Archiv für 2015

Die lieben Fristen, E-Mails und Gerichte – warum einfach, wenn’s auch schwer geht – die Entscheidungen des BGH vom 04.11.2014 – II ZB 25/13 und vom 18.03.2015 – XII ZB 424/14)

Sonntag, 24. Mai 2015
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BVerfGFristwahrende Schriftsätze müssen unterschrieben sein. Die elektronische Form (sie setzt eine qualifizierte elektronische Signatur voraus) ersetzt die Schriftform. Die Schriftform wird auch durch ein unterzeichnetes Telefax gewahrt, wenn die Seite mit der Unterschrift vor Fristablauf bei dem Gericht eingeht. Die Schriftform wird dagegen durch ein Telefax nicht gewahrt, wenn das Telefax nicht unterschrieben, sondern die Unterschrift dort (nur) eingescannt oder mit einem Faksimilestempel aufgebracht ist. Der Grund für den kleinen aber feinen Unterschied ist nachvollziehbar: Es geht darum sicherzustellen, dass die beim Gericht eingereichte Urkunde wirklich auf Veranlassung des Absenders erstellt worden ist, und dass es sich nicht um einen Entwurf handelt. Es geht also darum die Identität des Urhebers feststellen zu können.

Wird ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz eingescannt und sodann als Anhang zu einer E-Mail als PDF-Datei an ein Gericht verschickt, genügt nach der Rechtsprechung der Ausdruck einer auf diesem Weg übermittelten Datei der Schriftform. Das bestätigen die beiden Entscheidungen des BGH vom 04.11.2014 und vom 18.03.2015. Für die Wahrung der Frist maßgebend ist aber nach den Entscheidungen des BGH nicht der Eingang der E-Mail bei dem Gericht, sondern der Zeitpunkt, zu dem die PDF-Datei mit der Unterschrift von dem Gericht ausgedruckt wird. In der Entscheidung des BGH vom 04.11.2014 hatte der Kläger leider Pech. Der Ausdruck seiner vor Fristablauf eingegangenen PDF-Datei erfolgte erst nach Fristablauf.

Die von dem BGH vorgenommene Differenzierung ist nur auf den ersten Blick in sich stimmig. Aus unserer Sicht sprechen die besseren Argumente dafür, für die Wahrung der Frist den Eingang der E-Mail mit der PDF-Datei als maßgebend und ausreichend anzusehen. Der Ausdruck der Datei mit der Unterschrift ist ein rein technischer Vorgang, auf dessen Zeitpunkt der Absender keinen Einfluss hat. Er kann nicht wissen, wann das Gericht die Datei ausdruckt. Die Anforderung des BGH führt zu einer Verkürzung der jeweils um 24:00 Uhr ablaufenden Frist. Denn um diese Zeit wird niemand im Gericht sein, um den Ausdruck der Schriftsätze vorzunehmen. Die Lösung des BGH passt auch nicht zu den Grundsätzen des BGH zur Fristwahrung durch Schriftsätze, die per Telefax an Gerichte geschickt werden. Häufig werden diese Schriftsätze heute gar nicht mehr, wie früher üblich, sofort – passend zum Versand – auf einem Empfangsgerät bei dem Gericht ausgedruckt, sondern dort zumindest zunächst digital gespeichert, und erst später ausgedruckt. Dennoch lässt der BGH auch in diesen Fällen für die Fristwahrung den Eingang des Telefaxes bei Gericht ausreichen. Auf den Ausdruck des Telefaxes stellt der BGH dagegen in diesen Fällen nicht ab. Die soeben beschriebene technische Handhabung des Eingangs von Telefaxen bei vielen Gerichten unterscheidet sich dann aber nicht von dem Eingang einer E-Mail bei Gericht mit einer angehängten PDF Datei, die ein eingescanntes Dokument mit Unterschrift enthält, und die erst später ausgedruckt wird.

Es sprechen daher nach unserer Auffassung die besseren Argumente dafür, auch im Falle des Eingangs von E-Mails nebst PDF-Datei den Eingang der E-Mail bei Gericht für die Fristwahrung ausreichen zu lassen.

Für die Praxis allerdings bleibt es bei der Empfehlung, keine Experimente zu unternehmen, sondern auch hier den sichersten Weg zu wählen: Entweder Versand fristwahrender Schriftsätze per Telefax, und zwar so rechtzeitig, dass notfalls der fristwahrende Eingang auf anderem Wege sichergestellt werden kann, oder aber Versand per EGVP mit qualifizierter elektronischer Signatur. Vorsicht Falle: bei dem Versand per EGVP ist immer zu prüfen, ob das jeweilige Gericht überhaupt an dem Verfahren teilnehmen. Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der teilnehmenden Zivilgerichte außerordentlich gering.
WS

Die „Steinzeitjustiz“ des BGH und die lieben Fristen; muss ein Anwalt bis 24:00 Uhr versuchen, ein fristwahrendes Telefax zu versenden? „Lassen Sie es nicht so weit kommen“ – BGH – Beschluss vom 04.11.2014 (II ZB 25/13)

Freitag, 08. Mai 2015
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BVerfGDie von Gerichten an die Anwaltschaft gestellten Anforderungen erstaunen die eigentlich nicht für ausgeprägte Faulheit bekannte Anwaltschaft immer wieder. Schnell können Rechtsanwälte da zum Opfer eines angesichts der in Gerichten vorgehaltenen Technik nur als „Steinzeitjustiz“ zu bezeichnenden Standards werden. Bekanntlich gibt es zwar das EGVP schon seit über 10 Jahren. Es ist aber ein mehr als nur trauriger Befund, dass auch heute noch nur eine verschwindend geringe Anzahl von Zivilgerichten an diesem System teilnimmt. Wer also Schriftsätze fristwahrend am letzten Tag an ein Zivilgericht schicken möchte, der läuft erhebliche Gefahr, in die Falle der Steinzeitjustiz zu geraten. Wenn er wegen des um 24:00 Uhr drohenden Fristablaufs darauf angewiesen ist, den Schriftsatz noch am Tag des Fristablaufs so zum Gericht zu befördern, dass dort auch die letzte Seite des fristwahrenden Schriftsatzes mit der Unterschrift eingeht, dann hat er neben der Möglichkeit des persönlichen Einwurfs oder des Einwurfs durch Boten nur die heute schon sehr steinzeitmäßig anmutende Möglichkeit, den Schriftsatz per Telefax zu versenden. Wer nutzt so etwas heute noch intensiv?

Wie gleich zu zeigen sein wird, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 zwar die Möglichkeit zugelassen, den fristwahrenden Schriftsatz auch per E-Mail zu übersenden. Die Frist ist aber – warum eigentlich? – nur dann gewahrt, wenn der Ausdruck der Anlage zu der E-Mail vor Fristablauf erfolgt. Und da zeigen sich ganz deutlich die Unterschiede zwischen Anwaltschaft und Gericht. Wer als Anwalt gegen 21:00 Uhr am Tag des Fristablaufs entnervt den Faxversand wegen der Dauerbelegung des einen Telefaxanschluss des Gerichts aufgibt, sollte nicht glauben, dass der Versand des Schriftsatzes als Anlage zu der einer E-Mail fristwahrend ist. Das wäre er zwar, wenn die Anlage vor Fristablauf ausgedruckt würde. Ein Ausdruck um 21:00 Uhr wird aber bei keinem Gericht in der Bundesrepublik mehr erfolgen.

Der BGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Rechtsanwalt hatte einen fristgebundenen Schriftsatz an das Berufungsgericht schicken wollen. Die einzige Telefaxnummer des Gerichts war aber lange Zeit besetzt. In seiner Not verschickte der Rechtsanwalt den Schriftsatz am Tage des Fristablaufs kurz vor 19:00 Uhr als Anlage per E-Mail an das Berufungsgericht. Dort wurde die Anlage am Tag nach Fristablauf ausgedruckt. Der BGH kam in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, der Rechtsanwalt habe den Faxversand „schuldhaft vorschnell aufgegeben“. Ob der Anwalt gehalten gewesen wäre, die Übermittlungsversuche gegebenenfalls bis 24:00 Uhr fortzusetzen, ließ der BGH dagegen ausdrücklich offen. Auf jeden Fall sei eine Beendigung der Versuche kurz nach 19:00 Uhr vorschnell gewesen. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung gab der BGH nicht statt.

Für die Praxis kann man nur die einfach zu befolgende Empfehlung aussprechen, Fristen nicht am letzten Tag, sondern nach Möglichkeit spätestens eine Woche vor Fristablauf zu erledigen. Dann wird man in die hier geschilderte Problematik nicht hineingeraten. Wenn aber Gesetzgeber und Gerichte es mit den Fristen ernst meinen, und es auch verständlicherweise zugelassen ist, eine Frist bis zur letzten Sekunde auszunutzen, dann darf dies nicht durch überspannte Anforderungen an das Einhalten von Fristen in Fällen der hier geschilderten Art konterkariert werden. Im Alltag eines Anwalts gibt es eine Vielzahl von Haftungsfallen, und die Hektik und der Stress sind allegegenwärtig. Auch Anwälte sind keine Maschinen. Wir haben den Eindruck, dass dieser Aspekt bei Entscheidungen der Gerichte, die wie dieser hier Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, nicht ausreichend berücksichtigt wird.
ws

Sind (auch) Finanzgerichte weltfremd? BFH hält mündliche Verhandlung um 6:30 Uhr für zumutbar, auch wenn dies mit erheblicher Reisetätigkeit verbunden ist; praktisch: Einzelrichter entscheidet selbst über gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch

Samstag, 18. April 2015
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91010_WS schwarz weißWer schon einmal versucht hatte, bei einem Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung morgens um 06.30 Uhr zu erhalten, wird im besten Fall Gelächter geerntet haben. Der BFH und das FG in Leipzig dagegen halten einen Termin zu dieser Stunde für Rechtsanwälte für durchaus zumutbar. Ein Antrag auf Terminsverlegung komme nicht in Betracht.

In seinem Beschluss vom 10.3.2015 (V B 108/14) konnte der BFH in der m.E. doch krassen Ablehnung einer Terminsverlegung durch das Finanzgericht in Leipzig und den damit im Zusammenhang stehenden Äußerungen eines Einzelrichters („da lache ich aber“) keine Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters erkennen. Besonders praktisch dabei: Der Einzelrichter hatte über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch selbst als Richter in eigener Sache entschieden. Nach der auf der Internetseite des Bundesfinanzhofes veröffentlichten Entscheidung hatte der Prozessbevollmächtigte beantragt, einen Termin zu verlegen. Der Bevollmächtigte hatte dazu vorgebracht, am Vortag einen Termin beim Bundespatentgericht zu haben, und am Terminstag einen weiteren beim Amtsgericht in D, und zwar um 9:30 Uhr. Den nächsten Satz der Entscheidung muss man sich allerdings auf der Zunge zergehen lassen:

zur Vermeidung einer Terminkollision hat das FG die mündliche Verhandlung von 11:00 Uhr auf 7:00 Uhr vorverlegt, eine Fahrzeit nach D von 2 Stunden berücksichtigt und sich überdies bereit erklärt den Termin von 7:00 Uhr auf 6:30 Uhr vorzuverlegen. Gründe, die den Kläger und Beschwerdeführer in dieser Zeit an der Teilnahme hinderten, hat er weder vorgebracht noch glaubhaft gemacht. Bloße Unannehmlichkeiten, um den Termin pünktlich wahrnehmen zu können (wie beispielsweise eine frühe Anreise oder eine Hotelübernachtung), reichen dagegen für die Annahme eines erheblichen Grundes nicht aus.“

Erste Frage: warum konnte denn der Termin nicht einfach auf einen anderen Tag verlegt werden? FG – Verfahren sind nicht für besonders kurze Dauern bekannt. Da kann es also auf ein oder zwei Wochen ankommen. Diese gilt umso mehr, als das Gericht ja bereit war, auch schon um 06:30 mit den Verhandlungen zu beginnen. Vielleicht wäre es auch bereits, einen Termin um 22:30 zu ermöglichen?

Der Bevollmächtige telefonierte daraufhin mit dem Einzelrichter. In einem Telefonat habe der Einzelrichter eine telefonische Äußerung des Bevollmächtigten mit der Erwiderung quittiert: „da muss ich aber lachen“. Nach der veröffentlichten Entscheidung wies der Einzelrichter selbst den Befangenheitsantrag des Bevollmächtigten zurück.

Der BFH konnte darin keinen Verfahrensfehler erkennen. Er schloss sich der Entscheidung des Einzelrichters in Leipzig an und meinte, ein Termin um 7:00 Uhr, gegebenenfalls um 6:30 Uhr, sei durchaus zumutbar.

Wenn wir die Entscheidung richtig verstehen, mutet der BFH dem Bevollmächtigten folgendes zu: am Vortag des Termins hatte der Prozessbevollmächtigte einen Termin beim Bundespatentgericht, in München. Am Prozesstag sollte er zunächst um 07:00 Uhr oder um 06:30 Uhr in Leipzig zur mündlichen Fahndung erscheinen, um sodann nach 2 Stunden Fahrzeit nach D (wie Dessau?) zu gelangen. Das ist ersichtlich nach unserer Auffassung ein wenig weltfremd. Einfacher wäre es doch gewesen, einen anderen Tag zu finden, zumal bei der gezeigten richterlichen Flexibilität. Aber das wäre ja zu einfach gewesen. Oder ging es nur darum, Recht zu behalten? Ich hoffe nicht.

Interessant und zur „Nagelprobe“ wird die Sache, wenn man die Situation umkehrt. Wer es bis heute noch nicht versucht hat, kann ja mal bei einem Finanzgericht den Antrag stellen, dass er doch bitteschön um 6:30 Uhr oder um 22:30 Uhr verhandelt werden möge (das ist ja zumutbar). Ich werde das jetzt einmal bei nächster Gelegenheit machen. Ich möchte die Prognose wagen, dass dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle voraussichtlich abgelehnt werden wird. Das aber wäre möglicherweise eine wissenschaftliche Untersuchung wird.
ws

BFH bestätigt mit Beschluss vom 21.01.2015 ständige Rechtsprechung oberster Bundesgerichte zur Frage, wann Richter schlafen und, noch viel wichtiger, wann nicht.

Montag, 13. April 2015
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91007 Linus fliege orange_1In der vom BFH zu entscheidenden Sache ging es um die Frage, ob die bekanntlich nur kurzfristige Vermietung von Zimmern an Prostituierte dem ermäßigten Umsatzsteuersatz i.H.v. 7 % unterliegt. Die Klägerin unterlag mit ihrem Begehren bereits vor dem Finanzgericht. Die Revision hatte das Finanzgericht nicht zugelassen. Da der BFH die von der Klägerin eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde bereits als unzulässig ansah (das ist kein Makel, weil die Anforderungen an die Zulässigkeit sehr hoch sind), fiel der Beschluss des BFH vom 21.01.2015 (XI B 88/14) insoweit recht kurz aus.

Im Vergleich dazu nahmen die Ausführungen des BFH zu dem Vorbringen der Klägerin, „beim Vorlesen des Falles“ durch den Berichterstatter habe der Beisitzer Herr X die Augen geschlossen, einen deutlich größeren Raum ein. Dieses Vorbringen wertete der BFH als Rüge, das Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, um sich sodann genüßlich damit auseinandersetzen zu können. Wäre die Rüge begründet gewesen, hätte ein absoluter Revisionsgrund vorgelegen (§ 119 Nr. 1 FGO), der auch einen Verfahrensmangel dar gestellt hätte. Allerdings meinte der BFH, dass die Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei.

Wörtlich führte er dazu in seiner Entscheidung aus:
„a) Ein Gericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn ein Richter während der mündlichen Verhandlung schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht folgt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. August 1967 VI R 198/66, BFHE 89, 183, BStBl III 1967, 558, und BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2011 IV B 61/10, BFH/NV 2012, 246). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann im Allgemeinen jedoch erst dann angenommen werden, wenn sichere Anzeichen für das Schlafen wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder eindeutige Anzeichen von fehlender Orientierung gerügt werden (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2009 X B 202/08, BFH/NV 2009, 1659). Denn ein Richter kann dem Vortrag während der mündlichen Verhandlung auch mit (vorübergehend) geschlossenen Augen und geneigtem Kopf folgen. Deshalb muss derjenige, der sich darauf beruft, ein Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung ausschließen (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2011 IV B 108/09, BFH/NV 2011, 996).
b) Aus der Begründung ergeben sich hierfür keine Anzeichen. Die Klägerin trägt selbst vor, es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob der beisitzende Richter X eingenickt sei oder nicht. Allein aus der Tatsache, dass dieser die Augen geschlossen hatte, ergibt sich nicht, dass er wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung nicht hätte aufnehmen können.“

Was lehrt uns Anwälte die Entscheidung des BFH? Wenn wir in einer der nächsten mündlichen Verhandlungen feststellen, dass ein Richter oder eine Richterin beginnt, die Augen zu schließen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit zumindest auch auf diesen Vorgang lenken. Sollten sich die Augen nach etwas längerer Zeit nicht mehr öffnen, wird es Zeit, die Angelegenheit zu protokollieren, um sie zu dokumentieren. Sollte der Zustand der geschlossenen Augen auf der Richterbank für insgesamt ca. 10 Minuten angehalten haben, wird es Zeit für einen Weckruf. Dafür könnte es sich empfehlen, an geeigneter Stelle der mündlichen Verhandlung energisch mit der Faust auf den Tisch zu hauen und plötzlich laut zu werden. Sollte man dann die von dem BFH in seinem Beschluss vorgezeichnete „fehlende Orientierung“ auf der Richterbank feststellen, hätte man gute Chancen, mit der Rüge, das Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, durchzudringen.

Es gilt auch hier: nicht die Rechtslage ist das Problem, sondern der Sachverhalt.
ws

Die Optik machts: dank BFH (Urteil vom 04.12.2014, V R 16/12) sind Schönheitsoperationen – nicht immer – steuerfrei

Freitag, 20. März 2015
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Bildergebnis für arztKeine Angst, die Steuerfreiheit gilt nicht für den Operateur. Der BFH entschied nur, dass ästhetisch-plastische Operationen umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen sind, wenn der Eingriff wegen einer Verletzung, Krankheit oder aber eines angeborenen körperlichen Mangels erfolgt. Darüber ist auf der Grundlage von anonymisierten Patientenunterlagen zu entscheiden. Dabei soll eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden. Möglich wird das über ein Sachverständigengutachten über die mit der Operation verfolgten Ziele. Zudem hat die Klinik oder der Arzt Mitwirkungspflichten. Diese müssen im Detail Angaben zu der Zielsetzung der Operation machen. Das Regelbeweismaß sei dabei auf eine „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ zu verringern.

Anders noch die Vorinstanz (FG Neustadt, Urt. v. 12.01.2012 – 6 K 1917/07): sie entschied, dass eine Beweiserhebung von der Benennung der oder des behandelten Patienten abhängig sei. Ein weiteres Urteil folgte am gleichen Tag, bei dem der V. Senat auch zur Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen entschied (V R 33/12). Es wurde an das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Finanzgericht Düsseldorf vom 04.02.2015 (Az.: 15 K 1779/14 E): mit Tieren Steuern sparen – Tierbetreuungskosten und Einkommensteuer

Mittwoch, 18. März 2015
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Bildergebnis für paragraphHühner, Äpfel und Birnen…. das Finanzgericht Düsseldorf hatte die Freude, über die steuerliche Behandlung von Kosten für die Betreuung von Tieren zu urteilen. Die Kläger waren im Besitz einer Hauskatze, die sie in ihrer Wohnung hielten. Während ihrer Abwesenheit beauftragten sie zur Betreuung der Katze eine Tier- und Wohnungsbetreuerin, welche pro Tag 12,00 Euro in Rechnung stellte. Im Streitjahr 2012 waren das insgesamt 302,90 Euro. Die Kläger beantragten dafür eine Steuerermäßigung wegen haushaltsnaher Dienstleistungen. Das Finanzamt lehnte das ab. Es verwies auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen, das eine Steuerermäßigung für Tierbetreuungs-, -pflege und -arztkosten ausschließt.

Das sah das Finanzgericht Düsseldorf anders. Tierbetreuungskosten könnten als Aufwendungen  unter die haushaltsnahen Dienstleistungen gefasst werden, und damit abzugsfähig sein. Das Finanzgericht: die Versorgung von Haustieren habe einen engen Bezug zur Hauswirtschaft des Halters. Nach der einschlägigen Vorschrift im EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um 20% der Aufwendungen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Haushaltsnahe Dienstleistungen seien als Begriff im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung gehörten dazu hauswirtschaftliche „Verrichtungen“, welche gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder Beschäftigte in diesem Bereich erledigt werden und regelmäßig anfallen. Das FG Düsseldorf zählt dazu auch Leistungen, die ein Steuerpflichtiger für die Betreuung und Versorgung der Haustiere erhält. Tiere, so auch Katzen, die in einer Wohnung des Eigentümers leben, seien dessen Haushalt zuzurechnen. Tätigkeiten, die sich mit der Versorgung der Tiere beschäftigen, fielen regelmäßig an und gehörten damit zur Hauswirtschaft des Halters.

Nicht bekannt ist, ob die an dem Urteil mitwirkenden Richtet auch selbst Haustiere haben…. und ebenfalls nicht bekannt ist, ob die Vergütung von 12,00 Euro pro Tag (!) angesichts des Mindestlohngesetzes nicht sittenwidrig ist.

ws / jw

Urteil des BGH vom 10.12.2014 (VIII ZR 90/14) bestätigt erneut: e-Bay- Auktionen können teuer werden!

Montag, 16. März 2015
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Bildergebnis für BGHDer Verkäufer hatte für die Dauer von zehn Tagen ein Strom-aggregat zu einem Startpreis von einem Euro bei eBay angeboten. Er brach die Auktion frühzeitig nach zwei Tagen ab. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mit einem Euro Höchstbietender. Er verlangte von dem Verkäufer Schadensersatz in Höhe des Wertes des Stromaggregates von 8.500 Euro. Der Verkäufer hatte das Stromaggregat  bereits anderweitig verkauft.

Der BGH musste sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Umständen ein Anbieter eine noch länger als 12 Stunden laufende eBay- Auktion vorzeitig beenden und den Gegenstand an einen anderen Interessenten weiter verkaufen darf, ohne sich gegenüber dem bis dahin Höchstbietenden schadensersatzpflichtig zu machen.

In den AGB der Plattform eBay heißt es unter anderem in § 9 Nr. 11: „Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind.“ Weiter heißt es in § 9 unter „Weitere Informationen„, dass mit dem Einstellen eines Artikels ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Vertrages abgegeben wird. Ein Angebot kann aber unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig beendet werden. Das ist z.B. zulässig, wenn der Artikel während der Angebotsdauer beschädigt wird oder verloren geht.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass ein Kaufvertrag zwischen den beiden Parteien zustande gekommen ist. Das Angebot des Verkäufers war bindend. Der Käufer hatte es angenommen. Somit steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs.1, 3, 283 S.1 BGB in Höhe von 8.500 Euro zu. Der Bundesgerichtshof entschied somit, dass ein Angebot bei einer laufenden e-Bay- Auktion ohne berechtigenden Grund nicht zurückgenommen werden darf.

Urteil des Bundefinanzhofs vom 08.10.2014: Die Einkommensteuererklärung darf per Telefax übermittelt werden

Freitag, 13. März 2015
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Bildergebnis für SteuererklärungIn dem vom BFH 08.10.2014 (VI R 82/13) entschiedenen Fall erzielte die Klägerin im Jahr 2007 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie hatte sich über den Inhalt der von ihrer Steuerberaterin erstellten Einkommensteuererklärung nur telefonisch informiert und das ihr zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben. Die Steuerberaterin der Klägerin übermittelte dem Finanzamt die Steuererklärung über ein Portal ohne Zertifizierung. Beim Finanzamt ging am 30.12.2011 die hierzu gehörende komprimierte Erklärung ein, deren erste Seite das zugefaxte Deckblatt mit der telekopierten Unterschrift der Klägerin war. An „Amtsstelle“ unterschrieb die Klägerin erst im Dezember 2012 erneut das Deckblatt der Einkommensteuererklärung. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer für 2007 ab, da die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 abgelaufen sei. Das Finanzgericht in Kiel gab der erhobenen Klage mit Urteil vom 19.09.2013 (1 K 166/12) statt. Der BFH folgte dem Finanzgericht.

Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass eine Übermittlung per Telefax in allen Gerichtszweigen zulässig ist (GmS-OGB, Beschl. v. 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98). Nach dem BFH gilt nichts anderes für die Einkommensteuererklärung.  Somit kann auch die Einkommensteuer-erklärung wirksam per Telefax an das Finanzamt übermittelt werden. Das Erfordernis der Schriftlichkeit soll sicherstellen, dass Person und Inhalt der Erklärung eindeutig sind und es sich nicht  nur um einen Entwurf handelt. Auch das wird bei der Übermittlung per Fax gewahrt. Mit der Unterzeichnung des Steuerpflichtigen auf der Einkommensteuererklärung mache sich dieser deren Inhalt deutlich und übernimmt dafür die Verantwortung. Es ist dafür nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Erklärung tatsächlich in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat. Der BFH und das FG Kiel.

Volksabstimmung in der Schweiz: die Zukunft des Steuerprivilegs für vermögende Ausländer in der Schweiz

Mittwoch, 11. März 2015
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Bildergebnis für steuern schweizDie Schweiz ist ein beliebtes Domizil Vermögender aus dem Ausland. Insbesondere Rennfahrer scheinen sich in der Schweiz wohl zu fühlen. Sebastian Vettel, Louis Hamilton, Kimi Räikönen und Michael Schumacher sind nur die berühmtesten Beispiele für ausländische Rennfahrer, die einen Wohnsitz in der Schweiz dem Heimatland vorziehen. Vermutlich liegt das nicht nur an der – unzweifelhaft – schönen Natur der Schweiz, sondern auch an einer anderen Schweizer Besonderheit: Die Pauschalbesteuerung von Ausländern.

Ausländer, die einen Wohnsitz in der Schweiz unterhalten, aber dort nicht arbeiten, werden in den meisten Kantonen der Schweiz nach ihrem Aufwand besteuert. Vereinfacht gesagt sind hier die Lebenshaltungskosten ausschlaggebend. Grundlage für die Bemessung ist bislang das 5-fache der Wohnkosten. Gegen die Pauschalbesteuerung von Ausländern richtete sich nun eine Volksinitiative, die eine eidgenössische Vorlage am 30. November 2014 erwirkte.

In den meisten Kantonen wird die Pauschalbesteuerung angewandt. Lediglich einzelne Kantone wie Schaffhausen, Basel oder Zürich lehnen die Pauschalbesteuerung ab. Im Jahr 2012 wurden mehr als 5.500 Personen in der Schweiz pauschalbesteuert.[1] Eine Abschaffung dieser Pauschalbesteuerung wäre ein Angriff auf die kantonale Steuerfreiheit im liberalen Steuersystem der Schweiz gewesen.

Die Abschaffung der Pauschalbesteuerung wurde jedoch klar abgelehnt. In der gesamten Schweiz stimmten 40,8 % für eine Abschaffung und 59,2 % dagegen. Lediglich die Bürger des Kantons Schaffhausen stimmten mehrheitlich für eine Abschaffung.

Die Besonderheit des Schweizer Steuerrechts bleibt also weiter bestehen.  Allerdings wird die Besteuerung ab 2016 erhöht. Ab dann gilt das 7-fache der Wohnkosten als Grundlage der Bemessung.

ws / ng

[1]Quelle: Internetauftritt der KPMG (Stand 04.12.2014) http://www.kpmg.com/ch/de/topics/saving-tax/seiten/lump-sum-taxation-in-switzerland.aspx

OLG Oldenburg: 500.000,00 EUR Schmerzensgeld

Montag, 09. März 2015
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Bildergebnis für SchmerzensgeldDas OLG Oldenburg hat mit Urteil v. 02.09.2014 (12  U 50/14) dem Kläger, welcher nach einer Betriebsfeier von einem betrunkenen Arbeits- kollegen mit dem Auto angefahren wurde und nunmehr seit 4 Jahren im künstlichen Koma liegt, 500.000,00 EUR Schmerzensgeld zugesprochen.

Was war passiert? Im August 2010 kam es auf einer Betriebsfeier zu einem Streit zwischen zwei  Arbeitskollegen, wobei der Beklagte dem Kläger einen Schlag ins Gesicht versetzte. Der Beklagte stieg gegen Ende des Festes stark alkoholisiert in sein Auto und verließ zunächst das Betriebsgelände. Nach kurzer Zeit kam er jedoch mit hohem Tempo wieder zurück und erfasste dabei den Kläger, der ebenfalls das Betriebsgelände verlassen hatte und an der Straße stand. Dadurch wurde der 35-jährige Familienvater lebensgefährlich verletzt. Er erlitt u.a. ein Polytrauma mit schwerstem Schädel-Hirn-Trauma und liegt seit dem Vorfall im Wachkoma mit künstlicher Ernährung.

Nach der Entscheidung des Landgerichts Oldenburg zahlte die beklagte Haftpflichtversicherung ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro. Darüber hinaus leistete die Verkehrsopferhilfe einen Betrag von 80.000 Euro. Der Beklagte wurde u.a. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt.

Die Beklagte war mit der Höhe des Schmerzensgeldes nicht einverstanden und legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Das OLG Oldenburg vertrat jedoch die Ansicht, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 € angesichts der schweren Verletzungen durchaus angemessen sei. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden darstellen und dem Verletzten Genugtuung für das ihm zugefügte Leid geben. Der Kläger, welcher 3-, 8- und 9-jährige Kinder habe, sei  nicht mehr ansprechbar und könne sich auch nicht mehr mitteilen. Eine schwerere Gesundheitsbeschädigung sei kaum vorstellbar, so das Gericht.

Für diesen Zustand sei der Beklagte auch verantwortlich, da er unter Außerachtlassung jeglicher Sorgfaltspflichten betrunken in sein Auto gestiegen und, um seinen Kollegen zu provozieren, mit überhöhter Geschwindigkeit zurückgefahren sei.

ws/ng