Archiv für Mai 2013

Unfassbar, aber wahr: das Wahndelikt im Steuerrecht: BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012: Steuerpflichtiger macht alles richtig, meint aber, er habe Steuern hinterzogen

Sonntag, 19. Mai 2013
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Jeder Jurist hat zu Beginn seines Studiums im Strafrecht den Begriff „Wahndelikt“ gehört. Damit beschreibt man einen Lebenssachverhalt, bei dem der „Täter“ ein Verhalten irrtümlich für strafbar hält, obwohl es nicht strafbar ist. Die dazu den Studenten vorgetragenen „Fälle“ wirkten immer sehr konstruiert. In der Ausbildung sah man sich mit dem Wahndelikt dann auch allenfalls bei der Frage der Abgrenzung vom untauglichen Versuch konfrontiert. In der Praxis gehen viele Juristen davon aus, dass das Wahndelikt keine praktische Bedeutung hat. Das ist insbesondere für beratende Juristen ein Fehler, weil dieses Rechtsfigur ebenso wie andere doch häufiger auftritt als man annehmen sollte. Von einem nicht zu unterschätzenden praktischen Wert ist in diesem Zusammenhang auch der Tatbestandsirrtum im Steuerrecht, der zur Straflosigkeit führt. Zwar muss der Täter in diesem Fall nicht die Steuergesetze genau kennen (dann könnte man niemandem der Steuerhinterziehung bezichtigten), es reicht aus, wenn ihm im Rahmen einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ das Steuerrecht bekannt war.

Unkenntnis von Beratern in diesem Bereich kann für Mandanten fatale Folgen und unnötige Verfahren zur Folge haben, wie das Urteil des BFH vom 4. Dezember 2012 (VIII R 50/10, juris) zeigt. In dem Urteil wird eine Paradefall eines Wahndelikts beschrieben. Was war geschehen? der Steuerpflichtige gab alle Steuererklärungen korrekt ab. In einem Jahr machte aber das Finanzamt aus positiven Einkünften Verluste und stellte diese zum Jahresende mit Feststellungsbescheid fest. Dieses Verluste verrechnete das Finanzamt im Folgejahre mit den positiven Einkünften des Steuerpflichtigen. Im Rahmen einer Außenprüfung offenbarte sich der Steuerpflichtige und gab eine Erklärung ab, die strafbefreiend sein sollte, und bezichtigte sich der Steuerhinterziehung.

Das Finanzgericht und ihm folgend der BFH sahen das anders. Nach ihnen lag schon keine Steuerhinterziehung vor. Denn der Steuerpflichtige hatte keine unrichtigen Angaben gemacht. Das Finanzamt hatte seine richtigen Angaben nur falsch behandelt. Zwar sieht § 153 AO eine Pflicht der Steuerpflichtigen vor, unrichtige Steuererklärungen nach Abgabe zu korrigieren. Das heißt aber nicht (ständige Rechtsprechung), dass der Steuerpflichtige verpflichtet ist, das Finanzamt auf Fehler aufmerksam zu machen, die das Finanzamt gemacht hat.

Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, ob der Steuerpflichtige all das freiwillig gemacht hat, oder ob er im Rahmen der Prüfung in diese Richtung gedrängt worden ist, eine entsprechende  Erklärung anzugeben. Das Urteil aber zeigt, dass es immer besser ist, den Sachverhalt genau zu prüfen und erst dann zu handeln.

ws

Uli Hoeneß und das Steuergeheimnis, das so recht keines ist: Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet – FAZ vom 12. Mai 2013 – Seite 26 links unten ganz klein

Freitag, 17. Mai 2013
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Wir hatten schon kurz nach dem Bekantwerden der Causa Hoeneß die Frage aufgeworfen, wie trotz Steuergeheimnis die Selbstanzeige von Uli Hoeneß in die Öffentlichkeit gelangen konnte, so dass es zu den absehbaren Kampagnen gegen Hoeneß kam. In der FAZ war am 12. Mai 2013 auf Seite 26 im Sporttteil auf der letzten Seite fast schon versteckt in einem sehr kleinen Beitrag zu lesen, dass die Anwälte von Hoeneß Strafanzeige gegen Unbekant erstattet haben. In der Tat scheint es mit dem über § 30 AO strafrechtlich geschützten Datenschutz in dem sensiblen Bereich der Steuern nicht sehr weit her zu sein. Ob das Methode hat, um Exempel zu statuieren, oder ob die Exekutive und die zu ihnen gehörenden Strafverfolgungsbehörden, die darauf zu achten haben, dass der Datenschutz eingehalten wird, dieses Thema einfach nicht in den Griff bekommen, wird jetzt von den Strafverfolgungsbehörden aufzuklären sein. Wir sind gespannt, mit welcher Intensität dieses Verfahren geführt werden wird. Der Kreis der Personen, die von den Ereignissen um die Selbstanzeige wussten, wird übersichtlich sein.Wir sind auch gespannt, wie groß die Meldung sein wird.

ws

Auf auf zum fröhlichen Jagen: OLG Hamm hat am 15. Januar 2013 zu den Informationspflichten vor einer Treibjagd entschieden – wichtig zu wissen für Reiter

Donnerstag, 16. Mai 2013
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Jagden, auch Treibjagden, gehören in vielen Teilen Deutschlands in die Landschaft. Worüber aber muss ein Veranstalter informieren? Das OLG Hamm hat dazu am 15. Januar 2013 (I-9 U 84/12, juris) entschieden, dass der Veranstalter die Eigentümer und Pächter der nahe zum Jagdgebiet gelegenen Grundstücke nicht ohne Anlaß über die bevorstehende Jagd unterrichten muss. Das Urteil ist insbesondere für Reiter von erheblichem Interesse.

nach juris: Der Kläger aus Hamm hielt auf in der Nähe von Ahlen gepachteten Weideflächen mehrere Pferde. Er hatte vom beklagten Arzt aus Ahlen Schadensersatz aus Anlass einer Treibjagd vom 04.10.2004 verlangt. Diese Jagd hatte der Beklagte in einem von den gepachteten Weideflächen ca. 100 m entfernt liegenden Waldgebiet veranstaltet. Nach der Behauptung des Klägers soll das Jagdgeschehen – insbesondere durch die von ihm ausgehenden Schussgeräusche – drei seiner Pferde auf der Weide in Panik versetzt haben. Hierdurch hätten sich die Tiere erhebliche Verletzungen zugezogen, eines habe notgetötet werden müssen. Für den hierdurch entstandenen Schaden in Höhe von ca. 23.500 Euro habe der Beklagte, so der Kläger, aufzukommen, weil weder er noch der Grundstückeigentümer von der bevorstehenden Jagd unterrichtet worden seien. Insoweit habe der Beklagte ihm obliegende Verkehrssiche-rungspflichten verletzt. Das LG Münster hatte die Klage abgewiesen.

Das OLG Hamm hat sich der Auffassung des Klägers nicht angeschlossen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach Auffassung des OLG ist der Beklagte als Veranstalter der Jagd zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu schaffen, um eine Schädigung anderer durch das Jagdgeschehen zu verhindern. Der Beklagte sei deswegen aber nicht verpflichtet gewesen, den Kläger als anliegenden Pächter über die bevorstehende Treibjagd zu unterrichten. Auf die mit einer Jagd verbundenen Schussgeräusche habe nicht hingewiesen werden müssen. Schussgeräusche gehörten für sich genommen zu einer waldtypischen Geräuschkulisse und seien insoweit als Lärmbeeinträchtigungen hinzunehmen. Sie seien nur unter besonderen Umständen schadensträchtig, etwa wenn ein Schuss in unmittelbarer Nähe eines Reiters abgegeben werde. Derartige Umstände seien im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Die vom Kläger gepachtete Weide habe außerhalb des bejagten Waldgebietes gelegen, ohne unmittelbar an dieses anzugrenzen. Nach dem Jagdkonzept des Beklagten hätten auch keine Schüsse in unmittelbarer Nähe der Pferde abgegeben werden sollen. Selbst wenn sich einzelne Jagdteilnehmer hieran nicht gehalten hätten, was der Kläger bereits nicht dargelegt habe, sei der Beklagte für ein solches vom Jagdkonzept abweichendes Verhalten nicht einstandspflichtig, weil es für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig  und beim BGH unter dem Az. VI ZR 91/13 anhängig.
ws

„Ich hau Dir vor die Fresse“ rechtfertigt nach LAG Düsseldorf auch bei rauhem Umgangston fristlose Kündigung durch Arbeitgeber

Sonntag, 12. Mai 2013
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Gewalt, auch die „nur“ angedrohte, ist – zum Glück – nicht der Standard, den wir und den Gerichte sich für die Kommunikation wünschen.Vor dem LAG Düsseldorf (7 Sa 1821/12) endete ein Rechtsstreit  (ArbG Mönchengladbach, 6 Ca 1749/12, Urteil vom 07.11.2012) mit einem Vergleich. Ein bereits abgemahmter Arbeiter hatte seinen Arbeitgeber mit den Worten  „Ich hau dir vor die Fresse…“ bedroht. Zur Rechtfertigung verwies der daraufhin fristlos Gekündigte auf einen ohnehin rauhen Umgangston. Das ArbG hielt die fristlose Kündigung für rechtens. Vor dem LAG verglichen sich die Parteien, die fristlose wurde zu einer ordentlichen Kündigung. Die 3.000,00 EUR Abfindung dürften aber nur kurz zur Freude des Arbeiters beitragen.

Fazit: „strenge Rechnung, gute Freundschaft“ ist ok, „rauh aber herzlich“ nicht immer.
ws

 

random coil setzt für Mandanten im Rahmen einer Bp den Abzug von Zahlungen in Höhe von rd. 1,0 Mio. EUR als Betriebsausgaben durch

Sonntag, 12. Mai 2013
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random coil hat im Rahmen einer Bp für einen Mandanten den lange streitigen Abzug von Zahlungen als Betriebsausgaben durchgesetzt. Der Mandant führte in der  EU ein Bauvorhaben aus. Da er in dem Land weder die Strukturen kannte noch über Netzwerke verfügte, die zur vertragsgerechten Ausführung der Aufträge notwendig waren, engagierte der Mandant einen Berater, dessen Vergütung pauschal nach der Bausumme bemessen war. Die Bp akzeptierte den Abzug der Kosten als Betriebsausgaben nicht. Dabei mag relevant gewesen sein, dass der Berater nicht in Deutschland steuerpflichtig war, sondern seinen Wohnsitz in Monaco hatte.

Mit eidesstattlichen Versicherungen, mehreren Besprechungen und Schriftsätzen gelang es, die Finanzverwaltung von dem wirtschaftlichen Hintergrund zu überzeugen, so dass die Kosten jetzt nach längerer Zeit und ohne Rechtsstreit als Betriebsausgaben anerkannt wurden.
ws

OLG Hamm vom 28. Februar 2013: Pflichtteilsstrafklausel schützt vor Zugriff des Trägers der Sozialhilfe, kann aber auch nachteilig sein

Freitag, 10. Mai 2013
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Pflichtteilstrafklauseln sind ein beliebtes Instrument in Testamenten, um dem Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen. Vereinfacht gesagt bewirken sie, dass ein Pflichtteilsberechtigter, meist Kinder, der nach dem Tode des Erstversterbenden von Ehegatten seinen Pflichtteil geltend gemacht hat, nach dem Tode des überlebenden Ehegatten auch nur den Pflichtteil erhält. Die Klausel muss aber mit Bedacht eingesetzt werden. Es kommt immer darauf an, welches Ziel die Ehegatten verfolgen, wie ein Urteil des OLG Hamm jetzt wieder einmal zeigt.

Am 28. Februar 2013 hat das OLG Hamm (I-10 U 71/12) entschieden, dass eine solche Pflichtteilsstrafklausel in einem Ehegattentestament von dem überlebenden Ehegatten nicht mehr „ausgehebelt“ werden kann und daher auch dann eingreift, wenn ein Träger der Sozialhilfe beim Tode des Erstversterbenden aus übergegangenem Recht für eines der Kinder den Pflichtteil verlangt hat.

In dem von dem OLG Hamm entschiedenen Fall hatte ein Landschaftsverband als Träger der Sozialhilfe nach dem Tode des Vaters aus übergegangenem Recht für die jüngste Tochter den Pflichtteilsanspruch gegen die überlebende Mutter erfolgreich geltend gemacht. Die Mutter setzte in einem späteren Testament alle ihre vier Töchter zu gleichen Teilen als Erben ein. Im Hinblick auf die jüngste, behinderte Tochter ordnete sie eine Vorerbschaft an, wobei ihre Schwestern Nacherben sein sollten. Damit sollte ein weiterer Zugriff des Landschaftsverbandes auf das Erbe der behinderten jüngsten Tochter bei Versterben der Mutter verhindert werden. Nach dem Tode der Mutter im Jahr 2010 verlangte der Landschaftsverband aus übergegangenem Recht für die jüngste Tochte von den drei weiteren Schwestern erneut den Pflichtteil. Die Schwestern verweigerten dies unter Hinweis auf die Vorerbschaft.

Das OLG Hamm gab dem Kläger recht. Es kam zu dem Schluss, dass die Pflichtsstrafklausel aus dem Berliner Testament der Eltern eingriff. Sinnvoller wäre es hier wohl gewesen, schon für den ersten Todesfall des zuerst Versterbenden der Ehegatten für das jüngste Kind eine Vor-und Nacherbfolge anzuordnen. Ob diese Erbschaft hätte ausgeschlagen werden können, war aus dem Sachverhalt nicht zu erkennen.
ws

Dr. Sturm trägt am 14. Mai um 18:00 in Lippstadt bei CarTec vor Unternehmern zum Thema Unternehmensnachfolge vor

Freitag, 10. Mai 2013
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Dr. Sturm nimmt am Dienstag, 14. Mai 2013, als Referent an einer Veranstaltung der CarTec GmbH in Lippstadt teil. Die Veranstaltung steht unter dem Titel: Vermögens – und Unternehmensnachfolge rechtzeitig angehen. Dr. Sturm wird dabei insbesonders sehr praxisbezogen die Fallstricke erläutern, die es zu vermeiden gilt, und auch Tipps geben, wie Sie die Klippen gekonnt umschiffen.

Eiswein muss Eiswein bleiben: VG Neustadt (an der Weinstraße – wo sonst?) bleibt hart: Eiswein muss aus Trauben gewonnen werden, die bei hartem Frost mit Temperaturen von weniger als -7° C geerntet wurden

Mittwoch, 08. Mai 2013
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Weinliebhaber wird es freuen: Eiswein ist und bleibt etwas besonderes. Am 19. März 2013 (2 U 761/12.NW) entschied des VG Neustadt (an der Weinstraße), dass Eiswein aus Trauben gewonnen werden muss, die bei hartem Frost mit Temperaturen von weniger als -7° C geerntet worden sind. Die Trauben müssten zudem in gefrorenem Zustand gepresst werden. Es handelt sich nach den VG  sich um einen seltenen, sehr hochwertigen Wein mit äußerst hoher Konzentration an Süße und Säure. Die den Charakter des Eisweins prägende Konzentrierung der Beereninhaltsstoffe müsse aber Folge der besonderen Wetterbedingungen, also des Frosts, und nicht Folge des Fäulnisbefalls und Einschrumpfens sein. Bei der Verwendung von mit Botrytis befallenem Lesegut für die Herstellung von Eiswein sei es daher für die Erteilung des Prädikats „Eiswein“ erforderlich, dass die Konzentrierung der Inhaltsstoffe als Folge harten Frostes eingetreten sei. Eine solche Feststellung konnte das VG im Streitfallnicht treffen. Das VG ließ aber die Berufung zum OVG Koblenz zu.

ws