbefreiungen bei der Grunderwerbsteuer von Ehegatten auf eingetragene Lebenspartner erweitert. Allerdings ist diese Begünstigung auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt worden. Diese Beschränkung hält das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung von 18. Juli 2012 (1BvL 16/11, DStR2012, 1649) für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2012 das Gesetz zu ändern, um eine Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehegatten auch für die Vergangenheit sicher zu stellen.

Leben ist immer lebensgefährlich – die bissige Katze und die Halterhaftung

Mittwoch, 17. Oktober 2012
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Eine interessante Entscheidung aus der Tierwelt und der Welt der Haftung haben wir dem Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 21. März 2012 (21 S 38/11) zu verdanken. Der Stoff taugt auf jeden Fall für eine Filmszene. Klägerin und Beklagter waren in ein und demselben Hotel. Die Katze des Beklagten erschien ungebeten im Hotelzimmer der Klägerin. Versuche, die Katze aus dem Zimmer zu scheuchen, blieben ohne Erfolg. Das Tier ließ sich neben einem Sessel im Zimmer der Klägerin nieder. Der Versuch der Klägerin, das Tier hochzuheben und aus dem Zimmer zu tragen, endete mit einem Biss der Katze in die Hand der Klägerin. Die Klägerin erhob Feststellungsklage. Sie wollte vor dem Landgericht Bielefeld festgestellt wissen, dass der Beklagte auch für eventuelle Spätschäden des Katzenbisses haftet. Das Landgericht Bielefeld gab der Klägerin Recht. Ein Mitverschulden der Klägerin an dem Biss der Katze könne nicht festgestellt werden. Denn die Katze sei erkennbar nicht aggressiv gewesen. Die Klägerin habe daher sehr wohl versuchen dürfen, die Katze hochzuheben und aus dem Zimmer zu tragen.

Bei Flatrate-Mobilfunkvertrag ist ein ausdrücklicher Hinweis auf Auslandgebühren notwendig

Montag, 15. Oktober 2012
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Das Landgericht Saarbrücken hat mit Urteil vom 9. März 2012 (10 S 12/12, NJW 2012, 2819) entschieden, dass der Mobilfunkbetreiber in bestimmten Fällen verpflichtet ist, den Kunden ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass im Ausland hohe Gebühren anfallen können.

Nach dem Landgericht Saarbrücken bringt ein Nutzer mit dem Abschluss eines Mobilfunkvertrages zu einer „Flatrate“ zum Ausdruck, dass er die Kosten so gering wie möglich halten möchte. Wenn der Nutzer das Mobiltelefon im Ausland verwendet, entstehen ihm auch heute noch sehr hohe sogenannte Roaming-Gebühren. Das Landgericht ist der Auffassung, dass der Mobilfunkanbieter verpflichtet ist, in diesem Fall den Nutzer ausdrücklich auf das Anfallen dieser Gebühren hinzuweisen.

Wenn der Mobilfunkanbieter diesen ausdrücklichen Hinweis unterlässt, verletzt er nach Auffassung des LG Saarbrücken eine Nebenpflicht aus dem Vertrag. Er kann die Kosten von dem Nutzer in diesem Fall nicht ersetzt verlangen.

Sind ehemalige Richter die besseren Rechtsanwälte? Zugleich ein Beitrag zu Marketingstrategien (Tätigkeitsverbot für Gerichtsdirektor a.D.)

Freitag, 12. Oktober 2012
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Es kommt vor, dass Richter im Ruhestand ihr Glück als Anwalt versuchen. Auch wenn Marketingstrategien überwiegend bei Großkanzleien ein Thema sind, fällt auf, dass so mancher Rechtsanwalt (Rechtsanwältinnen habe ich noch nicht gesehen) neben dem Rechtsanwaltstitel die Bezeichnung „Richter a.D.“ verwendet. Mich hat schon früher die Größe von Kanzleien, die Farbe von Briefbögen oder die mehr oder weniger kreativen Einfälle von Kolleginnen oder Kollegen nicht dazu hinreißen können, die Kammer zu verständigen. Auch wenn die Anwälte Organe der Rechtspflege sind, so sind sie doch auch Dienstleister. Der Markt und die Mandanten entscheiden also über Erfolg oder Misserfolg. Die Strategie, sich Vorteile gegenüber dem Wettbewerb dadurch zu verschaffen (zu versuchen), dass man dem Wettbewerb ein großes Kanzleischild untersagen lässt, hat mir noch nie eingeleuchtet. Ich halte es für sinnvoller, die Energie zu investieren, um selbst besser zu werden und nicht, um andere schlecht zu machen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des VG Saarlouis vom 16. Juli 2012 (2 L 419/12). Ein bis Ende 2011 tätiger Richter versuchte sich als Rechtsanwalt. Der neue Kollege war bis zu seiner Pensionierung bis zuletzt als Direktor am Arbeitsgericht tätig. Die für ihn zuständige Dienstbehörde untersagte ihm aber, bis Ende 2014 bei dem Arbeitsgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, bei dem er seit 1997 tätig war.

Das wollte der Kollege Gerichtsdirektor a.D. so nicht stehen lassen und zog vor das VG.

Das VG meint, Richter und sonstige Mitarbeiter des Gerichts könnten gegenüber dem ehemaligen Gerichtsdirektor in einen Loyalitätskonflikt geraten. Es sah außerdem das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität gefährdet.

Ich möchte diese Entscheidung hier nicht weiter kommentieren. Ich habe aber Zweifel, ob die Marketingstrategie des neuen Kollegen am Markt besteht. Aus Gesprächen mit Richtern wissen wir, dass Richter Auftritte früherer Kollegen als Rechtsanwälte besonders kritisch begleiten. Den von den neuen Kollegen Richter a.D. erhofften „Bonus“ gibt es nach unserer Einschätzung nicht. Im Gegenteil: Wenn die neuen Kollegen Richter a.D. sich in der neuen Rolle ein wenig schwer tun, liegt es schon rein menschlich auf der Hand, dass sie noch viel eher zur Zielscheibe von Häme und Spott der ehemaligen Kollegen werden, als dies Anwälten passiert, die keine Richterkarriere hinter sich haben.

Ob der Zusatz „Richter a.D.“ für Mandanten nicht eher das Gegenteil von dem Gewünschten, nämlich eine Abschreckung, bewirkten, sei hier nur als Frage in den Raum gestellt. Denn eine anwaltliche Tätigkeit nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst hat ein wenig das Odium, dass der Rechtsanwalt entweder nichts Besseres zu tun hat, oder schlimmer noch, es womöglich noch nötig hat, zu arbeiten. Ob Mandanten einem „Feierabend – Rechtsanwalt“ Großes zutrauen, dürfte auch fraglich sein.

BFH entscheidet, dass fehlerhafte Rechnungen im Sinne von § 14 UStG mit umsatzsteuerlicher Rückwirkung nachgebessert werden können

Mittwoch, 10. Oktober 2012
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In einem Verfahren, gerichtet auf Aussetzung der Vollziehung, hat der BFH sich mit der Frage befasst, ob fehlerhafte Rechnungen im Sinne von § 14 UStG auch mit umsatzsteuerlicher Rückwirkung nachgebessert werden können. Bislang kommt es in Betriebsprüfungen immer wieder vor, dass die Prüfer Formalien der Rechnungen, aus denen die Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug begehren, bemängeln. Das kann ein falsch geschriebener Firmenname, eine angeblich nicht richtig bezeichnete Lieferung oder ein irrtümlich falscher Ausweis der Umsatzsteuer sein. Zwar ist es in diesen Fällen grundsätzlich möglich, die Rechnungen nachzubessern. Die Finanzverwaltung gewährt den Vorsteuerabzug aber erst in dem Voranmeldungszeitraum in dem die nachgebesserte Rechnung vorgelegt werden kann. Das bedeutet im Regelfall, dass die Betriebsprüfung den Vorsteuerabzug für die Vergangenheit streicht und für den Zeitraum bis zur Gewährung des Vorsteuerabzugs mit nachgebesserter Rechnung 6 % Zinsen p.a. erhoben werden. Nicht selten kommt es so zu 30 % und noch mehr Zinsen. Es liegt auf der Hand, dass dies ein Ärgernis aller erster Güte ist.

In seinem Beschluss vom 20. Juli 2012 (IV B 82/11) hat der BFH entschieden, dass eine rückwirkende Nachbesserung ebenfalls dann möglich sein muss, wenn die zunächst erteilte und beanstandete Rechnung die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthält. Die Rechnung muss daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten.

Eine gleiche Entscheidung des BFH in der Hauptsache würde einen in der Tat sehr lästigen Streitpunkt, der bei Steuerpflichtigen zu  Recht zu erheblicher Verärgerung führt, beseitigen. Für Steuerpflichtige ist es nie recht nachvorziehbar, dass Formalien zu nicht unerheblichen Zahlungen führen sollen.